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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0035
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— 31


Nekrologe.

Sylvester R
Vor Jahresfrist — am 15. September 1900 — starb
in Amerika ein Mann, dessen unermüdlichem Eifer und
umfassendem Wissen die Geschichte der graphischen
Künste reiche Förderung verdankt. Die deutsche Fach-
presse hat, abgesehen von der»Kunstchronik«, mit seltener
Einhelligkeit über diesen beklagenswerten Verlust ge-
schwiegen, es scheint mir aber doch eine Ehrenpssicht
gerade für die »Graphischen Künste«, deren Mitarbeiter
der Verstorbene war, seiner grossen Verdienste dankbar
zu gedenken, wenn auch bereits ein Jahr seit seinem
Tode verssossen ist.
Sylvester Rosa Koehler wurde am 11. Februar 1837
in Leipzig geboren. Seine Liebe zur Kunst hatte er schon
vom Vater und Grossvater her ererbt, Beide waren
Musiker und der Vater zugleich Maler. Den ersten Schul-
unterricht genoss er noch in der alten Heimat, aber schon
im zwölften Lebensjahre (1849) folgte er mit Mutter und
Bruder dem Vater nach den Vereinigten Staaten. Da die
Familie in nicht eben glänzenden Verhältnissen lebte,
musste sich der junge Koehler zunächst mit jeder Arbeit
begnügen, die sich ihm bot, und wenn ihm auch der kauf-
männische Beruf sehr zuwider war, so wusste er sich
doch durch das Studium von Büchern, die er sich aus
seinen geringen Ersparnissen erwarb, in den Mussestunden
zu entschädigen.
Im Jahre 1868 bot sich ihm endlich die ersehnte
Gelegenheit, nähere Beziehungen mit der Kunst zu
knüpfen. Er siedelte von New York nach Boston über,
um in das chromolithographische Etablissement von
L. Prang & Co. einzutreten. Hier war es, wo er in zehn-
jähriger Thätigkeit jene Fülle praktischer Erfahrungen
auf technischem Gebiete sammelte, die später seinen
Arbeiten über graphische Kunst zu Gute kommen und
ihnen einen bleibenden Wert vor denen so vieler theo-
rethischer Hypothesenschmiede geben sollten. Ausser
zahlreichen Artikeln für amerikanische und europäische
Zeitschriften veröffentlichte er 1876 eine englische Über-
setzung von Bezolds »Farbenlehre« und 1880 eine solche
von Laiannes »Traite sur la gravure ä l'eau-forte«.
Seine literarische Thätigkeit begann aber eigentlich
erst 1880 und 1881, als er die »American Art Review«
redigirte. 1882 und 1884 gab er das »United State Art
Directory and Year Book« heraus und 1887 wurde er zum
Director des Kupferstichcabinets am Museum of Fine
Arts in Boston ernannt. Im gleichen Jahre übernahm er
auch die Abtheilung der graphischen Künste im National
Museum in Washington, wohin er von Zeit zu Zeit reiste,
um die nothwendigen Arbeiten daselbst zu erledigen.
Seine Begabung für die Kunst der Rede, der ein
schönes klangvolles Organ sehr zu statten kam, hatte er

a Koehler.


Porträt S. R. Koehlers. Nach einer Photographie.
schon in jüngeren Jahren viel benützt, um Vorträge über
politische und religiöse Fragen zu halten. Er verwendete
sie jetzt im Dienste der Kunst und hielt namentlich 1893
im Lowell Institute acht Vorträge über alte und neue
graphische Kunst und über die photomechanischen Ver-
fahren. Diese Vorträge wiederholte er später auch im
National Museum zu Washington, im Drexel Institute zu
Philadelphia und im Pratt Institute zu Brooklyn (N. Y.).
Es war überhaupt sein eifrigstes Bestreben, das Interesse
für die Arbeiten der amerikanischen Radirer und Holz-
schneider zu wecken und so den Künstlern den Boden
vorzubereiten. Dieses Ziel hatte er schon bei der Heraus-
gabe seiner »American Art Review« im Auge gehabt,
doch die Zeitschrift erlebte nur zwei Jahrgänge, weil sie
nach ihrem Wesen und Wollen über das Verständ nis
des amerikanischen Publicums hinausgieng. Dem gleichen
Zweck dienten die von ihm mit einem begleitenden Text
versehenen Publicationen: »Original Etchings by Ameri-
can Artists« (1883), »Twenty original American Etchings«
(1884) und »American Art« (1886).
 
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