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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0053
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verschiedentlich dem Grunde eingegraben, die fester geführten, namentlich die Umrißstriche furchten sich tiefer ein,
während die leichteren wie die zarten Schraffen z. B. die Knochenmehlschicht nur schwach an ihrer Oberfläche ritzten.
Da gerade diese aber naturgemäß am meisten abgerieben ist, so sind viele der zarteren Striche ganz oder teilweise
verloren gegangen. Dadurch und durch eine weiter unten zu besprechende Eigentümlichkeit von Dürers spätem
Zeichenstil ist in den Gesamteindruck eine wenig angenehme Ungleichmäßigkeit hineingekommen.

Dürer hat die heilige Magdalena sonst niemals selbständig dargestellt. Bei der Kreuztragung, der Kreuzigung,
unter dem Kreuze, bei der Kreuzabnahme, der Beweinung und der Grablegung kommt sie wohl vor, die kleine Holz-
schnittpassion hat sogar das Noli me tangere, aber allein findet sie sich nicht. Die Zeit, da die Frömmigkeit in der
Kunst sinnliche Reize auffallend bevorzugte, war noch nicht angebrochen, auf das pikante Schillerwesen der zur
Heiligen gewordenen schönen Sünderin, auf den packenden Kontrast zwischen dem blühenden Frauenleib und der
unwirtlichen Höhle, deren wichtigster Hausrat der grinsende Totenschädel ist, war im ersten Viertel des XVI. Jahrhunderts
nicht nur die deutsche Kunst noch nicht verfallen. Doch gibt es gerade aus dem Jahre 1523, aus dem unsere Zeichnung
stammt, auch noch ein anderes Dürer-Blatt, auf dem die heilige Magdalena die Hauptrolle spielt, nämlich die schöne
Zeichnung bei Dumesnil (schwarze Kreide auf grünem Grund), wo Magdalena kniend den Kreuzesstamm umklammert
und an ihm voll Schmerz emporblickt (L. 383). Der Crucifixus vom selben Jahr und in derselben Technik im Louvre
(L. 328) ist wahrscheinlich die Ergänzung dazu. Eine gewisse Verwandtschaft zeigt die heilige Magdalena des Budapester
Blattes mit der heiligen Frau links von Maria auf einer andern, von 1521 datierten Zeichnung bei Dumesnil (L. 381). Auch hier
linden sich das weiche, viele Falten werfende Kopftuch, der entblößte Hals, der Gürtel, die nach rechts blickenden Augen.

Was die Technik unseres Blattes betrifft, den Metallstift auf dem Knochenmehlgrund, so hat sie Dürer, scheint es,
sein ganzes Leben hindurch geübt. Sein Selbstbildnis von 1484 z. B. ist auf diese Weise ausgeführt, in den zwanziger
Jahren des XVI. Jahrhunderts aber hat er besonders gern mit dem Silberstift gezeichnet. Alle Blätter des niederländischen
Skizzenbuchs sind so gearbeitet und im Jahre 1523, da die Budapester Zeichnung entstanden ist, hat er mit Silberstift
die Bildnisse eines Unbekannten (L. 292), Friedrichs II. von der Pfalz (L. 293) und wahrscheinlich, weil der Kupferstich
darnach (B. 103) vom selben Jahre datiert ist, des Kardinals Albrecht von Brandenburg (L. 239) geschaffen. Das die
gleiche Technik zeigende Porträt Friedrichs des Weisen von Sachsen (L. 387) stammt aus wohl nicht viel späterer
Zeit; der Stich darnach ist von 1524 datiert.

Die nervöse Art der Zeichnung, die trotz der Zerstörtheit des Blattes wahrzunehmen ist und sich vor allem darin
äußert, daß die Striche bei scharfem Zusehen zerrissen, fahrig, ja unsicher wirken, daß gewisse Partien zum Schaden
der Einheitlichkeit des Ganzen mit nachdrücklichst aufgesetztem Stift gezeichnet, andere aber nur ganz zart und leicht
hingeworfen sind, kommt gerade auf den prachtvollsten Zeichnungen der zwanziger Jahre besonders häufig vor. Ich
verweise vor allem auf die fünf Apostel von 1523, vier in der Albertina (L. 580—583) und einer in Berlin (L. 68).
An einem dieser Apostel (L. 582) ist sogar das obere Lid des linken Auges ebenso unförmlich und wulstig gezeichnet,
w ie es Magdalenas beide Augenlider sind. Er zeigt überdies die doppelten Konturen, wie sie am Tuchzipfel über der
Heiligen linker Schulter zu beobachten sind, am Mantelteil, der die linke Hand verhüllt.

Die Unsicherheit des Striches, die ich im Auge habe, läßt sich erst seit 1521 auf Zeichnungen nachweisen und
scheint mir mit der Krankheit zusammenzuhängen, die sich Dürer in den Niederlanden geholt hat. Meiner Meinung
nach ist es nur diese Unsicherheit, die Voll und Wölfflin dazu verführt hat, die Kopfstudien zu den Münchner vier
Temperamenten (L. 72, 89 und 369) aus dem Dürer-Werk auszustreichen. Diese Köpfe von 1526 aber sind ebenso
echt wie jene Figuren von 1523. Die unschlüssige, zage und, was unserer Vorstellung von Dürers Zeichenstil noch mehr
dawiderläuft, hie und da geradezu marklose und uncharakteristische Strichführung, die zu verraten scheint, daß die
sonst so feste, zuverlässige Hand zuzeiten von zitternder Schwäche befallen war, ist außerdem noch auf folgenden Blättern
zu beobachten: der lesenden sitzenden Frau (L. 575) und der Versuchung des heiligen Antonius (L. 576), beide von
1521, dem Lord Morley (L. 87), dem Apostel (L. 382) und der Verleumdung nach Apelles (L. 577), alle drei von 1522,
der bereits genannten heiligen Magdalena am Kreuze (L. 383) von 1523 und der Frau mit dem Hündchen (L. 172),
dem Höfling (L. 365) und dem Apostel (L. 38(3), alle drei undatiert, aber aus den ersten zwanziger Jahren.

Die Eigentümlichkeit Dürers, Blick- und Kopfrichtung divergieren zu lassen und insbesondere die Sterne der
Augen in deren äußerste Winkel zu rücken, ist zu bekannt, als daß hier Beispiele dafür angeführt zu werden brauchten.
Für die am Kopftuch der Budapester Magdalena hervortretende Art, wie sich Dürer in das dichte Gefältel eines weichen,
dünnen Stoffes verlieben kann, ist die Gewandung der betenden heiligen Maria auf dem von 1518 datierten Berliner
Bild zum Vergleich heranzuziehen.

Schließlich sei noch bemerkt, daß unsere Zeichnung mit der flauen, schwächlichen Manier des weiblichen Bild-
nisses in Stockholm, das auch mit dem Silberstift gezeichnet und von 1523 datiert und monogrammiert ist (Albert.-
Publik. 996), nichts gemein hat. Es ist im besten Falle, wie Josef Meder meint, die Kopie nach einem verloren gegangenen
Dürerschen Original. Auf dem Budapester Blatt verrät sich meines Erachtens die Klaue des Löwen schon in den
(auf unserem Lichtdruck freilich nicht sehr gut herausgekommenen) wunderbar leicht und sicher umrissenen Fingern
der rechten Hand, die auf dem Deckel des Salbgefäßes ruhen. Arpad Wcixlgärtner.
 
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