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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.4238#0082
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Widerspruch erfahren. Indes die eingehende Prüfung der Hieroglyphen des Horapollo seitens Maximilians und
Pirckheimers und ihre Verwertung auf dem Stiche liefern schon den Beweis für die Sorgfalt, mit der vom Humanisten
der Gedankeninhalt unter Berücksichtigung der Interessen des Kaisers vorbereitet wurde.1 In gegenständlicher Hinsicht
ist demnach das Blatt mehr als Werk Pirckheimers denn Dürers aufzufassen. Der Zwang, sich auf fremde Hilfe zu
verlassen, vergällte diesem indessen die Freude an der Ausgestaltung des Vorwurfes umsoweniger, als es sich darum
handelte, die tiefsten Probleme des menschlichen Seelenlebens, die Frage nach der geheimnisvollen Grenze zwischen
Genie und Wahnsinn einer künstlerischen Lösung zuzuführen. Im Innersten mußten die darüber geführten Gespräche
den grübelnden Albrecht packen und fesseln. Dieses Interesse ist nicht einer der geringsten Gründe, die Dürer beim
Schaffen trotz der Notwendigkeit, die subtilste Gelehrsamkeit zu verarbeiten, nicht die ursprüngliche Frische
verlieren ließen.

Sicher trifft es zu, daß der Eindruck eines Kunstwerkes nicht von der Kenntnis des gegenständlichen Inhaltes
abhängt. Aber wie vertieft sich das Verständnis für seinen Schöpfer, wenn es gelungen ist, die ihn bewegenden
Gedanken aufzuspüren, sowohl die Hindernisse kennen zu lernen, die sich seiner Künstlerphantasie entgegenstellten,
als die Kräfte, welche sie wieder zu beflügeln vermochten! So erhält die „Melencolia I" eine neue Beleuchtung
dadurch, daß die Schrift Ficinos Dürers Absicht klarlegt, in den saturnischen Gesichtszügen auch die divinatorische
Geisteskonzentration auszudrücken. Er hat sich somit auch vor der Aufgabe befunden, die einem Michelangelo in den
Sibyllen der Sixtinischen Kapelle gestellt war. Doch die in dieser Hinsicht sich aufdrängenden Gedanken festzuhalten,
sei einer berufeneren Feder überlassen; hier heißt es sich damit bescheiden, die Hauptquellen literarischer und
künstlerischer Art geschildert zu haben, aus denen heraus sich ein Urteil über die Stellung des Dürer-Stiches inmitten
der humanistischen Geistesbewegung schöpfen läßt.

_ Karl Giehlow.

i Webers Ansicht, daß zufällig nichts auf dem Stiche sei und bis in die kleinsten Kleinigkeiten das sinnvolle Schaffen erwiesen werden
müsse, findet ihre Bestätigung in der humanistischen Hieroglyphenkunde. Gegen Weber vgl. besonders Ludwig Kämmerer in seiner Kritik,
Deutsche Literaturzeitung, 1900, Nr. 44, S. 2875. Über die anderen Besprechungen vgl. Hans Wolfgang Singer, Versuch einer Dürer-Bibliographie,
in Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 41, Straßburg 1903, S. 87. Die angeblich im Allgemeinen Literaturblatt (Wien 1900) Nr. 48 befindliche
Kritik war dort nicht aufzufinden. Dazu kommt noch die Rezension F. Baumgartens in der Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. XIII,1902, S. 124.

Aus Sammlungen.

Paris. — Die Bibliotheque nationale hat in der
Galerie Mazarine eine Ausstellung ihrer schönsten
Miniaturhandschriften veranstaltet, vornehmlich aus der
berühmten Scheferschen Sammlung, die sie im letzten
Jahre erworben hat.

Das Departement des Estampes hat neuerworben:
zwei Porträtkarikaturen von Horace Vernet und zwar
sein Selbstbildnis und das des Musikers Spontini; des-
gleichen Porträtkarikaturen von Isabey und zwar des
Schauspielers Favart, des Barons du Sommerard, des
Dr. Fabreguettes u. a.; Originalzeichnungen zu Theater-
kostümen von Leduc und Pilatte (1830—1840) in vier
Albums; endlich 18 gebundene Albums mit mehr als
3000 Vorlagen für bedruckte Wollstoffe (Indiennes), erzeugt
zu Mühlhausen 1830—1880, eine ganz einzig dastehende
Sammlung, die überaus wertvoll ist für die Geschichte der
französischen Textilkunst im letzten Jahrhundert und ein
würdiges Seitenstück bildet zu den ähnlichen Sammlungen
des Herzogs Richelieu, die dem XVIII. Jahrhundert
gewidmet sind. Als Geschenke erhielt das genannte
Departement: ein mit der Feder gezeichnetes Porträt des

Ausstellungen.

Architekten Percier von David d'Angers, eine Porträt-
skizze Voltaires von Duplessi-Berteaux, eine Porträt-
miniature des Architekten Ricard de Montferrand und
61 Originalaquarelle, die sich auf die Erbauung der Kirche
St. Isaak und der Alexandersäule in St. Petersburg beziehen

Von den neuen Erwerbungen des Louvre wären zu
erwähnen: Porträt eines Unbekannten, gemalt von Robert
Nanteuil, bezeichnet und datiert 1660, und vier Archi-
tekturzeichnungen von Vaudoyer.

Das Musee des Arts decoratifs erhielt zum Geschenk:
ein Spiel aus dem XVIII. Jahrhundert, genannt »Biribi«,
dessen 70 Figuren gestochene Reproduktionen nach
Watteau, Boucher u. a. sind, ferner 150 Albums, die alle
Drucke enthalten, die in dem Gillotschen Verfahren seit
seiner Erfindung (1850) ausgeführt worden sind.

Das neu errichtete Musee historique du ministere
des Affaires Etrangeres enthält neben verschiedenen
Reliquien, sehr schönen Bildern (darunter der Pariser
Kongreß von Ed. Dubufe) und den Büsten von Fürstlich-
keiten und Staatsmännern auch eine große Zahl von
Stichen nach Historiengemälden. C.-J.

Paris. — Ch. Hessele veranstaltet im März eine
Ausstellung von Arbeiten Alphonse Legros' und gibt
bei dieser Gelegenheit ein vollständiges Verzeichnis der

Radierungen und Lithographien des Künstlers heraus.
Der Katalog enthält außerdem einen Aufsatz von
G. Soulier und zwei Tafeln, eine Originalradierung und ein
 
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