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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.4244#0022
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R. Jettmai

untersetzten, fast vierschrötigen Formate, der krästigen, klaren Type auf
dem starken tonigen Papier und den charaktervollen Zeichnungen. Jede
einzelne Seite sah vollsastig, bis zum Rand wie mit gleichmässiger Kraft
ersüllt aus. Das ergab einen anheimelnden Gesammteindruck, fast wie von
einem alten Buche, und doch war nichts von Nachahmung zu spüren.
Die Zeichnungen, obwohl von zwei Händen, von F. Vallotton
und E. R. Weiss herrührend und auf das deutlichste individualisirt,
gewannen durch ihren, dem Typencharakter entsprechenden, breiten,
sastigen Linienstil ein einheitliches Wesen. Meistens ohne Beziehung
zum Textinhalte zwischen die Abschnitte gestreut, boten diese geist-
vollen und vielsach lustigen Darstellungen dem von dem Abstreisen der
Typenlinien ermüdeten Auge eine erquickende Rast und Abwechslung
dar, während sie anderseits die Ausgabe erfüllten, die nicht
zusammenhängenden Tcxttheile zu isoliren. Daneben beanspruchte eine
Reihe meisterhaster Künstlerporträts von F. Vallotton, deren Holz-
schnittstil sich vollständig dem Ganzen einsügte, ein selbständiges hohes
Interesse.
So war der Bunte Vogel von 1897 beschafsen, der sür ein zweites
Erscheinen eine nicht bescheidene Erwartung erregte und zugleich ein
berechtigtes Mass zu dessen Beurtheilung ergab.Der neue Band hatdiese
Erwartung nicht ersüllt, er erweist sich als eine zwar interessante, aber
sein Original nicht erreichende Wiederholung. Was gut ist, war bereits
im ersten Band vorhanden, das Neue ist nicht einwandfrei. An die Stelle
des Harmlosen, Einsachen, wie von selbst Gewordenen ist eine
prätentiöse Doctrin getreten. Hat der Text nicht vermocht, eine einheitliche
Stimmung sest zu halten, so ist dasür wenig Ersatz geboten, dass der
ganze zeichnerische Schmuck von einer Hand herrührt und ein bis zur
Starrheit gleichmässigesAnsehen hat. Jetzt herrscht das puritanisch reine
Linien-Ornament, verpönt ist jede figürliche Einmischung. Wie gut
ersunden in manchen Fällen, wirken diese endlos wiederholten Ornamente
doch schliesslich peinlich leer. Und dabei sind sie in der Mehrzahl nicht
derart, dass man sie ignoriren könnte; sie sind— hier liegt zweifellos
ein nicht geringer stilistischer Fehler — viel zu stark und aufdringlich
und ohne Harmonie mit dem Typendruck. Sie saugen sozusagen die
Krast der ganzen Seite in sich aus und beunruhigen und belästigen das
Auge mehr, dass sie es ersreuten. Man hat bisweilen den komischen
Eindruck, wie wenn ein Vorleser seinen Text selbst ruhig und gleich-

massig spräche, mit erhobener Stimme aber dazwischen das -Komma«
und »Punktum« verkündete.
Es soll nicht geleugnet werden, dass auch der Bunte Vogel
von 1899 ein verhältnismässig gutes Buch ist, aber der drollige
Eisvogel Vallottons (der den Titel des ersten Bandes schmückte) ist von
Behrens' stolzem Paradiesvogel bei weitem nicht erreicht worden.
F. D.
Gedichte von Albert Roffhack. Mit Zeichnungen
und Original-Lithographien von Franz Hein. Breslau.
Schottländer, 1900.
Das vorliegende Büchlein bildet einen neuerlichen Beweis dasür,
dass der gute Geschmack in der Buchausstattung sich nun auch in
Deutschland immer mehr zu verbreiten beginnt. Es war ein glücklicher
Grifs, den begabten Franz Hein in Karlsruhe als Illustrator sür eine
Gedichtsammlung zu gewinnen. Wenn auch seine eigentliche Begabung
mehr auf demGebiete der Illustration von Erzählungen und Märchen Hegt,
was er durch seine tresslichen Zeichnungen zu Stisters Studien und vor
allem durch seine entzückende sarbige Lithographie »Dornröschen«
bewiesen hat, so hat er doch auch.in diesem Bande Gelegenheit, sein
eigenartiges Talent von der besten Seite zu zeigen. Hier handelt es sich
sreilich mehr um Buchdecoration, als um Illustration. Schon die äussere
Gestalt des handlichen Oclavbändchcns ist von angenehmer Wirkung;
der einfache, vornehme Einband und das hübsche Vorsatzblatt mit dem
tapetenartigen Epheurankenmuster sind nach Heins Zeichnungen
hergestellt. Der gut gedruckte Text ist mit einigen Kopsleisten und
Schlusstücken geziert, die sich an den meist lyrischen Inhalt nicht
sklavisch anschliessen, sondern ihn mit ähnlichen Empfindungen zu
begleiten versuchen. Einen besonderen Schmuck des Bandes, zugleich
eine Neuerung in der Buchdecoration, bildet eine Anzahl von sarbigen
Lithographien, die die Kunstdruckerei des Karlsruher Künstlerbundes
vortresslich gedruckt hat. Es sind ihrer sieben: eine davoji enthält die
Widmung, drei andere stellen die Titelblätter der drei Abtheilungen dar,
in die das Buch zersällt, und die drei übrigen sind eigentliche Illustrationen
zu den einzelnen Gedichten. Das Beste darunter scheinen uns die Titel-
blätter zu sein; obwohl hier nur zwei Farben (schwarz und gelb) in
 
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