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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.4239#0046
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— 42 —

den rechten Begriff zu verschaffen, müssen wir schon seine Kupferstiche zu Hilfe nehmen, das kaiserliche Brüderpaar,
den Herzog Ludwig von Bayern, den Doktor Baldermann und den Kanzler Eck. Lauter prächtige, stattliche Blätter,
mit ebenmäßiger Sicherheit beinahe großzügig gestochen. Es ist wahr, daß es nur sehr wenige deutsche Bildnisse aus
Jener Zeit gibt, die so schön wären. Aber dürfen wir nicht vom Bildnis etwas mehr verlangen, als daß es schön sei? Der alte
Holbein war im Vergleich zu Barthel Beham ein ungeschickter Techniker. Er verstand nicht so gut zu schraffieren,
dafür aber konnte er in den Seelen seiner Leute lesen. Darauf verstand sich Beham nicht. Seine Kunst macht an der
Epidermis des Modells halt. An den Augen sieht er die Pupille, die Iris und Hornhaut mit ihrem feuchten Schimmer,
sonst nichts. Bei seinem Karl dem Fünften oder König Ferdinand könnte ein wohlwollender Kritiker die teilnamlose
Miene etwa als höfische Kälte deuten, zieht man jedoch die anderen Bildnisse zu Rate, so scheint ihr Gesamtcharakter
eher etwas Stupides zu haben. Aber der Leonhard von Eck ? — Nun, es gibt im Leben Charakterköpfe von so
ausgeprägten Mienen, daß sie selbst im verflachten Abbild immer noch Charakterköpfe bleiben. Man hat daher, wie
mir scheint, das Recht, es zu bezweifeln, daß Barthel Beham ein geborener Porträtist gewesen sei.

Sehen wir uns weiter um, die Grenzen seiner Tätigkeit abzustecken, so konstatieren wir zunächst, daß Barthel
nicht wie sein Bruder Sebald Miniaturen gemalt hat, er hat auch keine Zeichnungen für den Holzschnitt geliefert und
somit bleiben wir bei den Kupferstichen stehen. Es sind ihrer mehr als siebzig, ein mannigfaltiges Vermächtnis,
reich an Inhalt und an Schönheit. Ja, es befinden sich Blätter darunter, die in der deutschen Kunst der Renaissancezeit
an Formenadel und Pathos des heroischen Lebens einzig dastehen, aber — auch hier wieder ein aber — wir empfinden
gerade bei ihnen ein gewisses Mißverhältnis zwischen der künstlerischen Konzeption und ihrer Darstellung. Solche
Entwürfe wie die drei gestochenen Kampffriese sind in das Miniaturformat des Kleinmeisterstiches eingesperrt wie
in einen Käfig. Man wünscht ihnen große Leinwände, wenn nicht Mauerflächen, damit sie sich ausdehnen und
wahrhaft lebendig werden möchten, doch ein Seitenblick auf das Gemälde des Kreuzwunders läßt den Zweifel in uns
aufsteigen, ob Beham wirklich Kraft genug besessen habe, um monumental zu schaffen. Und damit rühren wir an eine
tiefe Zwiespältigkeit seines Wesens, eine heimliche Sehnsucht, der das Können nicht entsprach.

Die auffallende Ungleichheit der Arbeit, die wir an Behams Gemälden bemerken, finden wir auch in seinen
Kupferstichen. Aus demselben Jahre haben wir Beispiele einer virtuosen Technik neben vergleichsweise unbeholfenen
Arbeiten. Hierin liegt eine Hauptschwierigkeit für die kritische Betrachtung. Eine andere liegt darin, daß die allermeisten
seiner Kupferstiche der Beglaubigung ihrer Urheberschaft ermangeln. Nur vier von ihnen sind monogrammiert (B. 27,
60, 61, 64). So ist es denn gekommen, daß seine stecherische Tätigkeit bald in Vergessenheit geriet oder, besser gesagt,
aufging in dem Ruhme seines Bruders. Während sogar Lomazzo von Isibilpeum (Sebald Beham) zu sagen weiß, ist
bei dem Landsmann und Namensvetter unseres Barthel, dem Paulus Beham, dessen kleinen Sammlungskatalog das
Berliner Kupferstichkabinett besitzt, schon der Name des Meisters verschwunden und beider Brüder Werke erscheinen
durcheinander gemischt unter Sebalds Namen. Erst der kritischen Arbeit des letzten Jahrhunderts blieb es aufgehoben,
die beiden Persönlichkeiten in ihrem Verhältnis zu einander zu sondern und jeder das ihre zuzuerteilen. Dabei hat
sich auch hier wieder der kritische Blick des Altmeisters Adam Bartsch trefflich bewährt. Mit sehr geringen Ausnahmen
muß man seinen Katalog für beide Beham als grundlegend und maßgebend anerkennen. Die Folgezeit hat das Bild
der stecherischen Tätigkeit Bartheis mehr verwirrt als bereichert. Passavant bauschte sie zu sehr auf, namentlich
indem er der unverbürgten Mär einer Studienzeit Bartheis bei Marc Anton Glauben schenkte. Und seine Nachfolger
Rosenberg und Aumüller taten ein übriges in freigebigen Zuweisungen aus dem anonymen Schatze deutscher Klein-
meisterstiche. Erst Seidlitz hat in Meyers Künstlerlexikon damit begonnen, das Bild wieder schärfer zu umgrenzen.

Immerhin könnte ein gestrenger Kritiker gegenüber einer Darstellung der künstlerischen Entwickelung Behams,
die sich vornehmlich auf seine Stiche stützt, wohl einmal die Frage aufwerfen, wieso man denn überhaupt wisse,
daß alle diese Blätter von Barthel Beham herrühren. Eine solche Frage scheint mir sogar keineswegs müßig zu sein,
vielmehr eine Aufforderung zu erneuter selbständiger Nachprüfung dessen, was die Handbücher registrieren.

Betrachten wir also als die Basis der Untersuchung das voll bezeichnete Gemälde des Kreuzwunders, die
monogrammierten Bildnisgemälde und Kupferstiche.

Das Kreuzwunder ist von Kötschau auf Seite 10—14 seines Buches über Barthel Beham und den Meister von
Meßkirch so eingehend und in den Einzelheiten auch so zutreffend charakterisiert, daß ich mich kurz fassen kann. Nur
in zwei allgemeineren Urteilen kann ich mit Kötschau und den letzten Bearbeitern Behams nicht übereinstimmen.
Zunächst vermag ich in der Schilderung nicht frische naturwahre Lebendigkeit zu erkennen, sondern höchstens die
sehr unvollkommen erreichte Absicht, sie auszudrücken. Die zahlreiche Menschenmenge ist mit Emsigkeit zusammen-
gelesen und mit einer gewissen Pedanterie, obzwar keineswegs sehr übersichtlich gegliedert. Charakterköpfe findet
man freilich bei den Männern in einer reichen Auswahl, Gesichter mit kräftigen Zügen, langbärtig oder rasiert, indessen
das Verdienst, sie gefunden zu haben, gebührt weniger Barthel Beham als Dürer, auf den die meisten von ihnen als
ihren Stammvater zurückgehen. Individuelles Leben, einen im Moment festgehaltenen Ausdruck kann ich beim besten
Willen nur in sehr wenigen dieser Charakterköpfe entdecken. Um von größeren Meistern zu geschweigen —■ was
hätte ein so temperamentvoller Erzähler wie Altdorfer wohl an kleinen fein beobachteten lebendigen Zügen in dieses
 
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