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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4073#0019
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so weiter, nach Ölgemälden von Winterhalter und
Landseer, welche von J. A. Vinter in Schwarz und
Weiss übertragen wurden. C at t e rm o 1 e, F. Tay 1 o r, Lou is
Haghe gehören zu denjenigen eigenartigen Meistern, die
uns zu der heutigen jüngeren Generation herüber leiten.
Durch Ausstellungen auf dem Continent und durch
Besprechungen in derFachliteratur hat auch wohl auf dem
Festlande das Publicum Gelegenheit gehabt, viele der
neueren englischen Lithographen kennen zu lernen. Da
die bedeutendsten Bildhauer, Maler, Kupferstecher und
Radirer in reicher Fülle ausgestellt haben, so sollen
wenigstens die Hervorragendsten genannt werden, um
einen Überblick und die Überzeugung zu verschaffen,
dass die Bethätigung auf dem Gebiete der Lithographie zu
den beliebtesten in England gehört. So lieferten interessante
Arbeiten: Sir John Gilbert, Dicksee, Green, Watson,
G.F.Watts, W.Strang, F. Short, W. Rothenstein,
H. Moore, Mac Whirter, R. W. Macbeth, Sir J.
L in ton, Legros, Minna Bolingbroke, Alma-Ta-
dema und Andere.

Wenn trotz alledem die Lithographie und ihre Aus-
übung in England sich niemals zu solcher Blüthe erhob
wie auf dem Continent, so liegt der Grund wohl zunächst
mit darin, dass es hier keine Kunstlücke auszufüllen gab.
In keinem Lande ist die Continuität und die Tradition
in der Kunst so beharrlich geblieben, wie gerade in
England. Wenn durch die Erfindung der Photographie
schon die graphischen Künste auf dem Continent mehr
oder minder Einbusse erlitten, so wurde die Miniatur-
malerei in den meisten anderen Ländern so gut wie ver-
nichtet. In England dagegen haben wir eine fortlaufende
Reihe der bedeutendsten Meister bis auf den heutigen
Tag, die sich gelegentlich oder ganz diesem Specialfach
widmeten. In neuerer Zeit haben sich sogar zwei einander
Concurrenz machende Miniaturgesellschaften in London
gebildet, deren einer Präsident Sir W. Richmond ist und
in deren Vorstande sich Künstler finden, wie: Sir

Aus dem Werke: ■•■Der Wiener Congress.*

E. Poynter, der Präsident der Akademie und Director
der »National-Gallerys Sir J. Linton, Alma-Tadema
und Professor Herkomer.

Einer der grossen Maler, der sich auch mit Buch-
illustration und Buchmalerei im alten Sinne beschäftigte,
war der 1898 verstorbene Sir E. Burne-Jones, ein
Meister, der mit Berechtigung annähernd mit Böcklin
verglichen wird. In der »New-Gallery« befindet sich zur
Zeit eine fast vollständige Ausstellung seiner Ölgemälde
und Zeichnungen nebst Studien, die er für erstere an-
fertigte. Er war ein geborner Künstler, was den Entwurf
und die Composition betrifft, aber correcter Zeichner hat
er erst durch das mühseligste Studium werden müssen.
Die ausgestellten Bleistift- und Kreidezeichnungen zu
seinen Originalbildern legen für die erwähnte Behauptung
unbedingtes Zeugnis ab. In der »New-Gallery« finden
wir die Zeichnungen chronologisch und mehr für Fach-
leute geordnet, während eine Parallelausstellung von
Zeichnungen desselben Meisters in dem »Burlington
Fine Art Club < hauptsächlich decorativ und für Amateurs
arrangirt wurde. Hier haben wir die Bleistiftentwürfe
für die illustrirten Ausgaben von »The Earthly Paradise«
und andere vor uns, welche Burne-Jones für die Bücher
seines Freundes Morris anfertigte. Wenn man es nicht
Schwarz auf Weiss vor Augen hätte, würde man es
kaum glauben, dass die beiden Künstler in der Jetztzeit,
bei ihrem hastigen Treiben und Drängen, trotz Dröhnen
und Stampfen auf den Strassen, Zeit fanden, um in mittel-
alterlicher Mönchsweise Manuscripte aus dem XII. Jahr-
hundert genau in der damaligen Schreibweise zu wieder-
holen und zu illustriren. Alsdann haben wir Gelegenheit,
die Cartons für die Gralsage und Tannhäuser zu be-
wundern. Bemerkenswerth ist ferner eine Serie von
Zeichnungen, die Meinholds Romane: »Die Bernstein-
hexe« und »Sidonia von Borik« illustriren. Einzelne
seiner Studienfiguren in Bleistift, namentlich aber eine
»Justitia« sind dem Meister so gut gelungen, dass sie an
die schönsten und erhabensten Entwürfe von Mantegna
erinnern. Von den vorhandenen Stichen und Radirungen
nach den Originalgemälden sollen erwähnt werden:
»Vespertina Quies«, eine Radirung von Boilvin; die
»Annunciation«, Radirung von Jasinski; »Die goldene
Treppe«, gleichfalls durch den Letzteren radirt, ebenso
»Der Spiegel der Venus«, »Flora« und »Flamma Vestalis«
wurde von Gaujean und eine »Sybille« von Waltner
radirt, während »Le Chant d'Amour« durch Macbeth im
Kupferstich wiedergegeben wurde. Ein Künstler wie
Burne-Jones, der so individuell schuf und sich
gewissermassen als eine Reaction gegen zeitgenössische
Kunst betrachtete, konnte naturgemäss keine wirklichen
Nachfolger zeitigen. Die mühevolle Art der Vorbereitung
durch Detailzeichnungen hatte er mit Lord Leighton
gemein. Im Übrigen aber waren sie entgegengesetzte
Künstlernaturen, denn Leighton gilt als der Vertreter der
correct akademischen Malweise, und seine Stoffe entnahm
er der classischen Mythe und Geschichte.

L
 
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