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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.4238#0005
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1904. WIEN. Nr. 1/2.

Studien und Forschungen.

Lancelot Blondeel als Graphiker.

Lancelot Blondeel, ein sehr merkwürdiger Künstler, ist bis zum heutigen Tage noch nicht zum Gegenstand
einer Einzeldarstellung gemacht worden, die seiner Bedeutung entspräche. Er stammt aus Paperinghe in Flandern,
läßt sich 1519 in Brügge nieder und nimmt hier bald eine hervorragende Stellung ein. An den dekorativen Arbeiten

für den feierlichen Einzug Karls V. in Brügge im Jahre 1520 hatte er
einen beträchtlichen Anteil, und Weale, dem wir die Kenntnis dieser
Einzelheit verdanken, fügt hinzu, Blondeel habe Vorzeichnungen für
Glasmalerei, Wandteppiche, Goldschmiede- und Bildhauerarbeiten
geschaffen und sei selbst als Architekt tätig gewesen. Der Ruhm Blon-
deels wird durch neue Funde sicherlich noch erhöht werden und nur der
Zeit bleiben noch wichtige Entdeckungen über ihn vorbehalten. Man kann
ihn als einen der Schöpfer der niederländischen Renaissance betrachten,
für die er als Maler und Architekt bahnbrechend gewirkt hat.1 Betrachtet
man die Gesamtheit seines Lebenswerkes, so kann man ihn in gewissem
Sinne mit seinem Zeitgenossen Peter Flötner vergleichen.2 Obwohl Dürer
Blondeel in dem Tagebuche seiner niederländischen Reise nicht erwähnt,
so spielte dieser doch zur Zeit von Dürers Besuch unter den Brügger
Künstlern eine bedeutende Rolle, da er ja, wie gesagt, an den Arbeiten für
die Dekoration der Stadt zum Einzug Karls V. in hervorragender Weise
beteiligt war. Man hatte zu dieser Gelegenheit die Straßen und Plätze
Brügges aufs glänzendste geschmückt. Leider ist uns dieses prächtige
Bild durch keine graphische Wiedergabe erhalten.

Der mächtige Kamin des Franc in Brügge (1529) und die ebenfalls
noch in Brügge erhaltenen Gemälde des Meisters sind alle aus späterer
Zeit: Dürer hat sie also nicht kennen lernen können. Diese Werke zeichnen
sich durch ganz besonderen Reichtum an Ornamenten aus, hinter denen oft
der Gegenstand der Darstellung zurücktritt und die, schwarz auf Goldgrund gemalt, fast auf keinem seiner Gemälde
fehlen. Sie sind von einem so feinen Geschmack, wie man ihm kaum sonst in der niederländischen Kunst dieser Zeit

Lancelot Blondeel, Der hl. Petrus. Holzschnitt in
der königl. Bibliothek zu Brüssel.

1 Schoy, Histoire de l'influence italienne sur l'architecture dans les Pays-Bas, Brüssel 1879, S. 78, und Graul, Beiträge zur Geschichte der
dekorativen Skulptur in den Niederlanden während der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, Leipzig 1889.

2 Sieh über diesen Konrad Lange, Peter Flötner, ein Bahnbrecher der deutschen Renaissance. Berlin 1897.
 
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