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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.4238#0012
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deutlich, daß hier nur flüchtige Gedanken vorliegen, die später wohl noch mehr durch mündliche als schriftliche
Anweisungen ergänzt worden sind.' Als die vier Bücher der Liebe im Frühling 1502 endlich erschienen, hatte der
Dichter über zehn Jahre daran gearbeitet und hatten häufige Besuche in Nürnberg nahe Bande mit dem dortigen
Humanistenkreise geknüpft, zuletzt besonders mit Pirckheimer, der in einem Briefe später auch Grüße Dürers an ihn
übermittelt.

Celtis' Verkehr mit Dürer hat diesem nicht zumindest die Bewunderung vor dem Florentiner Piatonismus mit-
geteilt, die in seinen ästhetischen Schriften immer wieder zum Ausdruck kommt. Was dadurch seine künstlerische
Phantasie an poetischem Reichtum "innerer Ideen« gewann, läßt gern die »gelehrte Maßregelung« mit in den Kauf
nehmen, die damit Hand in Hand ging. Die Unterhaltungen über die Darstellung der Philosophie wurden für Dürer zu
Unterrichtsstunden über die Kunst des Allegorisierens. Ihre Bedeutung für das Verständnis seiner allegorischen
Schöpfungen, insbesondere der Melencolia, liegt auf der Hand, so daß der sich hier bietenden Versuchung, etwas
darauf einzugehen, nicht widerstanden werden soll.

Gewissermaßen als Leitfaden diente die Schilderung der Philosophie in Boethius' Schrift »De consolatione philo-
sophiae«, zu der kein Geringerer als Thomas von Aquino den damals wohl jedem Texte beigefügten Kommentar
geschrieben hatte.3 Darin werden alle von dem Philosophen Theodorichs beobachteten Mittel der Charakteristik
logisch durchsucht und so ein System von Regeln geschaffen, das nun auch für Dürer Geltung gewann.

Freilich, die Symbolik, die in der lebhaften Gesichtsfarbe und selbst in dem subtilen Gewebe der Gewandung
zum Ausdruck kommen soll, war in der Technik des Holzschnittes nicht darstellbar, während der Holzschneider den
erforderten, durchdringenden Blick gründlichst verdorben hat. Dafür zeigen die Attribute der Philosophie — die Bücher
in der Rechten und das Szepter in der Linken, womit der Vorzug der contemplatio philosophiae vor der dem Philo-
sophen sich auch gebietenden Sorge um das regimen reipublicae gekennzeichnet werden soll — eine genaue Befolgung
des Vorbildes; absichtlich hat aber Celtis die Zahl der Bücher auf drei bestimmt, um so die philosophia naturalis,
rationalis und moralis anzudeuten, eine Vorschrift, welche auch der Darstellung der Philosophie auf dem für ihn
später von Hans Burgkmair gezeichneten sogenannten großen Reichsadler zugrunde lag. Ein besonderer Wert ist vom
Humanisten schließlich auf die Wiedergabe der Stufenleiter der freien Künste gelegt, die Boethius auf dem Kleide der
Philosophie, zwischen einem griechischen P und T, als den Anfangsbuchstaben der praktischen und theoretischen
Philosophie, eingewebt erblickte. Doch hat Celtis bereits in dem frühen, kurz vorher erwähnten Entwürfe das P in
ein «I» verändert, wohl im Hinblick auf einen Ausspruch Marsiglios, der die Philosophie für ein Aufsteigen des Geistes
vom Niederen zum Höheren erklärt. Demzufolge dürfte in der Tat der Humanist unter dem 0 als Gegensatz zur
Philosophie vornehmlich die Theologie verstanden haben.n

Das offensichtliche Wohlgefallen an spitzfindigen Deutungen selbst der kleinsten Einzelheiten fällt bei einem sonst
in so großen Zügen und mit Schwung arbeitenden Dichter vom Schlage des Celtis doppelt auf; jedoch auch er stand
inmitten jener der Kunstgeschichte bis jetzt so gut wie unbekannten Geistesbewegung, die mit dem Aufleben und
Zunehmen der Interessen für die Geheimnisse der altägyptischen Bilderschrift die Vorliebe für derartige Ideogramme
immer mehr anwachsen ließ. Wieder ist er hier Marsiglios Schüler. Seine Verse, welche die Ägypter als »Erfinder«
der Philosophie und Lehrmeister des Plato preisen, beruhen auf der wiederholt von dem Florentiner vertretenen
Ansicht, daß die ägyptischen Priester in einer Pflanzen, Bäume und Tiere wiedergebenden Schrift auf Säulen ihr
Wissen niedergelegt hätten, zu dessen Studium dann die griechischen Weisen nach dem Nillande gepilgert wären. *
Auch an einem den Hieroglyphika des Horapollo entnommenen Beispiel hat Ficino näher dargelegt, in welch ein-
fache Form diese Urphilosophen ihre profunden Ideen zu kleiden verstanden. Er wählte dazu den Kreis, welchen die
Flügelschlange bildet, um daran tiefe Philosopheme über den Zeitbegriff zu knüpfen. Ob im Anschluß daran nicht dem
deutschen Humanisten bei Angabe des kreisförmigen, gleiche Begriffe versinnbildlichenden Kranzes der Gedanke an
ein ägyptisches Geheimbild vorgeschwebt sein mag?

Zu gleicher Zeit verbreiteten sich überdies zwei Werke in Deutschland, die durch die Schilderung und Erklärung
hieroglyphischer Denkmäler besonderes Aufsehen erregten. Nannis da Viterbo 1498 veröffentlichte Schrift De anti-
quitatibus, die als Quelle für die Urgeschichte den mit der Genealogie Maximilians beschäftigten Gelehrten und so
auch Celtis sehr bald bekannt werden mußte, beschreibt ausführlichst die Hieroglyphen, welche Osiris, der Vater des
Herkules Aegyptius, zur Verewigung seines Siegeszuges durch Europa auf einer Säule in Viterbo hatte einmeißeln
lassen, und gibt damit ein Muster subtilsten Allegorisierens; es wimmeln dann geradezu solche Inschriften in Francesco

1 Vgl. Ruland in Naumanns Archiv für zeichnende Künste, Leipzig 1855, Bd. II, S. 254, über die Entwürfe zu den Holzschnitten der Werke
des Conradus Celtis im Schedelkodex der Münchener Hof- und Staatsbibliothek Nr. 434.

2 Hier lag vor die Nürnberger Ausgabe (Koburger) von 1486; vgl. dort p. A IIv und IIIr.

s Vgl. hierüber F. v. Bezold: Konrad Celtis, »Der deutsche Erzhumanist«, in Sybels histor. Zeitschrift, München und Leipzig 1883, 49. Bd.
(N. F. 13. Bd.),S. 29 ff.; anderer Auffassung P.Weber, Beiträge zu Dürers Weltanschauung in Studien zur deutschen Kunstgesch., Straßburg 1900, S. 79.
* Vgl. in den Amores IV, fol. LIX, die Verse: Platoque Niliacas peregrinus venit in oras accipiens animo dogmata sacra suo.
 
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