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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0036
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32

Aus Sammlungen.

Berlin, Königliches Kupferstichkabinett. —
Vor seinem Scheiden von Berlin veranstaltete Geheimer
Rat Lehrs eine Ausstellung von deutschen und nieder-
ländischen Holzschnitten des XV. Jahrhunderts (auf die
weiter unten zurückzukommen ist) sowie eine Ausstel-
lung seiner letzten Erwerbungen auf dem Gebiet der
neueren Kunst. Obenan standen die drei herrlichen Blätter
Meryons: »Pont au change«, »Galerie de Nötre-Dame«
und »La morgue«, deren Reinheit und Leuchtkraft man
erst ganz begriff, wenn man die älteren stumpfen Drucke,
die seit langem im Besitz des Kabinetts sind, zum
Vergleich herbeizog. —Zwei Arbeiten Ro di n s, das Porträt
Viktor Hugos und das symbolische Blatt: »Die Liebe
regiert die Welt« erweiterten in diesem Jahre die kleine,
gewählte Sammlung Rodinscher Radierwerke. Sie standen
in ihrem schwerblütigen Naturell in charakteristischem
Gegensatz zu zwei eminent gezeichneten, lebhaften
Blättchen Meissoniers, den »Landsknechten« und den
»Husaren«. Mit Recht fanden einige außerordentlich flott
lithographierte Frauenköpfe Albert Belleroches (Paris)
reges Interesse; ein gleichfalls lithographiertes kleines
»Stilleben«, das eine ungemein feinfühlige Beobachtung
des auf Glas und Silberzeug spielenden Lichtes verriet,
gab Gelegenheit, den Künstler auch auf andern Stoff-
gebieten mit Erfolg tätig zu sehen. Ein älteren Beständen
angehöriges Blatt von Lunois: »Orientalische Teppich-
wirker« ließ neben Belleroche den wohl bedeutendsten
Meister lithographischer Technik zu Wort kommen. —
Unter den Nordländern fiel ein feiner Zorn ins Auge:
»Im Pariser Omnibus«, daneben ein paar etwas nüchtern
und antiquiert anmutende Blochs, schließlich Louis
Mo es' Radierung: »Der Teufel liest im Buch des Schick-
sals«, ein Blatt, dem auch nicht allzuviel Wirkung nachzu-
rühmen ist. Einen neuen Mann bekam man bei den Englän-
dern zuGesicht,George Gascoy ne, von dem das Kabinett
eine Reihe von Radierungen erwarb: »Der Pflüger«, »Der
umgestürzte Karren«, »Die Schwemme« usw., Arbeiten von
erstaunlicher Knappheit der Komposition und einer ge-
wissen lapidaren Form- und Strichbehandlung, die es
verwunderlich erscheinen läßt, daß Gascoyne in England
selbst nur wenig bekannt und fast gar nicht »gefragt« ist.
Ein schöner Frauenkopf in Schabkunst von Strang war
neben desselben Künstlers Radierung »Mutter Erde« zu
sehen, während sein Meister Legros dieses Mal nur durch
das lithographierte Bildnis Lord Tennysons vertreten war,
dessen (fast täuschend) der Bleistiftskizze genäherte
Erscheinung uns keine erstrebenswerte Form des Stein-
drucks darzustellen schien. Zwei prachtvolle Radierungen
Holroyds, der wuchtige »Eibenbaum auf Glaramara« und
der tiefe Frauenkopf »Die Nacht« schlössen die Reihe
ausländischer Künstler, zu denen ich freilich Schmutzer
nicht mitrechne. Im letzten Jahre kamen zwei seiner
kleinsten Arbeiten in die Sammlung: »Die Augustus-
brücke in Dresden« und »Die Fischer am Dyck«. Einige

der älteren Radierungen, das Porträt Heyses wie das
charaktervolle Bildnis des Herrn Cahn-Speyer standen in
wirkungsvollem Gegensatz zu den minutiösen Neuerwer-
bungen. Von österreichischen Künstlern war außer
Schmutzer nur noch Rudolf Jettmar mit drei kleinen
Blättern vertreten: »Der Dichter«, »Nacht« und »Gespräch
am Abend«. — Zum erstenmal war eine größere Anzahl
Leistikowscher Arbeiten ausgestellt, kurze Zeit nur vor
des Meisters Tod, der das künstlerische Berlin in tiefe
Trauer versetzte. So fanden denn diese stillen Schöp-
fungen, meist Motive von märkischen Waldseen und Fluß-
ufern, ein doppeltes, wehmütiges Interesse. Eine Auswahl
Liebermannscher Radierungen etc. (die das Kabinett
nunmehr fast vollzählig besitzt) war, vom Bildnis Theodor
Fontanes (Steindruck) abgesehen, wenig märkisch, viel-
mehr waren die besonders wirksamen Sujets meist auf
holländischem Boden gewachsen. — Von Berliner Künst-
lern sei noch Karl Koeppings gedacht; sein radiertes
Bildnis des Herrn Borsig verblüffte durch die knappe
Kraft der Strichführung wie die Prägnanz des Ausdrucks.
Zu Käthe Kollwitz (ein Probedruck des »Ansturms« aus
der Bauernkriegfolge war ausgestellt) gesellte sich eine
neue, andersgeartete Künstlerin, Erna Frank (Berlin),die
Beachtung verdient. Die Sammlung erwarb Radierungen
und Lithographien, Motive aus Holland und Flandern
(in der Auffassung manchmal etwas an Paul Baum er-
innernd), Kanäle mit schlanken Baumreihen, weite Felder
und der Meeresstrand mit den Fischerbooten. Eine Per-
sönlichkeit, die gleichfalls zum erstenmal erschien, Ernst
Gabler (Weimar), vermochte mit ein wenig trockenen
Weimarer Ansichten weniger zu fesseln. Unter den
übrigen Jüngeren fiel ein vorzügliches, technisch meister-
haftes Schabkunstblatt Max Pietschmanns (Dresden):
»Am Bach« (ein weiblicher Akt) auf; eine gute Arbeit,
»Bäume im März«, stammte von Wilhelm Legler(Stutt-
gart) und ein kraftvoller Farbenholzschnitt (mit wirklichem
Holzschnittcharakter!) von Harry Schulz. Schließlich ist
noch Wilhelm Thielmann mit einer Radierung »Familie
über Land« zu nennen.

Bereichert wurde ferner der Bestand von Werken
bereits mehr oder minder gut vertretener Meister. Vor
allem Stauffer-Bern durch drei schöne Blätter in noch
nicht vorhandenen Zuständen: Das Bildnis Gottfried
Kellers (Lehrs 31, III) sowie die Porträte der Mutter und
Schwester des Künstlers (L. 28, III, L. 8). Die zwei sati-
risch-symbolischen Tierkompositionen Geygers: »Die
Klugheit beleuchtet die Gemeinheit« (Radierung) sowie
die »Schlange mit Kröte« (Zinkhochätzung) zeigten die
eminente Beobachtungsgabe des Meisters der »Affen-
disputation« aufs neue. — Vom Grafen Kalckreuth sah
man die zum Geburtstag Eduard Zellers geschaffene
Porträtradierung des Gelehrten, von Greiner nur einen
kleinen Steindruck, das Gedenkblatt auf Senefelder. Über
Klingers zwei Exlibris (Eduard und Johanna Arnhold)
 
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