Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0056
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

und es 1630 nach sechsjährigem Aufenthalt wieder verließ, der Arnheimer
Robert van Voerst, Frederick van Hülsen aus Middelburg,
Christiaan Le Bion aus Mons im Hennegau, der Schöpfer des Titel-
blattes von Burtons Analomy of Melancoly, und Cornelis van Daalen
d. ä. Weniger bedeutende englische Illustratoren, deren Werke ebenfalls
der Zeit Jakobs I. und Karls I. und teilweise noch den ersten Jahren der
Restauration angehören, sind William Marshall, Thomas Ce cill,
Robert Vaughan, Thomas Cross und George Clover.
William Faithorne, der Gipfel des englischen Kupferstichs
vor Einsührung der Schabkunst, wird als bereits hinlänglich bekannte
und gewürdigte Erscheinung nur knapp behandelt. Ihm reihen sich die
fremden Stecher: Pierre Lombart, ein Franzose oder Flame, der Am-
sterdamer Abraham Blooteling, der außer seinen einflußreichen
Schabblättern auch etliche vortreffliche Linienstiche in England schuf, und
der Danziger David Loggan an, mit dessen Schüler, dem Engländer
Robert White, der historisch-kritische Versuch über den frühen eng-
lischen Kupferstich und seine Vertreter schließt. —
Das Werk arbeitet S3ystematisch eine bisher noch wenig bekannte
und durchforschte Periode der Kunstgeschichte durch. Es verzeichnet
kritisch die Leistungen der einzelnen Künstler, sammelt und verarbeitet
das einschlägige urkundliche sowie literarische Material, setzt die ein-
zelnen auf diese Weise gewonnenen Künstlerindividualitäten zueinander
in Beziehung und ordnet ihr gesamtes Schaffen in die allgemeine Kunst-
entwicklung der Zeit ein. Da auch die Art, wie dies geschieht, sowohl
in Bezug auf die Disposition des Stosfes, als auch die illustrative Aus-
stattung mustergültig ist, so wäre über das Buch, wenn man das ihm
zu spendende Lob in ein paar Worte zusammenfassen wollte, nur zu
sagen: es gehört zu den wenigen Werken der Kunstwissenschaft, die
wirklich notgetan haben. A. W.
William Blake. Volume I. Illustrations of
the Book of Job. With a general Introduction by
Laurence Binyon. London, Methuen & Co., 1906.
Geniale Ideen, geistreiche Gedanken können einen Menschen
charakterisieren, ihr formaler Ausdruck erst macht den Menschen zum
Künstler. Das Wollen und das Können gehören untrennbar zusammen,
und wenn eines allzusehr zurückbleibt, hinter der eigenen Zeit zurück-
bleibt, löst sich das Verhältnis: wir haben interessante Menschen oder
langweilige Menschen, die den Zeitstil breittreten, je nachdem das
Wollen oder das Können vorherrscht, aber keine Künstler.
Über einen solchen interessanten Menschen, William Blake,
wird seit einiger Zeit viel geschrieben, es erscheinen Neuausgaben
seiner Dichtwerke, Sammlungen seiner Briefe. Die Neuausgabe seines
Buches Hiob, das den ersten Band eines Werkes »William Blake« von
Laurence Binyon bildet, liegt zur Besprechung vor. Binyon setzt der
Illustrationsfolge eine allgemeine Einleitung voran, die er in drei Kapiteln
disponiert, von denen das erste Blake als Menschen, das zweite Blake
als Künstler, das dritte Blake als Dichter behandelt. Es sollte in diesen
kurzen, mehr fürs große Publikum geschriebenen Charakterisierungen
nicht in allzu nachdrücklicher Weise auf die vielfach sich ergebenden
wichtigen Fragen der Individualität des großen Visionärs eingegangen
werden; die Einleitung sollte nur verhindern, daß der Leser unvorbereitet
zu dem Werke Blakes komme, das in vorzüglichen Reproduktionen die
zweite Hälfte des Buches bildet und von kurzen Einzelbeschreibungen
Binyons eingeleitet wird. Das Buch Hiob gehört zu den letzten Werken
Blakes und zeigt die bei ihm häufige Zusammenfassung der Buch-
illustration, des Buchschmucks und des Textes zu einem organischen
Ganzen. Da es sich bei diesem Werke nicht um eine textliche Original-
schöpfung Blakes handelt, ist es wohl statthast, die Illustrationen für
sich ins Auge zu fassen. Blake hat eine sehr beschränkte Zahl von
Darstellungssormen, die manchmal Nachzeichnungen nach Michel-
angelos Fresken in der sixtinischen Kapelle sind; manchmal nur an
diese Vorbilder stark erinnern, so daß wir die Anlehnung eher nach-
fühlen als nachweisen können. Mit diesen Reminiszenzen der maniera
grande stimmen die zierlichen Rokokoköpfchen, die er oft seinen lang-
gestreckten, schemenhaften weiblichen Figuren, z. B. den Töchtern des
Hiob, aufsetzt, sonderbar zusammen. Die Armut seiner Formenwelt, die

