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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.4248#0005
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE'

1906.

WIEN.

Nr. 1.

Studien und Forschungen.

Zum Holzschnittwerke Georg Lembergers.

Den bereits beschriebenen Holzschnittsolgen Georg Lembergers1 füge ich eine Reihe weiterer, durchaus
unbezeichneter Blätter an, von welchen nur Nr. 4 schon als Arbeit des Künstlers genannt worden ist. Ich brauche
nicht zu bemerken, daß ich in den nachstehend an erster Stelle jeder Nummer verzeichneten Drucken nicht stets die
srüheste Verwendung der einzelnen Titelumrahmungen gesunden zu haben behaupte.
1. Trithemius, Compediü siue Breuiariü primi volvminis annalivm sive historiarvm, de origine regvm et
gentis Francorvm. Mainz, Joh. Schösser, 1515 in uigilia Margaretae uirginis. fo. [Wien, U.-B.; St. Polten, Bischos
Frint'sche Bibl. — Muther, Bücher-111. 1733 (mit unrichtiger Beschreibung des Hauptschnittes.)]
Titelblatt: Reichsadler, beiderseits groteske Säulen, unten Brüstung, oben zwei Kranzgewinde. In den Ecken Wappen: der österreichische
Bindenschild, das österreichische Lerchenwappen, das Wappen des Mainzer Erzbischofs Albrecht von Brandenburg und das des Würzburger
Bischoss Lorenz von Bibra. 159 X 132.
Fol. 2. Widmung des Werkes. 215 X 153. In der Mitte der Bischof von Würzburg auf einem Renaissancethrone, rechts Trithemius, das Com-
pendium überreichend, links Johann Haselberg, aus dessen Kosten der Druck ersolgte, mit dem kaiserlichen Privilegium. An den Seiten groteske
Säulen, oben ein flacher Bogen, in den Ecken je ein Evangelistensymbol.
Die Autorschaft Lembergers dünkt mich sür beide Schnitte unanfechtbar. Die dem Künstler sonst nicht eigentümlichen Knitterfalten erklären
"sich aus der Vorlage, dem Titelholzschnitte zu des Trithemius Liber Octo questionü ad Maximilianum Cesarem. Oppenheim, impensis Joh. Haselbergs,
1515 Sept. 20. 4°. [Wien, U.-B. — Muther, B.-I. 1775]. Das Blatt (119 X 105), das Werk eines namentlich unbekannten Künstlers (die Buchstaben
L S, die Muther am Mantelsaume des Kaisers lesen will, sind gewiß nichts anderes als Faltenaugen), stellt den Kaiser Max auf gotischem Throne
vor; rechts von ihm Trithemius, links Haselberg, beiderseits Säulen, oben ein flacher Bogen, in den Ecken Wappen: Bindenschild, Reichsadler,
burgundisches Andreaskreuz und Wappen Bibras. Lemberger benützte die Umrahmung mit den Wappenschilden für das Titelbild des Schöfser'schen
Druckes, den figuralen Teil mit Ersetzung des Kaisers durch den Würzburger Bischof für das Widmungsbild. Daß die angeführte Verwendung der
Vorlage in einem erst nach der Vollendung des Compendiums fertiggestellten Drucke sich findet, beweist nur, daß Lemberger sie mit Zustimmung
Haselbergs bei seinen Arbeiten verwertete.
Dodgson erwähnt in seinem Catalogue I 405 gelegentlich der Beschreibung eines Schnittes Springinklees ähnlichen Inhalts aus dem Jahre 1518
(Woodc. 76) sowohl den Mainzer als auch den Oppenheimer Druck, ohne sich über ihr Verhältnis zu der Arbeit des Nürnbergers zu äußern.
Die beiden beschriebenen Schnitte bilden bis jetzt das früheste Zeugnis von Lembergers künstlerischer Tätigkeit. Das nächste aus dem
Jahre 1522 fällt bereits in die Zeit seiner Seßhaftigkeit zu Leipzig. Wahrscheinlich hatte er Mainz 1515 auf seiner Wanderschaft berührt. Den Weg
nach Sachsen mag ihn indirekt Albrecht von Brandenburg gewiesen haben.
2. Misfale szm ritü scte ecclesie Prägensis in Bohemia adiectis oibus facri faciendi carminibus per sesta annua.
Leipzig, Melchior Lotter, 1522 sextis Calendis nouembribus. fo. [Prag. (Exemplare auf Pergament und Papier). —
Weale, Catalogus missalium ritus latini. Londini 1886. S. 125.]
Titelumrahmung 255 X 161, Schriftfeld unregelmäßig: Bogen (mit einem Rund in der Laibung) auf einem überreich profilierten, verkröpften
Gesimse aufsitzend, das zwei Pfeiler stützen. Vor diesen freistehende Säulen, welche Gesimse und zu oberst je eine große Kugel tragen. Vor dem

i B. IX 434; Nagler, Monogrammisten III Nr. 93, 94, 120 und 121; Schuchardt, L. Cranach. Leipzig 1851 — 71. III 116 fs.; Muther, Die
ältesten deutschen Bilder-Bibeln. München 1883. Nr. 20, 31, 36 und 39 und Die deutsche Bücherillustration. München 1884. Nr. 1604, 1615 und
1662. Über die Person Lembergers brachten Notizen G. W. Geyser in Naumanns Archiv III 60, Wustmann in den Beiträgen zur Geschichte der
Malerei in Leipzig. Leipzig 1879. 36 sf. und W. Schmidt in der Kunstchronik, N. F., I 321.- Für freundliche Beihilfe bei der Beschasfung der alten
Drucke bin ich insbesondere den Herren Dr. Crüwell und Dr. von Egger-Möllwald (Wien), Dr. Eisenmeier (Prag) und Dr. Wagner (Olmütz) zu Dank
verpflichtet.
 
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