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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0016
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12 —



dargestellt.1 Auf dem einen Schisfe scheint man noch beizeiten die Segel eingezogen zu haben, das andere ist schon
eine Beute des Todes geworden, der den Mast zerbricht.
Die sichere und gleichmäßige Technik aller dieser Kupferstiche läßt darauf schließen, daß wir in ihnen nur
dürftige Reste einer reichen und hoch entwickelten Kunstübung vor uns haben. Daß die »Tarocchi« in zahlreicheren
Exemplaren sich erhalten haben, während von fast allen anderen uns bekannten Stichen immer nur ein einziger Abdruck
auf uns gekommen ist, verdankt man osfenbar vornehmlich dem Umstand, daß sie in Buchform verbreitet worden
sind. Wir können den »Tarocchi« nun ein zweites, noch umfangreicheres Werk an die Seite stellen, das für die
Leistungsfähigkeit des venezianischen Kupferstichs und für das Ansehen, das er in Italien weithin genoß, ein
glänzendes Zeugnis ablegt. Die 27 in Kupfer gestochenen Landkarten, mit denen die 1478 in Rom von Arnold Bucking
gedruckte Ausgabe der Cosmographia des Ptolemäus ausgestattet ist, sind wie viele andere graphische Werke
in gedruckten Büchern von den Kupferstichforschern fast unbeachtet gelassen worden. Der Vorrede zufolge wurde
die Arbeit an den Platten seit 1472 unter der Leitung der beiden in Rom tätigen deutschen Drucker Conrad Sweyn-
heim und Arnold Pannartz betrieben. Als Sweynheim 1475 und im folgenden Jahre sein Genosse starb, nahm
Arnold Bucking, ebenfalls ein Deutscher, das begonnene Werk auf und vollendete es 1478.'- Es scheint mir keinem
Zweifel zu unterliegen, daß die 27 Karten dieses prächtigen Werkes, die jede aus zwei Platten von Folioblattgröße
bestehen,3 von einem venezianischen Kupferstecher ausgeführt worden sind. Die Technik in sauberster, scharfer
Umrißzeichnung mit den feinen, geraden und regelmäßig gezogenen, schräg einander kreuzenden Schraffierungen
ist genau dieselbe wie in den »Tarocchi« und den verwandten venezianischen Arbeiten. Auch in den Formen der
Buchstaben* und in der charakteristischen feinen graugrünlichen Farbe des Druckes gleichen die Karten jenen Stichen.
Die römischen Drucker wußten als Meister der Technik gewiß sehr wohl, weshalb sie einen venezianischen
Stecher mit dieser Arbeit betrauten. Wir besitzen zwei ähnliche, wenige Jahre später in Bologna und Florenz ver-
öffentlichte Folgen gestochener Landkarten, die beide in der technischen Ausführung weit hinter den römischen
Karten zurückbleiben. Das eine dieser Werke, die in Bologna gedruckte Ausgabe der Cosmographia des Ptolemäus5
trägt bekanntlich die Jahreszahl 1462. Es ist aber durch stichhaltige Gründe bewiesen worden, daß dies Datum, das
das Werk zum allerfrühesten in Italien gedruckten Buche machen würde, merkwürdigerweise durch einen Druck-
fehler oder durch einen beabsichtigten oder unbeabsichtigten Irrtum entstanden sein muß. Das Werk kann sicher
nicht vor 1482 gedruckt worden sein. Die 26 Karten, die es enthält, sind nicht nach denen der römischen Ausgabe
von 1478 kopiert, sondern ganz selbständig nach einer gezeichnete Folge einer anderen Handschrift ausgeführt." Es
ist grobe, schwere Arbeit; die Linien sind tief eingestochen und im Druck hoch aus dem Papier herausgetrieben. Die
Liniensührung ist ungleich flüchtiger und roher als in den römischen Karten. Auch die Buchstaben sind wenig sorg-
fältig und gleichmäßig gestochen und ihre Form ungeschickter und unschöner. Die 30 Tafeln der um 1480 in Florenz
von Nicolö Todesco gedruckten Geographia des Francesco Berlinghieri7 sind viel sorgfältiger und sauberer ausgeführt
als die des Bologneser Ptolemäus, stehen aber an Feinheit der Arbeit und des Druckes ebenfalls hinter denen des
römischen Werkes weit zurück. Die Platten des Bologneser Ptolemäus wie die des Berlinghieri scheinen beide
Florentiner Arbeit zu sein, obwohl ihre Technik sehr verschieden ist. Die ersten sind in dem harten, groben Stil, der
sich aus der ältesten in Florenz üblichen Technik entwickelt hat, ausgeführt, die zweiten sind in der sogenannten
breiten Florentiner Manier, die uns aus zahlreichen Arbeiten der Pollaiolo-Schule bekannt ist, gestochen. Besonders
interessant sind hier auf der großen Weltkarte die charaktervollen, frei und breit gezeichneten Köpfe der Winde. Sie
finden sich ähnlich, aber in viel dürftigeren steiferen Formen auch, im Bologneser Ptolemäus, während sie in der
römischen Ausgabe ganz fehlen.

« 76 — 79 : \o8mm. Passavant, V, Seite 193 Nr. 112. Abbildung in Prints in the Britisli Museum, publ. by the Trustees 1886, Tafel X. —
British Museum.
s Hain 13537. Praetor 3613. Heinecken, Nachrichten, I, Seite 281, II, Seite XXVIII und Idee generale, Seite 143 sf.; Dibdin, Biblioteca
Spenceriana (London 1814—1815), II, Seite 298, IV, Seite 64 und 537 mit Abbildungen; Fisher, Introduction, Seite 108ff.; Wilberforce Eames,
A list of ed. of Ptolemy's Geography. New-York 1886; Nordenskjöld, Facsimile Atlas to the early history of cartography. Stockholm 1889,
Tafel I—XXVII und XXXII. — Eine zweite Ausgabe mit denselben 27 Tafeln erschien in Rom 1490 bei Petrus de Turre, eine dritte, die 1507
(8. September) in Rom von Bernardinus de Vitalibus auf Kosten des Evangelista Tosino da Breseia gedruckt wurde, enthält außer den 27 alten
Karten noch 6 neu angefertigte; in einer vierten, 1508 in Rom von denselben Druckern veranstalteten Ausgabe ist noch eine fernere vierunddreißigste
Platte, eine Weltkarte, hinzugefügt worden.
s Die Platte, die die linke Hälfte der Karte enthält, ist auf die Rückseite des einen Blattes gedruckt, die mit der rechten Hälfte derselben Karte
auf die Vorderseite des folgenden Blattes, so daß in dem gebundenen Buche die Hälften genau zusammentreffen. Jede Platte ist ungefähr 41 cm hoch
und 2.8 cm breit.
* Heinecken und Wilberforce Eames meinen, daß die Buchstaben (wohl nur die großen) nicht eingestochen, sondern mit Punzen eingeschlagen
seien, was in der Tat sehr wahrscheinlich ist.
5 Hain 13538; Didbin, Bibl. Spenc, II., Seite 298.
0 Die Stiche der römischen Ausgabe sollen nach den Zeichnungen in einer jetzt in Wien befindlichen griechischen Handschrist hergestellt
worden sein.
' Hain 2825.
 
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