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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0007
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publicirt wurde, fünf Jahre vor seinem Tode, wodurch wir bis zu einem gewissen Grade über seinen Stil zu jener
Zeit unterrichtet werden.
Wir wollen nun sehen, ob wir zwischen den hier mitgetheilten Thatsachen und den mit Hiroshiges Namen
bezeichneten Holzschnitten einen Zusammenhang feststellen können. Dass die Blätter in Stil, Charakter und Gegen-
stand so sehr voneinander abweichen, ist nicht zu verwundern, wenn man erwägt, wie wechselvoll des Künstlers
Leben selbst war. Wir hören zuerst von ihm als einem Mitglied der Kano-Schule. Nun aber war die Kano-Schule eine
Schule von Künstlern, die für Privatbesteller arbeiteten und deren Zeichnungen nicht durch den Farbendruck verviel-
fältigt wurden. Dieser Umstand kann die Überlieferung erklären, dass sich Hiroshige erst in vorgerückterem Alter
mit dem Farbenholzschnitt befasste. Die Betrachtung seines Werkes lässt keinen Zweifel darüber bestehen, dass er
den chinesischen Zeichenstil sorgfältig studirte; denn ausser seinen Landschaften schuf er eine Anzahl von Holz-
schnitten mit Vögeln und später eine hübsche Folge von Blättern, auf welchen Fische dargestellt sind. Auch seine
Landschaften erscheinen uns in ihrer Freiheit und Skizzenhaftigkeit und in dem zwanglosen Gebrauch von
Abstufungen des Tones, die durch geschickte Pinselführung erzielt werden, offenbar als das Werk eines Mannes, der
nicht bei einem 'der grossen Zeichner des XVIII. Jahrhunderts in die Schule gegangen war, sondern seine Technik
von einem Maler der kalligraphischesten der drei classischen Malerschulen gelernt hatte.
Ein einziger Farbenholzschnitt in meinem Besitze (vgl. die Abbildung auf Seite 2) scheint auf einen Versuch
in einer anderen Richtung hinzuweisen. Es ist eine höchst sorgfältig und fein ausgeführte Nachahmung eines
Gemäldes einer der anderen grossen classischen Schulen, nämlich der Tosa-Schule. Die Tosa-Malerei war echtere
japanische Kunst, als es die Werke der Kano- oder der Buddhisten-Schule waren. Als Gegenstände dienten ihr
berühmte Personen der Geschichte oder Sage und prächtige Hoffestlichkeiten. Sie vereinigte den Farbenglanz der
buddhistischen Kunst mit der Feinheit des Details, die man in der indischen Miniaturmalerei findet. Ihre Kenntnis der
Perspective war gleichfalls beachtenswert. Da die Tosa-Malerei fortwährend Vorgänge behandelte, die sich in Innen-
räumen abspielen, stellte sie solche Scenen immer vom Standpunkt eines Betrachters über dem Hause aus dar, wobei
angenommen wurde, das Dach wäre entfernt. Leere Stellen in der Composition wurden mit Massen conventioneller
Wolken ausgefüllt. Der von mir erwähnte Holzschnitt gibt getreu alle diese charakteristischen Merkmale wieder und
zeigt, dass Hiroshige, selbst wenn er niemals wirklich ein Tosa-Maler war, doch mit diesem Zweige der classischen
Kunst Japans wohl vertraut gewesen sein muss.
 
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