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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.4251#0016
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2 —

Holzschneidekunst ausüben kann und wird. Der Einfluß
wird vor allem dahin gehen, daß man die technische
Überfeinheit immer mehr und mehr aufgeben wird. Sie
war die Krankheit der letzten zwanzig Jahre und man
hat erst nach dem Vorbilde L e p e r e s angefangen, sich davon
zu heilen. Und noch eines kann man aus der Ausstellung
lernen. Die Hauptsache für den illustrierenden Holz-
schneider ist die künstlerische Persönlichkeit. Fehlt diese,
so ist er kein Künstler, sondern nur ein Handwerker.
Clement-Janin.
Paris. Die graphischen Künste auf den
Salons 1902. — Ebensowenig wie auf dem Gebiete der
Malerei oder Skulptur geben die Salons auf dem der
graphischen Künste ein vollständiges Bild der modernen
Bewegung. Das könnten übrigens nur retrospektive
Ausstellungen geben, wo Gelegenheit zu Vergleichen
wäre. Immerhin sind beachtenswerte Persönlichkeiten
vertreten, deren Bestrebungen erwähnt werden sollen.
In der Societe des Artistes Francais herrscht
unbeschränkt die alte Überlieferung und die Neuerer,
ich meine die Parteigänger der farbigen Graphik, sind in
Gänge außerhalb der Säle verbannt, wo neun Zehntel
der Besucher überhaupt nichts Sehenswertes vermuten.
Die reproduzierende farbige Graphik, die hier zahlreich ver-
treten ist, läßt viel zu wünschen übrig. Eine Ausnahme
macht ein kleiner, ganz köstlicher Holzschnitt in zwei
Tönen von Jules Germain nach einer Zeichnung Celestin
Nanteuils. Trotz aller Freiheit der Übersetzung gibt er
den Geist der Vorlage vortresflich wieder. Von den farbigen
Original-Holzschnitten sind zu nennen die Arbeiten
von Sanguin, Sydney Lee und J. Beltrand, aber in
größerer Zahl zeigt diese Arbeiten die Societe Nationale.
Den reproduzierenden Holzschnitt vertreten Dau-
vergne, Toustain mit einem kleinen vornehmen Bildnis
Van Dycks, Jullien mit einem Porträt Besnards, Desire
Montet, Mathieu, Dete mit zwei schönen Blättern
nach Ribot, E. Florian mit seinen winzigen Vignetten,
Langeval, der jetzt als Nachfolger Leveilles Rodin inter-
pretiert und wohl nach meiner Meinung den Holzstock zu
viel sagen läßt, Labat, E. Froment, Ardail u. A.
Lithographien haben zwar viele Künstler ausgestellt,
aber es fehlt bezeichnender Weise an einem Haupt- und
Meisterwerk. Wir trefsen die bekannten Namen Maurou
und Sirouy, daneben seien noch erwähnt Huveg)
Camille Bellanger, Broquelet, Bouillart, Bahuet,
Brument, Mahelin, Trupheine. Wenn man von des
zuletzt Genannten Kathedrale zu Chartres absieht, lauter
ehrliche, aber keineswegs aufregende Arbeiten. Einige
Lithographen ahmen fremde Techniken oder den Cha-
rakter von Zeichnungen nach, wie Bouisset, Desire
Lucas, J. Tinayre, Hirsch. Eine einzige farbige Litho-
graphie ist zu erwähnen, eine interessante Arbeit von
Hanicote nach seinem Bilde: Les Vieux de la Mer.
Hanicote ist mit mehr Glück sein eigener graphischer
Übersetzer als Jean Veber, auf der Nationale.

Von neuen Techniken seien die Algraphien hervor-
gehoben, die Ismael Gentz ausgestellt hat.
Radierung und Kupferstich, die sich auf die Repro-
duktion beschränken, führen dank den Aufträgen des Staates
und der Vereine ihr Scheinleben noch weiter. Patricot.
Laguillermi e, Jules Jacquet, Mathey, Ed. Leon und
Coppier sind elegante, tadellose, manchmal etwas allzu
kühle Zeichner. Der Rest der ausgestellten Stiche ist
nach Photographien gemacht und nicht mehr wert als
Photographien. Es lohnt sich nicht, Namen zu nennen.
Die Originalradierer sind gering an Zahl: Poseier,
Antin mit drei charaktervollen Trockenstiftarbeiten und
Rey mit zwei kräftigen farbigen Blättern.
In der Societe Nationale hat die originale Graphik
bedeutend das Übergewicht, die reproduzierende ist fast
gar nicht vertreten. In dieser Beziehung ergänzen die
beiden Ausstellungen einander. Hier begegnet man auch
häufig der Farbe.
Tresfliche, stilgerechte Holzschnitte haben P. Colin,
Lepere, E. Laboureur, A. Joyau und Jaques
Beltrand eingesandt. Man sieht auch einige geschickte
reproduzierende Holzschneider, wie Fr. Florian, J.-L.
Perrichon, H. Paillard, der nicht ohne etwas Trocken-
heit sich selbst übersetzt u. a.
Auf dem Gebiete der Lithographie begegnen wir den
merkwürdigen, altertümelnden Blättern R. Schi est ls in
München ;H. Ri viere fährt fort, die Natur in der Art eines
Kakemono zu sehen; A. Lunois bringt seine frischen,
geistvollen spanischen Sachen.
Vorzüglich vertreten ist die Radierung. Da ist P.-G.
Jeanniot mit seinen breiten Illustrationen zum Adolphe,
E. Bejot, der Nachfolger Meryons, mit seinen feinen
Pariser Ansichten, L. Legrand mit zwanzig farbigen und
schwarzen Blättern für das schreckliche Buch La Faune
Parisienne, G. Leheutre und D.-S. Mac Laughlan mit
Skizzen in der Art Whistlers, P. Renouard mit den
lustigen »Gestes de M. Deschanel«, die freilich etwas
hinter seinem Labori zurückbleiben, ferner R. Ranft, von
dem wir besonders seine Londoner Brücke wegen der fast
dramatischen Wirkung der Farben hervorheben wollen,
der soeben jung verstorbene G. Ey'Chenne mit seinen
feinen, zarten Arbeiten, V.-J. Roux Champion, E.
Chahine, endlich Storni van s'Gravesande mit seinen
kraftvollen Landschaften und Marinen und A. Bertrand
mit einer entzückenden Übersetzung eines Corot, die
freilich das Urbild nicht ganz erreicht.
Wenn wir schließlich noch die so eigenartigen und
künstlerischen »Gypsographien« des unermüdlichen Er-
finders Pierre Roche erwähnen, so können wir damit
diesen kurzen Überblick für beendigt halten. Wir nehmen
für unseren Bericht kein anderes Verdienst in Anspruch,
als daß wir hosfen, keinen Namen vergessen zu haben, der
nicht mit Recht vergessen werden soll. Clement-Janin.
Paris. Ausstellung sarbiger Originalradie-
rungen, bei Hessele. — Wie alljährlich im März, so hat
 
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