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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0035
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31 —

zwingend vor uns, daß alle sechzehn Tafeln einem und demselben Schreine, und zwar dem in der Kirchweihchronik
erwähnten entstammen.
Versuchen wir mit Hilfe der Abbildung auf Seite 30 folgende Rekonstruktion, um diese ausgesprochene Ansicht
zu verdeutlichen und zu stützen, und beginnen wir zunächst mit den Außenseiten, das heißt mit den geschlossenen
Altarflügeln. Dabei hat man sich den Schrein in der Weise vorzustellen, daß an die beiden geschlossenen Flügel noch
rechts und links je ein unbeweglicher, fester Flügel gewissermaßen als Erweiterung angesetzt ist, so daß also acht
gleiche bemalte Flächen erscheinen, wenn das Mittelfeld geschlossen wird. Auf der linken festen Tafel oben (1) begann
die Passion mit Christus auf dem Ölberg, ging auf den beweglichen linken Flügel (2) über mit der Gefangennahme,
dann auf den rechten (3) mit Christus vor Kaiphas und wieder auf den festen (4) mit der Geißelung Christi. Ebenso
begann die untere Reihe mit Christus vor Pilatus, setzte sich mit der Dornenkrönung und Kreuztragung fort, um dann
rechts mit der Darstellung Christus am Kreuz zu enden (5—8).
Diese Hauptfläche des Schreines erfuhr dann in den beiden Tafeln der Predella (ebenfalls geschlossen) mit
der Grablegung und Himmelfahrt den natürlichen Abschluß (9—10). Tatsächlich trägt auch die Himmelfahrtstafel
als Abschluß die Datierung (siehe Abb. S. 32).
War der Schrein geöffnet, so verdeckten die beweglichen Flügel die rückwärtigen festen Tafeln und zeigten links
zwei Szenen aus dem Martyrium des heiligen Florian, und zwar den Heiligen vor dem Richter Aquilinus und die
Bergung seines Leichnams aus den Fluten der Enns durch die heilige Valeria, hingegen rechts die Beschießung und
den Prügeltod des heiligen Sebastian.1
Die beiden kleineren Flügel der Predella aber enthielten, gleichfalls geösfnet, links Margareta und Barbara, rechts
als Schluß des ganzen Werkes den knienden Stifter, Propst Peter Maurer. Das große Mittelfeld des geösfneten Schreines
schmückten wahrscheinlich wie auch jenes der Predella Reliefdarstellungen, wie es eben allgemein der Fall war. Da
das Altarwerk nach oben einen notwendigen Architekturabschluß erforderte und auch gewiß hatte, was wir an allen
gleichzeitigen gotischen Altären ersehen können, so fällt es nicht schwer, sich die noch fehlenden drei Heiligen,
welche die alte Chronik erwähnt, St. Ursula, St. Leopold und St. Katharina, oben unter Baldachinen in Holzskulptur
aufgestellt zu denken, so daß nach dieser Auffassung, wenigstens von den alten Tafelbildern des Altarwerkes, tat-
sächlich nichts als verloren betrachtet werden darf.
Was die Skulpturen anlangt, so ließ sich bis heute
nichts mehr im Stifte auffinden. Herr Stiftshofmeister
Langthaler teilte mir zwar gütigst mit, daß ein segnen-
der Christus, ungefähr 1 m hoch, sich auf dem Dach-
boden vorgefunden habe, der heute dem Museum ein-
gereiht wurde; allein ob derselbe zu unserem Altarwerke
gehörte, etwa in das große Mittelfeld, läßt sich heute
kaum mehr entscheiden.
Nach dieser mehr als ausführlichen Erörterung
der Zusammengehörigkeit aller vorhandenen Tafeln
drängt sich nun die Frage nach dem Meister um so
ungestümer auf. Daß die Regensburger Schule hier ein
Werk geschasfen, darüber waren von jeher alle Kritiker
eines Sinnes. Es handelt sich nur um den Namen selbst.
Die Zuschreibung an Altdorfer muß schon ziemlich früh
in dem vorigen Jahrhundert ausgesprochen worden
sein. P. Czerny sagt 1886: »Kenner schreiben sie (die
Tafeln) dem Albrecht Altdorfer oder einem seiner
Schüler zu«.'- W. Schmidt, R. Vischer, A. Bayersdorfer,
R. Stiaßny, H. Ubell3 sprachen hierüber gleichfalls ihre
Vermutungen aus.


Altdorler, St. Margareta und Barbara. Zeichnung im Städelschen Institut.

I Friedländer deutet a. a. 0., Seite 125, irrtümlicherweise diese
letzte Darstellung als zur Florian-Legende gehörig, so daß nach seiner
Meinung dem Sebastian-Flügel nur eine, dem Florian-Zyklus aber drei
Darstellungen entsprechen müßten. Bekanntlich aber starb St. Sebastian
nicht an den Pfeilwunden, sondern genas durch die Pflege einer
frommen Witwe und erlitt erst später den Tod durch Prügelung. Dem-
nach entsprechen bei dem Altarwerke immer Martyrium und Tod eines
Heiligen je einem Flügel.
* A. a. 0., Seite 112.
3 H. Ubell, a. a. O., Seite 17.
 
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