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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0058
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— 54 —

Landschaftsszenerie,die man bis dahin kannte,ein einfaches,sofortgreifbares undaufzufassendesMotiv.In beiden Punkten
bildet Schongauer die Voraussetzung Albrecht Dürers, der wohl transalpine Momente in seine Graphik aufnimmt, ohne
doch die Bildgestaltung in wesentlich andre als die vorgezeichneten Bahnen einer logischen Fortentwicklung zu leiten.

Auf Albrecht Altdorfer zurückkommend, ist zu sagen, daß seine frühesten Arbeiten auf dieser von den Graphikern
geleiteten Evolution fußen und, indem sie das neue Bildideal aufnehmen und persönlich ausgestalten, dieses nach
einem Extrem hin entwickeln. Die Miniaturenkunst steht völlig beiseite. Ist auch sie gleich dem Kupferstich Klein-
kunst, so beruht doch ihre Hauptwirkung gleich der Malerei auf der Farbe und der farbigen Modellierung, während
die Ausdrucksmittel des Stiches die freie Linie (der Schnörkel) und die formbezeichnende Linie sind.

So klafft denn zwischen Furtmeyr und Altdorfer nicht bloß der Unterschied einer Generation, sondern jener
einer ganzen Entwicklung. Die Miniatoren hatten wohl Anregungen aus den Werken der Graphiker gezogen, aber ihr
Bildideal war das von der Mitte des XV. Jahrhunderts geblieben. Wenn Furtmeyr durch die Kleinheit der Figuren in
der Landschaft gelegentlich überrascht, so ist das demnach nicht als organischer Fortschritt zu deuten, sondern
mehr als ein gewandtes Manoeuvre; und die primitive Fassung der Szenen mit großen Figuren bestärkt uns in dieser
Ansicht. Ganz entsprechend hat die Landschaft selber zwar gelegentlich entwickeltere Züge, aber sowohl im ganzen
wie in der schematischen Angabe der Einzelheiten (die der Formanalyse Dürerscher Stiche diametral entgegensteht)
ist sie in der Hauptsache eine Fortbildung älterer Schemata.

Ich gestehe, daß ich, vor die Wahl gestellt, Altdorfer aus der Kunst Dürers oder der Regensburger Miniatur-
malerei herzuleiten, nicht zögern würde, mich für Dürer zu erklären. Furtmeyr und seiner Richtung würde ich jenen
undefinierbaren und nicht recht greifbaren Einfluß zubilligen, den alles auf uns in der Jugend ausübt, was uns umgibt.
Das Kleinfigurige kann ihm unbewußt Eindruck gemacht haben, ebenso gewisse Züge der Landschaft, allein die Mittel,
mit denen er in seinen ersten Arbeiten die für ihn charakteristische Kleingliedrigkeit hervorbringt, sind ganz andrer Art.

Ich habe mich nun seinerzeit veranlaßt gesehen, Altdorfer statt direkt an Dürer, vielmehr an dessen Nachahmer,
den Monogrammisten M. Z. (Matthäus Zasinger) anzuknüpfen. Die These ist gewagt, und obwohl es ihr außer an
mehrfachem Widerspruch auch an Zustimmung nicht gefehlt hat, ist doch auf den Gegenstand von keiner Seite näher
eingegangen worden. Vielleicht hat die Zuweisung eines Bildes, der bis dato undiskutierten bedeutenden Pester »Heim-
suchung«, das Problem unnötig verwirrt, weshalb es wohl besser gewesen wäre, jenes Gemälde einstweilen aus dem
Spiel gelassen zu haben. Rein auf die Graphik bezogen, ist nun die Stellung des M. Z. zwischen Dürer und Altdorfer
die folgende. Von Dürers Frühstichen ausgehend, gibt er der Technik des Kupferstichs eine Tendenz zu größerer
Freiheit der Linienführung, zu dünneren Strichlagen; in die Figuren kommt ein femininer »manieristischer« Zug, ein
gewisser Romantizismus, der auch in die Trachten der Gestalten hineinspielt und seinen rechten Ausdruck erst in
den Landschaften des Meisters findet, die in ihrer poetischen Verklärung die direkte Vorstufe für Altdorfer sind.

Für viele ist der Monogrammist nichts als ein schwächlicher Nachahmer Dürers; es ist da leicht über ihn abzu-
urteilen und ihm jede selbständige Bedeutung zu bestreiten. Allein der Meister brauchte nur den einen Stich, die
»Umarmung auf dem Zimmer« (B. 10) ausgeführt zu haben, um in Technik, Komposition, Durchbildung des Details,
Sentiment als abweichend von Dürer und vorausdeutend auf Altdorfer gelten zu dürfen. Ich habe am zitierten Orte
(Seite 107 ff.) eine Reihe direkter Beziehungen zu dem Meister von Regensburg festgestellt, deren Aufzählung ich hier
nicht zu wiederholen brauche; außerdem könnte ich auf den seinerzeit nicht genannten Stich des heiligen Georg ver-
weisen, allein es kommt bei dieser Frage nicht auf Anhäufung unnützer Details an.

Zwei möglichen Mißverständnissen sei gleich hier begegnet: der Anschluß Altdorfers an M. Z. ist weder ein
sklavischer noch ein direkter. Ob es gestattet ist, an unmittelbare Schülerschaft zu denken, weiß ich nicht; wir sind
dazu über die Lebensumstände dieses Meisters zu wenig orientiert. Doch ist schon seit längerer Zeit von Forschungen
die Rede, von deren Ergebnissen freilich bisher noch nichts verlautbart ist. Jedenfalls, wo auch immer der eigentliche
Wirkungskreis des M. Z. gewesen sein mag: es handelt sich doch um einen Stecher, dessen Arbeiten weit verbreitet
sein konnten und vermutlich waren, und dessen Kunst sich überall studieren ließ.

Daß Altdorfer neben M. Z. Dürer selber in seinen graphischen Arbeiten studiert hat, unterliegt keinem Zweifel.
Allein direkte Beziehungen zu finden ist sehr schwierig; der Regensburger Meister übersetzte die von Nürnberg
erhaltenen Anregungen sogleich in seine eigene, persönliche Sprache. Zudem lag ihm das Kräftige, Robuste, Körper-
liche Dürerschen Gestaltens sehr wenig; Empfindung, Bewegungen, Proportionen sind bei ihm fahrig und von einer
undefinierbaren Lust zum Absonderlichen beseelt. Ich glaube, daß einer unter den Dürerschen Stichen, das »Weih-
nachten« von 1504, ihn ganz besonders befruchtet hat. Diese Darstellung nähert sich als »Bild« außerordentlich den-
jenigen seiner Gemälde und graphischen Werke, die eine größere architektonische Szenerie, eine »Lokalität« geben;
nicht nur die Kleinheit der Figuren innerhalb des Raumes, auch die Schiebung der Kulissen, die intime Behandlung
des Ruinösen (das Altdorfer viel mehr als Dürer liebt), die Verteilung der Hell- und Dunkelmassen und das Vegetabile
ist in der Art, die von Altdorfer später gepflegt werden sollte.

Seit der Altdorfer-Monographie Friedländers ist die Frage des Verhältnisses zu Nürnberg wenig erwogen
worden. Das hat den Vorzug gehabt, daß die Beziehungen zur bayrischen und Tiroler Malerei schärfer ins Auge gefaßt
 
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