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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0056
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Aus der Umgebung Albrecht Altdorfers und Wolf Hubers.

Ein Beitrag zur Kenntnis der Donaustil-Graphik, ihrer Entwicklung und kunstgeschichtlichen Bedeutung.

Dem Thema des Donaustils ist in den letzten Jahrzehnten mit merkwürdiger Energie und unter mannigfachen
Gesichtspunkten zu Leibe gegangen worden. Durch die systematische Tätigkeit besonders der österreichischen und
reichsdeutschen, aber auch englischer Forscher (ich erinnere vor allem an Campbell Dodgson) wurde das Interesse
für den Gegenstand in starkem Maß gehoben, das Material ungemein erweitert und die Probleme dieser eigenartigen
Kunst klarer erfaßt. Bei dem angestrengten Suchen nach den Faktoren, die den Donaustil gebildet haben, ist die Frage
nach seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung, nach der Sphäre seines Einflusses etwas in den Hintergrund getreten.
Man stellte die »Donaurenaissance«, wie man die ganze Richtung besser statt »Donaustil« nennen sollte, mehr als
einen Abschluß und einen Zielpunkt, denn als einen Ausgangspunkt hin und scheint im besonderen die Graphik
Altdorfers und Hubers kaum richtig auf ihre entwicklungsgeschichtliche Bedeutung geprüft zu haben.

Die folgenden Bemerkungen sollen, wie ich im Voraus betone, wohl einen Vorstoß nach dieser Richtung wagen,
beanspruchen aber weder abschließend noch auch nur leidlich in sich abgerundet zu sein. Entgegen einer
Betrachtungsweise, die den Wert jeder Zeile sub specie aeternitatis abwägen möchte, erscheint es notwendig, dies aus-
drücklich zu betonen.

Sucht man sich von Altdorfers Stellung und Bedeutung rein als Graphiker einen Begriff zu schaffen (was bisher
in ausreichender Weise kaum geschehen ist), so muß man sich vor allem klar machen, daß zwischen seinen Stichen
und Holzschnitten einerseits und den Gemälden auf der andern Seite, scharf geschieden werden muß. Die Persön-
lichkeit, die hinter den Bildern und Drucken steht, mag die gleiche sein; ihre Bedeutung als Maler und Peintre-graveur ist
es keineswegs. Daß die Schaffung des Altdorferschen Graphikstils eine Art Problem sei, haben die meisten empfunden,
die sich damit beschäftigt haben. So ist es denn kein Wunder, daß bei den Versuchen, dies Problem zu erklären,
viele Ableitungen vorgeschlagen worden sind. Als gewiß nach dem Consensus omnium können folgende Elemente
in seinen frühen Arbeiten gelten: 1. Dürersche Graphik (in welchem Grade, mag zunächst noch in der Schwebe
bleiben); 2. italienische Stiche und Niellen, insbesondere die Arbeiten des Jacopo dei Barbari. Zu diskutieren bleiben
folgende drei Thesen: 1. Der Einfluß der Miniaturisten, zumal des Berthold Ftirtmeyr; 2. Einwirkungen von Seiten
der Tiroler Malerei; 3. der von mir behauptete Einfluß der Graphik und im besonderen des Kupferstechers M. Z.
(identifiziert mit Matthäus Zasinger). Die erste These, deren wichtigster Vorkämpfer Max J. Friedländer ist, hat
fast zwei Jahrzehnte lang keine neue Stütze gefunden, bis Hans Tietze in dem Aufsatz »Albrecht Altdorfers
Anfänge« eine Begründung dafür gab, die eingehender Beachtung von Seiten aller Beteiligten gewiß sein darf.
Tietze geht aus von einem Gebetbuch der Bibliothek des Stiftes Nonnberg zu Salzburg, das mit Wahrscheinlichkeit
noch in das erste Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts zu versetzen ist und Miniaturen von zwei völlig verschiedenen
Händen aufweist. Der ältere der beiden Illuminatoren ist einer von jener Gruppe, die um 1490—1500 den Stil an der
mittleren Donau bestimmte, das heißt, der Regensburg-Passau-Salzburger Schule, zu der vor allem Furtmeyr und
Rueland Frühauf gehören. Der niederländische Einfluß ist in den von ihm ausgeführten Blättern sehr lebhaft zu spüren,
ebenso wie in den Miniaturen des Berthold Furtmeyr, mit dem der Meister eine gewisse, jedoch nicht zu überschätzende
Verwandtschaft aufweist. Der jüngere Meister ist entweder Albrecht Altdorfer oder ein Schüler, der ihm ungemein
nahe kommt. Leider habe ich bisher versäumt, das Gebetbuch im Original zu studieren, und wage somit nicht, mich mit
Bestimmtheit für oder wider Altdorfer auszusprechen; soviel ist jedenfalls gewiß, daß der jüngere Künstler dem Maler
zu Regensburg außerordentlich nahe steht.

Allein, sehen wir ab von dieser präsumptiven Erweiterung des Oeuvres von Albrecht Altdorfer, die freudigst zu
begrüßen ist: was beweist das Nonnberger Manuskript für die Entstehung des Altdorferschen Stils? Ein Schluß wäre
doch nur möglich, falls zwischen dem älteren und jüngeren Meister eine schlagende Übereinstimmung zu finden wäre,
die erlaubte oder gar zwänge, ein Schulverhältnis zwischen beiden anzunehmen. Nach meiner Meinung ist jedoch
hievon kaum die Rede, vielmehr scheinen mir die bei Tietze in gutem Lichtdruck gegebenen Stichproben eine beträchtliche
Stilverschiedenheit der beiden Miniatoren darzutun, die keinen andern Gedanken zuläßt als den an eine beliebige
Verwendung verschiedener Hände, wie sie ja damals bei solchen Buchausstattungen an der Tagesordnung war. Daß
Albrecht Altdorfer oder einer seiner unmittelbaren Schüler als Miniaturmaler tätig gewesen ist, dieses Faktum bleibt
 
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