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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.4251#0008
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»Interieur«, beide mit ein paar Farben in Stimmung gesetzt,
die einerseits wohl geeignet sind, die Wirkung der Blätter
zu erhöhen, anderseits aber auch auf die Grenzen dieser
Technik hinweisen. Fritz Lang hat in ähnlicher Manier
mehrere Tierstücke ausgestellt, als beste darunter wohl
»Bulldogge» und »Ziege«, zwei Blätter, in denen durch
eine scharfe Herausarbeitung der Licht- und Schatten-
werte sowie durch strenge Beschränkung auf die präzi-
sesten Ausdrucksmittel eine stark dekorative Wirkung
erzielt ist. Der Holzstich ältererManier hat seinen Vertreter
gefunden in Gustav Eyle, der uns einen alten Herrn in
ganzer Figur vorführt, ein Bildnis mit virtuos gearbeitetem
Kopf, ungemein frisch und lebenswahr. Felix Hollenberg
hat zehn Radierungen gesandt, in denen er landschaftliche
Motive behandelt, die aber in der Ausführung doch etwas
ungleich erscheinen: ziemlich grob sind z. B. die Blätter,
bei denen es ihm in erster Linie auf die Wiedergabe
eines Lichtefsektes ankommt, während er in anderen, wie
der »Birke auf blühender Wiese« oder in der Trocken-
stiftradierung »Buchen am Waldbach« durch eine zarte,
saubere Arbeit sehr ansprechend wirkt. Dasselbe läßt
sich auch von dem kleinen Naturausschnitt sagen, den
Charlotte Bücheler uns in ihrer Radierung darbietet;
ebenso auch von demSchwarzwaldmotivHansAulhoms,
der übrigens, was die Behandlung des Gesteins angeht,
aus den frühen Blättern Klingers gelernt zu haben
scheint. Auf dem Gebiete der Farbenlithographie haben
wir hier vor allen die glänzenden Leistungen von Heine
Rath zu verzeichnen. Sein »Vollmond« ist ein ganz aus-
gezeichnet durchgearbeitetes luminaristisches Problem,
um dessen Lösung ihn ein Altdorfer beneidet haben
würde. Nicht minder glücklich ist das nächtliche Hafen-
stück »Dezemberwehen« mit seinen gespenstischen
Schatten und zitternden Lichtern, und die köstliche Land-
schaft >• Herrenalb« mutet uns in ihrer zarten Tonung an
wie ein Frühlingsgedicht. Dieselbe Empfindung hat man
beim Anblick von Ernst Gablers »Remstal«, nur kommt
man hier nicht ganz zum völligen Genüsse, weil die
etwas befangene und in mancher Beziehung unbeholfene
Technik doch störend wirkt. Was die Steindrucke Georg
Lebrechts noch besonders auszeichnet, ist der Umstand,
daß er mit wenig Mitteln, meist nur mit Hilfe von zwei
oder drei einander sehr verwandten Tönen eine bestimmte
Stimmung überzeugend wiederzugeben vermag. Dies gilt
sowohl für das Blatt »Mondnacht«, wie vor allem für den
prachtvollen »Ackergaul«, dessen Rückenlinie in so deli-
kater Weise den Horizont überschneidet und sich
dadurch so scharf vom warmen Sommerhimmel abhebt.
Ähnlich in der Technik ist das entzückende Blatt
von Robert Haug, »Erinnerungen« betitelt: an einem
einsam in der Landschaft stehenden Baume lehnt ein
junger Mann im Rokoko-Kostüm und schaut sinnend in
die Ferne. Wie da die Umrisslinie der Figur gegen den
Himmel steht, das ist wundervoll; auch hier wieder nur
ein paar verwandte Töne, ein wehmütiger Mollakkord
wie das leise Hinsterben eines süßen Gedankens.

Auch Alfred Schmidt weiß uns auf diese Weise
in Stimmung zu versetzen; auch er versteht es, uns in
seinem »Donautal« mit diskreten Mitteln alle Poesie der
Landschaft in der Dämmerstunde vorzuzaubern. Otto
Grimme beabsichtigt in seiner Radierung »Abend« etwas
Ähnliches, wirkt aber doch mit seiner sehr harten Gegen-
überstellung von Hell und Dunkel lange nicht so fein und
poetisch. Auch Karl Naumanns Steindruck »Winter-
sonne« wird sich wenig Freunde erwerben; dazu ist er
den meisten viel zu skizzenhaft, während sich anderseits
nicht leugnen läßt, daß er, in einiger Entfernung gesehen,
die Intentionen des Künstlers in überzeugender Weise
zum Ausdruck bringt. Trefflich ohne jede Einschränkung
sind die drei Hafenstücke, mit denen Carlos Gre the ver-
treten ist. Zwei von ihnen, nämlich die Radierung
»HamburgerHafen« und die Farbenlithographie »Einfahrt«
sind ganz besonders geeignet, uns ein Bild von dem emi-
nenten Geschick zu geben, mit dem es der Künstler versteht,
die verschiedenen Färb- und Lichtwerte des bewegten
Wasserspiegels wiederzugeben. Für seine Relief-
lithographien »Frühling« und »Goldregen« vermögen wir
uns nicht sonderlich zu erwärmen, wenngleich zuge-
geben werden muß, daß namentlich das letztgenannte
Blatt von einer sehr feinen Naturbeobachtung zeugt.
Ebenso fein gesehen ist die Flußlandschaft von Will}'
Planck, die in flotter Technik ein einfaches Sujet von der
wirkungsvollsten Seite gibt. Einfach und doch hervor-
ragend ist auch Leopold von Kalckreuth in den hier
ausgestellten Radierungen, von denen uns die Ȁhren-
leserin« ganz besonders anspricht. Man wird da unwill-
kürlich an Millet erinnert, und die Art und Weise, wie der
Künstler auf diesem Blatte den Kopf der Frau den Horizont
überschneiden läßt, ist nur dazu angetan, die durch die
Wahl des Motivs verursachten Reminiszenzen noch zu
verstärken. Neben dieser Radierung gefällt uns noch ganz
besonders das kleine Blättchen »Höckricht«, eine ent-
zückende Vedute, die in ihrer schlichten, anspruchslosen
Art sehr sympathisch wirkt und in ihrer minutiösen Durch-
führung an die kleinen Meisterblätter eines Wenzel Hollar
gemahnt. Bei der größeren Arbeit »Wüstebrise« erscheint
uns die Ausführung etwas zu summarisch, während das
Mädchenporträt »Mucki« wieder ein Beispiel dafür ist,
wie viel ein trefflicher Künstler mit wenig Mitteln zu er-
reichen imstande ist.
Wenn wir mit diesem Graphiker von den Stuttgartern
Abschied nehmen, so sei uns, bevor wir in die Besprechung
einer anderen Gruppe eintreten, noch gestattet, kurz auf
die Radierungen hinzuweisen, die in der Ernst Zimmer-
mann-Ausstellung von diesem Künstler zu sehen sind; es
sind alles sehr flotte Arbeiten, die in der Strichführung
wie in der Lichtbehandlung und manchmal sogar auch in
der Wahl des Sujets von den alten Niederländern beein-
flußt erscheinen. Ganz anders jedoch muten uns die
Blätter an, die die »Vereinigung für graphische Kunst
in München« bringt. An erster Stelle verdient da genannt
zu werden die prächtige Lithographie von Robert
 
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