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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.4239#0045
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1905. WIEN. Nr. 3/4.

Studien und Forschungen.

Barthel Beham in seiner künstlerischen Entwicklung.

Barthel Beham gehört nicht zu den Künstlern der Vergangenheit, mit deren Wesen wir vertraut sind. So viele
seiner Zeit- und Volksgenossen, um von Größeren nicht zu reden beispielsweise gleich sein Bruder Sebald oder
Altdorfer, erscheinen vor unserem geistigen Auge als deutlich umrissene Charaktere, von denen wir wesentliche Züge
kennen oder doch zu kennen glauben, beinahe so, als wären wir ihnen im Leben begegnet. Barthel Beham dagegen
erhebt sich als eine rätselhafte Erscheinung in der Geschichte seiner Zeit. Schon das Wenige, was wir über seine
äußeren Lebensschicksale wissen, gibt uns zu raten. 1525 steht er mit ein paar Genossen wegen Freigeisterei und
unbotmäßiger Reden wider die weltliche Obrigkeit zu Nürnberg vor Gericht. Als trotzig, prächtig und von sich hoch-
haltend soll er in der Stadt bekannt gewesen sein und so geberdet er sich auch als Angeklagter. Sein Glaubens-
bekenntnis, das er keck verkündet, geht über das hinaus, was heutzutage der liberalste Pastor zu lehren wagt. Er wird
deswegen aus Nürnberg verbannt. Zwei Jahre verstreichen und der aufgeklärte Revolutionär taucht wieder auf in
den Diensten eines streng katholischen Fürsten, in denen er bis zu seinem Lebensende bleibt. Und lassen wir den
Menschen auf sich beruhen, um uns dem Künstler zuzuwenden, so finden wir auch hier des Merkwürdigen genug.

Barthel Beham war ein Maler—so gut wie irgend einer in Deutschland, ehe Holbein erschien. Seine Farben
haben nicht die juwelenhafte Leuchtkraft von Cranachs frühem Meisterwerk, ihn beschäftigen keine Lichtprobleme
wie etwa den phantastischen Grünewald, er hat auch nicht den leichtflüssigen, launig improvisierenden Vortrag
Altdorfers. Aber immerhin hat er Bilder geschaffen, die genannt werden, wenn man die besten ihrer Zeit nennt. Nur
sind seiner Meisterwerke gar so wenig — zwei, wenn man will drei. Das Gemälde des Kreuzwunders — schon durch
die umständliche Bezeichnung mit dem Staatswappen und der ausführlichen Namensschrift als Hauptleistung von
seinem Urheber charakterisiert — ist reich an erfreulichen Einzelheiten und von warmem Kolorit, aber die offenbar
beabsichtigte Wirkung eines weihevollen Gepränges übt es nicht aus — auf uns wenigstens nicht. Vergebens wird
der Ausblick eröffnet in die Weiten eines vornehmen Platzes, den Paläste und Tempel umstehen. Wir fühlen uns
gleichwohl beengt, so sehr ist der Vordergrund vollgepackt mit Figuren, aus denen wir mühsam die Hauptpersonen
herausklauben. Und suchen wir nun, um uns zu entschädigen, nach der Fülle des Ausdrucks im einzelnen und nach
der verhaltenen Kraft, welche die besten deutschen Kunstwerke bezeichnet, so wartet unser eine Enttäuschung. Auf
das italienische Wesen, das man in dem Bilde empfunden hat, komme ich noch zu sprechen.

Außer dem Kreuzwunder sind es Bildnisse, auf die sich der Ruhm des Malers Beham gründet: der Pfalz-
graf Otto Heinrich in der Augsburger Galerie, ein sorgsam gemaltes Bild eines schönen, wohlgekleideten, großen
Herrn und etwa noch der lebendig blickende Charakterkopf des klugen Kanzlers von Eck in der Sammlung des
Konsuls Weber in Hamburg. Die übrigen gemalten Porträts Behams halten den Vergleich mit diesen beiden nicht aus,
ja die meisten von ihnen gereichen ihrem Schöpfer keineswegs zu sonderlicher Ehre. Sie sagen uns nur das eine
Neue, daß Beham es mit dergleichen Aufträgen nicht sehr ernst genommen habe. Um uns von dem Porträtisten Beham
 
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