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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0040
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— 36 —
Die ornamentalen Motive des Rahmens ähneln den in den zwei Arten von Umrahmungen des Hortulus Animae
verwendeten. Sie haben Oktav- und Duodezformat und erscheinen, so viel man weiß, zum ersten Mal in den Ausgaben
vom 16. (?) März 1516 und vom 18. Mai 1517, obgleich einige Umrahmungen der ersten Art von 1515, einige der
zweiten von 1516 datiert sind. Es ist nicht sehr leicht zu entscheiden, welcher von den beiden Künstlern diese Um-
rahmungen gemacht hat. Man wäre geneigt anzunehmen, daß Springinklee die erste Gruppe und Schön die zweite
gezeichnet hat, um ihre wichtigere Aufgabe, den Text der betresfenden Ausgaben zu illustrieren, zu Ende zu führen.
Insoweit aber in der ersten Gruppe menschliche Eiguren vorkommen, rufen sie eher den Eindruck von Schöns Stil als
von dem Springinklees hervor, während es klar ist, daß der Künstler der zweiten Serie (Schön ?) die vorhandenen
Zeichnungen, seien sie nun von ihm selbst erfunden oder nicht, bloß einem kleineren Format anpaßte. Erst 1518 taucht
eine dritte Gruppe von Umrahmungen auf, von denen eine jede aus vier Leisten mit Randlinien zusammengesetzt
ist; ich zaudere nicht, diese Umrahmungen Springinklee zuzuschreiben. Die ornamentalen Motive dieser dritten Folge
sind hauptsächlich der Pflanzenwelt entnommen und bestehen aus Blumen, Früchten, Trauben, Erbsenschoten und
Gewinden; Schlangen, Delphine, Schnecken und Vögel kommen auch vor, aber Springinklees eigentümliche Zeichen-
weise ist am deutlichsten an gewissen Cherubsköpfen erkennbar. Die mehr architektonische Dekoration der früheren
Ausgaben, zu der die Umrahmung des vorliegenden Holzschnitts in enger Beziehung steht, gehört gleich vielen Titel-
blättern der bei Peypus gedruckten Bücher zu dem weniger genau definierbaren Gemeingut der Dürer-Schule.
Die Zuweisung des Holzschnitts von 1514 an Erhard Schön muß sich hauptsächlich auf die eigentümlichen
und charakteristischen Gesichtstypen stützen, die sich unter den die beiden Hauptpersonen auf der Heimsuchung
begleitenden Verwandten finden lassen. Am bezeichnendsten sind die beiden Frauen links hinter Josef, die mit der
Maria auf der Verkündigung in Schöns kleiner Folge der Hortulus-Illustrationen verglichen werden müssen (18. Mai
1517, + c 4 v.). Auch das Antlitz des Dr. Johannes Teuschlein (C. D. I, 433, 28) und viele Gesichter auf Schöns Haupt-
werk, dem großen Rosenkranz (P. III., 243, 35) sind zum Vergleich heranzuziehen. Maria und Elisabeth erinnern an
die weiblichen Typen auf den vier Holzschnitten der Ausgabe von 1516, die, obgleich ebenso groß wie die Holz-
schnitte Springinklees, doch durch ihren verschiedenen Stil als Arbeiten Schöns gekennzeichnet sind.1 Die Gesichts-
züge des Mannes rechts gleichen bereits jenen auf einer viel späteren Arbeit Schöns, dem bezeichneten Josua von
1524. Die großen Figuren auf der Verkündigung selbst würden ohne die Heimsuchung nicht so leicht als das Werk
Schöns erkannt werden können, doch besteht keinerlei Schwierigkeit, sie seiner Hand zuzuteilen. Die durch das
Fenster sichtbare Landschaft ist vom Holzschneider so mißhandelt worden, daß durch sie nichts bewiesen wird.
Der Holzschnitt nimmt als das früheste datierte Werk, das mit Sicherheit Schön zugewiesen werden kann, besonderes
Interesse für sich in Anspruch. Sein frühestes signiertes Werk ist der heilige Thomas (B. 8.) von 1515, und man
kann annehmen, daß die vier Holzschnitte im Hortulus von 1516 und mindestens ein paar in der kleinen Ausgabe
von 1517 in dasselbe Jahr gehören. Die Erkenntnis von Schöns Stil in der Verkündigung bestärkt mich in dem
Glauben, daß ein anderer, ein Bild in einem Rahmen darstellender Holzschnitt der Dürer-Schule demselben Künstler
zuzuweisen ist, nämlich der Altar (Heller 2054, Pass. 268), den ich bereits versuchsweise Schön zugeschrieben habe. 2
Es ist wahrscheinlich ein noch früheres Werk, aber es ist auf jeden Fall nach 1511 anzusetzen, da es eine Kopie von
Dürers Dreifaltigkeit aus jenem Jahre enthält.
Zum Schlüsse möchte ich die Gelegenheit benützen, mein Bedauern über die Unachtsamkeit auszudrücken, aus
der ich den gewöhnlichen Handbüchern folgend das Datum von Schöns Tod als »nach 1550«s angab. Man weiß
auf Grund des Zeugnisses des Totengeläutbuchs von St. Sebald, daß er 1542 starb.*
Campbell Dodgson.

Zwei Zeichnungen von Hans Weiditz.

Mit der steigenden Erkenntnis des Wertes der von Hans Weiditz entworfenen Schnitte wuchs das Verlangen,
seine Zeichenkunst aus unmittelbaren Dokumenten selbst beurteilen zu lernen. Gegen die von Wilhelm Schmidt
versuchte Zuteilung einer derzeit im Münchener Kupferstichkabinett verwahrten Aquarellmalerei (Helbings Monats-
berichte, II, 209), sowie betreffs der angeblichen Vorzeichnung des Officien-Schnittes fol. 55 v im Städelschen Institut
in Frankfurt a. M. habe ich mir in meinem Hans Weiditz (S. 54, Anmerkung) Einwände gestattet; die ebenda gemachte

i Pfingstfest, Fol. 147, Tod Maria, Fol. 148 v., Jüngstes Gericht, Fol. 210, Heil. Brigitta, Fol. 210 v.
3 Catalogue, p. 353.
3 Ibid., p. 418.
* Vgl. Mitt. a. d. Germ. Xat. Mus. II, 70.
 
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