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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0057
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natürlich als wichtige Erweiterung unserer Kenntnisse über den Regensburger Meister bestehen. Ferner interessieren
die von Tietze gegebenen Vergleiche des älteren Künstlers mit Furtmeyrs Missale und einigen andern Handschriften.
Aber daß Altdorfers Kunst von der Miniaturmalerei abzuleiten sei und daß (nach Tietzes Worten) »die ältere Hand
des Salzburger Gebetbuches gar wohl als ein vermittelndes Bindeglied zwischen Furtmeyr und Altdorfers Stil
angesehen werden kann«, vermag ich auch jetzt nicht zu unterschreiben und beharre damit auf meiner seinerzeit
gegebenen Darstellung (Der Ursprung des Donaustils, Leipzig 1907, Seite 73 ff.). Insbesondere bekräftige ich den
auf Seite 76 ausgesprochenen Satz, daß, wenn schon von Zusammenhängen zwischen Furtmeyr und Altdorfer die
Rede sein darf, die Frühaufsche Gründungslegende des Stiftes Klosterneuburg jedenfalls »eine noch viel eklatantere
Vorahnung Altdorfers ist als sie bei Furtmeyr (und den ihm nahestehenden Miniatoren) je zu finden ist«1.

Die zweite These, der Einfluß Tirols auf die Entstehung der Donaurenaissance, besitzt gleichfalls nur einen
beschränkten Anspruch auf Anerkennung. Gerade in Altdorfers frühesten Arbeiten, insbesondere den Stichen,
ist von Tiroler Einwirkung keine Rede. Tietze bildet in seinem Aufsatz eine von 1507 datierte, offenbar der Südtiroler
Schule angehörige »Schaustellung Christi« ab, die als Parallele zu späteren Erscheinungen der Donaurenaissance
wichtig ist, jedoch gerade zu Altdorfers Frühwerken außer Zusammenhang steht. Erst seit etwa 1510 treten
bei Altdorfer Merkmale von tirolischen Einflüssen auf — besonders in den zwischen 1511 und 1514 entstandenen
Holzschnitten; die mutmaßliche Kunstreise Altdorfers (und Wolf Hubers?) um jene Zeit, der ich seinerzeit das
Wort geredet habe, erscheint mir auch heute noch als einzig mögliche Erklärung jener Tatsache, zumal ich nach-
gewiesen zu haben glaube, daß sowohl Altdorfer wie Huber Pachers Altar zu St. Wolfgang gesehen haben müssen.
Daß ganz besonders Michael Pacher, der größte Vertreter der Kunst in den Alpenländern, von den Donaumeistern
studiert worden ist, liegt allzu nahe, um einer ausdrücklichen Betonung zu bedürfen. Aber sicher verfolgte Altdorfer
auch die Bestrebungen der jungen Generation in Tirol mit größtem Interesse, so daß die Vermutung wohl gewagt
werden darf, daß Werke wie jene »Schaustellung« in Stift Heiligenkreuz ihn damals interessiert und beeinflußt
haben möchten.

Bleibt also auch der Einfluß der Tiroler Malerei auf die eigentlichen »Anfänge« Altdorfers auszuschalten. Wir
gelangen so, nachdem Miniatur- und Monumentalmalerei keine Anhaltspunkte geboten haben, auf die Graphik
zurück. Und hier mag eine allgemeine Bemerkung am Platze sein, die den Unterschied erklärt und begründet, den
wir zwischen diesen sich nahestehenden Gattungen von Anfang an machten. Die Miniaturmalerei hatte sich im
XIV. und zu Anfang des XV. Jahrhunderts als eine mächtige Trägerin des künstlerischen Fortschritts erwiesen;
aber seit jener Zeit entwickelte sie sich wohl in aufsteigender Linie weiter und fand eine Reihe guter Vertreter; allein
statt wie früher führend zu sein, folgte sie vielmehr den Bahnen, die der Tafelmalerei von den leitenden Meistern
gewiesen wurden. Ganz anders die Graphik, und zwar speziell der Kupferstich, dessen Anfänge allerprimitivster Art
waren und der dabei in Deutschland innerhalb kurzer Zeit (1460—1500) von den vier ideenreichsten derzeitigen
Meistern (E. S., Schongauer, Hausbuchmeister, Dürer) auf ein Niveau gehoben ward, das dem der gleichzeitigen
Miniaturenkunst um ein vielfaches überlegen war. Wie ich meine, ist diese ungewohnte Betonung einer einzelnen
Kunstgattung als solcher, des Kupferstichs, nicht wohl zu umgehen. Man mag den Einfluß einer Technik auf den
schaffenden Künstler skeptisch beurteilen und verächtlich von Materialismus sprechen: so viel ist gewiß, daß eine
künstlerische Entwicklung erst entstehen kann, wenn technische Schwierigkeiten zu überwinden sind, wenn die
Technik sozusagen ein Thema, eine Aufgabe stellt, an deren Lösung sich einige Generationen beteiligen können. Die
Miniaturmalerei, deren Möglichkeiten so beschränkt waren, hatte diese Rolle längst ausgespielt, als die graphischen
Künste in die Geschichte eintraten und, eben weil sie neue Probleme stellten, zu einem Kampfplatz, einer Arena der
Besten und damit zu einem Hauptschauplatz des künstlerischen Fortschritts wurden.

Die Momente der Entwicklung des deutschen Kupferstichs im XV. Jahrhundert sind zu mannigfaltig, um hier
gegeneinander abgewogen werden zu können. Ich möchte zunächst einen Punkt herausgreifen, auf den es in diesem
Zusammenhang ganz besonders ankommt: die Herausbildung einer neuen Bildvorstellung. Die Monumental-
malerei der Jahrhundertsmitte kennt neben der einfachen ein- oder mehrfigurigen Tafel einen besonders bevorzugten
Typus des figurenreichen Bildes, wie er etwa in den Kreuzigungsdarstellungen oder den Darstellungen des Jüngsten
Gerichts vertreten ist. Die Gattung gehört keiner Landschaft ausschließlich an: in Österreich wie in Bayern, in Nürn-
berg, Schwaben, am Niederrhein gibt es zahlreiche Beispiele für sie. Gegen diese Art der Bildgestaltung machten be-
sonders die Kupferstecher Front. Was in der Malerei wegen der Schönheit und Mannigfaltigkeit der angewandten Farben
und andrer Mittel einen gewissen dekorativen Sinn hatte, mußte in der Graphik lediglich stören und die Bildwirkung
beeinträchtigen. So entstand bei Schongauer ein ganz neues Bildideal, das gleichzeitig Vereinfachung im ganzen und
Kontrastierung der Einzelzüge brachte und mit der Bildauffassung der italienischen Kunst eine gewisse natürliche
Verwandtschaft hatte. Dieser Entwicklung des Figürlichen entspricht diejenige des landschaftlichen Teils auf dem
»Bilde« (wie der Terminus auch für die Graphik heißen sollte): statt der motivreichen und doch ungegliederten

1 Ganz der gleichen Ansicht über diese Bilder in Klosterneuburg ist Otto Fischer (Die altdeutsche Malerei in Salzburg, Leipzig 1908, Seite 124).
 
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