ihn aus anderen Künstlern seine Darstellungen entlehnen läßt, ist so
groß, daß er mehrere dieser so erlangten Figuren immer wieder vorführt;
so kommt das Bewegungsmotiv des bösen Geistes (aus Blatt II) schon
im Urizon (Blatt III) vor und ebenso greist er in den zusammen-
gekauerten Frauen (Blatt VIII) auf die srühere Darstellung des Los
(Urizon, Blatt Ib) zurück. Die Wucht der Gedanken und der Geschicke
wird nicht so sehr durch ihre Wirkung auf die Physiognomie der
handelnden Personen zum Ausdruck gebracht, als durch die gewaltige
Stimmung der mitklingenden Umgebung, der gelösten Elemente. Die
Intensität des Dargestellten sucht Blake durch ein auch von der
modernen Dichtkunst häufig angewandtes Mittel zu erhöhen, das aber
immer an der Grenze des Lächerlichen steht, nämlich durch eine rhyth-
mische Wiederholung des Motivs wie z. B. auf Blatt VII und X die sechs
parallel erhobenen oder ausgestreckten Arme.
Die Betrachtung der großen sormalen Mängel, welche die Aus-
führung hinter dem Gedanken weit zurückbleiben lassen, bestimmt
Binyon zu der feinsinnigen Beobachtung, daß wir die Arbeiten Blakes
nach dem Bilde, zu dem sie sich in unserer Erinnerung entwickelt haben,
nur mit Enttäuschung wiedersehen. Binyon erklärt, daß er weit entfernt
sei, Blake sowie seine andern Biographen es tun, als einen dem Michel-
angelo gleichwertigen Künstler zu proklamieren, sondern meine, daß
jener bei einem Vergleich mit Michelangelo wohl den kürzeren ziehen
dürfte; ich möchte sogar so weit gehen, die Anerkennung, die das
heutige England Blake als Künstler zollt, als eine Modeerscheinung an-
zusehen, und glaube, daß das Ausland das Interesse, das es unbedingt
der Persönlichkeit Blakes entgegenbringt, auf den Künstler nur in ge-
ringem Maße übertragen wird. T.-C.
Schwind. Des Meisters Werke in 1265 Abbil-
dungen. Herausgegeben von Otto Weigmann.
(Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben, 9. Band.) Stutt-
gart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt.
Aus der großen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast waren
1896 aus Anlaß der fünfundzwanzigsten Wiederkehr von Schwinds Todes-
jahr allerlei kleinere Werke des Meisters, sast ausschließlich aus dem Besitz
der Familie, in zwei bescheidenen Kammern zur Schau gestellt. Was
dann 1898 der Schwind gewidmete Band der bekannten Knackfußischen
Künstlermonographien an erstmals verösfentlichten Bildern bot, war zum
größten und wertvollsten Teil von dieser anspruchslosen Gedächtnisfeier
hergeholt. Die in der Zwischenzeit (1897) in Wien mit einer Ausstellung
zum hundertsten Geburtstag Schuberts vereinigt gewesene umfangreiche
Ausstellung von Werken Schwinds ist leider zu keiner Veröfsentlichung
benutzt worden. Erst mit der Feier von Schwinds hundertstem Geburtstag
(1904) und den großen Erinnerungsausstellungen in Berlin und München
begann wieder eine Reihe von Veröffentlichungen Schwindscher Arbeiten
in Zeitschristen, Mappen u. dergl. Der vorliegende Band nun faßt dies
alles zusammen, ja er bringt dazu noch außerordentlich viel ganz
Neues, das ersichtlich mit großer Mühe und Liebe ausgeforscht worden
ist, so daß wirklich nicht mehr gar so viel zu der jedenfalls angestrebten
Vollständigkeit fehlen dürfte. Vielleicht sind sogar die Herausgeber in
diesem Streben schon etwas zu weit gegangen, wenn anders sie ein Buch
schasfen wollten, an dem das deutsche Volk und nicht bloß der Spezial-
forscher seine Freude haben sollte. Oder täuschen wir uns, wenn wir
fürchten, daß zum Beispiel gleich zu Anfang des Buches die allzu reichlich
vertretenen, oft noch recht unreifen Jugendarbeiten manchen naiven Be-
schauer — freilich zu seinem Schaden — vor dem Weiterblättern ab-
schrecken könnten? Diesen Vorbehalt einmal gemacht, muß man alles
an dem Werk loben, angefangen bei der vortrefflichen biographischen
Einleitung 0. Weigmanns bis herab zu den überaus bequemen und über-
sichtlichen Registern. Was im besonderen die Bilder anbelangt, so sei
nur das Allerwichtigste von dem Neuen hervorgehoben: der Tieck-Saal
und der Kindersries in der Residenz und der Hochaltar der Frauenkirche zu
München und die letzte Fassung des Aschenbrödels in Form eines Frieses.
Zum Schlüsse ein paar kleine Berichtigungen: Seite 8 oben. „Alt-
deutsches Maskenfest". Jedenfalls nur Nachzeichnung, nicht Originalarbeit
Schwinds. Es gibt eine Lithographie mit dieser Komposition, um 1820,
wohl eine jener Veröffentlichungen, wie sie Primisser und andere damals
 
Annotationen