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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0056
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Im Jahre 1611 schreibt Philipp Hainhofer an den
Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin: »Zu Prag soll
ein Saidinstückher sein, welcher schöne Landschaftlin
von seidin neet, habe zu Frankfurt etwaß von ihme
gesehen, so mir wol gefallet aber sehr theuer gewest.l«
Hainhofer war damals damit beschäftigt, dem Pommern-
herzog ein »Stammbuch«, das hieß eine Sammlung von
Handzeichnungen und Miniaturgemälden verschiedener
lebender Meister zusammenzustellen, wie er selbst eines
besaß. Befreundete Fürsten sollten die Bestellungen bei
den Künstlern machen und diese hiefür bezahlen, die
Blätter aber in das Eigenthum des Sammlers übergehen,
eine Sammelmethode, die sich insbesondere durch
Wohlfeilheit auszeichnet.
Hainhofer hatte für das Stammbuch des Herzogs
auch einige gestickte Blätter in Aussicht genommen,
wie sie sich auch in seinem fanden. Zum 10. Februar 1614
findet sich in dem Tagebuche Hainhofers folgende
Notiz: »habe geschrieben, dass der Samariter für die
Witwe zu Grabow were, werde von des Kaysers
Seydensticker, so jetzt hier ist, gemacht, sehr schön,
wappen werde auch geneht, aber 100 ds (Ducaten)
kosten. Hertzog in Bayern und Saltzburg (sie) haben ihm
stlen (Stücklein) umb 300 ttr (Thaler) zahlt.« (Doering
a. a. 0., S. 255.)
Hainhofer hat also zu Beginn des Jahres 1614 bei
Bossche, der sich bereits in Augsburg niedergelassen
hatte, ein gesticktes Albumblatt bestellt, als Spenderin
war die Witwe zu Grabow in Aussicht genommen,
deren Wappen gleichfalls gestickt werden sollte. That-
sächlich findet sich die fürstlich Mecklenburgische Witwe
zu Grabow im Kataloge des herzoglichen Stammbuches
unter Nr. 5 mit der »Sündflut von Seide genehet« ver-
treten (Doering a. a. O., S. 285). Ofsenbar wurde nach-
träglich statt des barmherzigen Samariters die Sündflut
als Sujet gewählt.
Zum 25. Februar 1615 notirt Hainhofer: Phil.
Bosch bittet, soll ihm an den 100 ds nichts abbrechen,
wöll mir ain mayenkrieglin von seiner Dochter dafür
schicken, an statt des wappens, so er mahlen solle. Ich
will ihm aber wenigst die fl. 6 abbrechen, die ich dem
Panzer vom wappen muessen geben«. (Doering a. a. O.
S. 264.) Das Wappen wollte oder konnte Bosche weder
sticken noch malen, dieses wurde von einem Miniatur-
maler Hans Panzer hineingemalt, Bossche will die 6 fl.,
die ersterer für das Wappen erhielt, sich nicht abziehen
lassen, sondern als Entgelt eine Seidenstickerei seiner
Tochter, einen Maienkrug darstellend, liefern. Das scheint
aber dem Hainhofer kein ausreichender Ersatz gewesen
zu sein, er notiert zu dem 4. März 1615 weiter »Bosch
schickt noch genehten Krug (den eben erwähnten
Maienkrug) und, so er weil hat, will er noch was

1 Oskar Doering, Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Be-
ziehungen zum Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin. Quellenschriften
zur Kunstgeschichte etc. Neue Folge VI. Bd. S. 96.

mit der Feder reißen oder aine Visier machen,
damit die 100 ds ganz blieben«. (Doering a. a. 0., S. 265.)
Das gestickte Maienkrüglein von der Hand der
Tochter des Bossche bringt uns dessen kaiserlichen
Hofdienst in Erinnerung. Maienkrüge erhielten die öster-
reichischen Erzherzoge bei ihrer ersten Communion, eine
Anzahl von Maienkrügen aus Halbedelsteinen, die zur
Zeit Rudolfs II. von den kaiserlichen Edelsteinschneidern
angefertigt wurden, sind in den kunsthistorischen Samm-
lungen des Kaiserhauses erhalten.
Im Stammbuche des Herzogs Philipp II. von
Pommern-Stettin war Bossche noch mit einer zweiten
Seidenstickerei vertreten, Nr. 56 »Wie die Jünger
Ähren ausreuffen am Sabbath von Seiden genehet von
Philipp Bosch, Geschenk der fürstlich Lüneburgischen
Witwe zu Scharnebeck«.
Von den Seidenstickereien Philipps van den
Bossche ist meines Wissens nichts erhalten, dagegen
glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich die hier in
natürlicher Größe abgebildete Landschaft, die »Philipp
van den Bosche fecit 1615« gezeichnet ist, mit der dem
Philipp Hainhofer im selben Jahre in Aussicht gestellten
Federzeichnung identificire. Bossche hatte die Müsse
gefunden, um die Federzeichnung zu machen, damit er
das ihm zugesicherte Honorar von 100 Ducaten unge-
schmälert bezahlt erhalte. Verglichen mit dem landschaft-
lichen Vorder- und Hintergrunde des Prager Stadt-
prospectes, kann auch, abgesehen von der Signatur, über
die Identität der Hand kein Zweifel bestehen.
Aber auch für die Künstlerlaufbahn Bossches legt
diese Federzeichnung Zeugniss ab.
Auf dem Gebiete der Landschaftsmalerei hatte
Kaiser Rudolf II. eine große Vorliebe für die Vlamen. Von
Patenier und Herry met de Bles angefangen, dieser allein
mit 11 Bildern, war die ganze Schule in der kaiserlichen
Galerie reich vertreten. Gillis Mostaert (8), Coninxloo,
Hans Bol, die Valckenborch (8), die Breughel (6—8),
Joos de Momper (8), Peter Steevens, Jakob Grimmer,
David Vinckboons, Paul Bril (ö), Peter Schubruck bis auf
den Hofmaler Roeland Savery, von dem der Kaiser
18 Bilder besaß. Nach Bildern und Zeichnungen der
zeitgenössischen vlämischen Landschafter stach Gillis
Sadeler in Prag zahlreiche Blätter.
Die Landschaft Philipps van der Bossche ist ein
Product dieses Kunstkreises. Den Baumschlag und das
Terrain im Vordergrunde, die überaus reiche Gliederung
des Mittelgrundes, den Flusslauf mit seinen malerischen
Brücken, die Dörfer, Schlösser und Ruinen, die hohen
schneebedeckten Berge im Hintergrunde, die Wolken-
bildung, die die Sonne bedeckt und nur gebrochene
Strahlen durchlässt, bis auf den abgestorbenen Baum
in der Mitte des Vordergrundes, all diese zahllosen
Details mit gleicher Sorgfalt durchgearbeitet, kein Stück
Natur, aber ein Mosaik von Naturstudien, wir finden sie
einzeln auf den Stichen wieder, die Gillis Sadeler,
Bossches Genosse auf dem Hradschin, nach Bril, Savery,
 
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