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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0068
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— 64 —

Bei Miethke schlössen sich auf der Goya-Aus-
stellung im März und April des verflossenen Jahres den
Gemälden, deren prachtvolles Hauptstück, das Porträt
der Dona Cean Bermudez, von der Budapester Galerie
angekauft ward, auch Radierungen und Lithographien des
Meisters aus den Sammlungen der Herren Gottfried
Eißler, Dr. Julius Hofmann und August Altgraf zu Salm-
Reifferscheidt an. Im November und Dezember gab es da,
freilich nicht in hervorragenden Drucken, viele Litho-
graphien Honore Daumiers zu sehen. — Bei Pisko
überragten auf der Ausstellung der »Acht Künstlerinnen
und ihrer Gäste« (bereits im Jahre 1909) die neuesten
Radierungen von Käthe Kollwitz alles Übrige. — Bei
Hugo Heller fanden im abgelaufenen Jahre Ausstellungen
graphischer Arbeiten von Louis Legrand, Auguste
Rodin, Albert Welti und Heinrich Reifferscheid,
Sir Charles Holroyd, Ludwig von Hofmann, Karl
Stauffer-Bern und Joseph Pennellstatt.

Die derzeit noch geöffnete Ausstellung der »Habs-
burger Zimelien« in der Hofbibliothek enthält kostbare
alte Kunstdrucke, darunter zum Beispiel Rembrandts
»Hundertguldenblatt« im ersten, dann im zweiten Zu-
stand (auf japanischem und auf holländischem Papier) und
schließlich mehrere Abdrucke der von Baillie überarbei-
teten und zerschnittenen Platte. — Eine gleichfalls noch
zu sehende höchst instruktive Ausstellung der Albcrtina
führt die technische Entwicklung der Graphik vor.

Arpad Weixlgärtner.

Düsseldorf 1907 und 1908. — Die Weihnachts-
monate 1907 brachten wertvolle Ausstellungen von Hand-
zeichnungen. Da sind Schmurrs tiefempfundene nieder-
rheinische Landschaften, seine Akte und seine Studien
nach alten niederrheinischen Bauern erwähnenswert und

die Arbeiten von Alfred So hn - Rethel, dessen Rötelzeich-
nungen, Porträte seiner Frau und Kinder und Impressionen
vom nächtlichen Montmartre, dem Tabarin und Rat Mort
bis zur »heure bleue« in ihrer zeichnerischen Vollendung
an Holbeins Blätter erinnern, so etwa wie Leibis Bilder
Holbeins Gemälde erklären. Deußer ist durch ausge-
zeichnete Impressionen vom Kürassierexerzierplatz und
durch Landschaften vertreten, die mit den Blättern C1 a r e n-
bachs und Bretz' das schönste sind, das Landschafter
ihrer Heimat entnommen haben. Herrlich sind die trefflich
gezeichneten Akte Otto Sohn-Rethels, die von seiner
Liebe sprechen zum Detail, das er zu beseelen versteht,
wie die alten Flamen. Einige entzückende farbige Zeich-
nungen stellte Boyer aus, Motive aus den maurischen
Städten Spaniens. Außer diesen sind noch die Blätter
zu nennen, die Claus Meyer, Gerhard Janssen,
von Bochmann, Böninger und einige andere aus-
stellen und endlich die Exlibris-Entwürfe Kohlscheins
und Heidkamps. Zu den besten Arbeiten moderner
deutscher Graphiker gehören Reifferscheids Radie-
rungen, Blätter, die eine an Rembrandt studierte Technik,
originelle Auffassung, Fleiß und aufrichtige Liebe zurNatur
vereinen. Seine Arbeiten, Landschaften, die er deutschen
Dichtern widmet, Interieurs und Porträte sind das wert-
vollste, das in Düsseldorf von Radierern geschaffen wird.
Bl oos und Otto machten gute Fortschritte imTechnischen,
wie im Zeichnerischen. Des letzteren Landschaften,
die er gern mit Kühen und Schafen bevölkert, sind von
hohem künstlerischen Werte. Liesegang schuf einige
im Ton ausgezeichnete Radierungen, Motive aus stillen
niederrheinischen Städtchen. Endlich sind noch die
Blätter Westendorps, Opheys und besonders die des
jungen Isselmann aus Rees am Niederrhein zu nennen.

Nekrologe.

Franz Wickhoff f. — Die Wiener Kunstgeschichte
erleidet Verlust auf Verlust. Der härteste Schlag hat sie
jetzt getroffen. Hermann Dollmayr, Alois Riegl und Wolf-
gang Kailab, den allzu früh Dahingeschiedenen, ist am
6. April Franz Wickhoff nachgefolgt, gleichfalls viel zu
früh. Er starb, erst 54 Jahre alt, in seinem Venedig, das
er über alles liebte und wie wenige kannte, an einem lang-
wierigen, heimtückischen Leiden, das schon während
der letzten zwei Jahre die volle Betätigung seiner Kraft
gelähmt hatte.

Daß es eine Wiener kunsthistorische Schule gibt,
ist neben Rudolf von Eitelberger Franz Wickhoff zu
danken. Wickhoffs wissenschaftliche Arbeiten nach allen
Seiten hin zu würdigen und ihnen unter den kunst-
geschichtlichen Forschungen der Zeit den Rang anzu-
weisen, der ihnen gebührt, ist hier nicht der Platz. Gesagt
sei nur, daß alles, was er geschrieben hat, voll weitaus-

greifender Anregungen und tiefer Aufschlüsse ist, geht es
doch von einer starken Persönlichkeit, einem ganzen
Menschen aus, dessen Wissen und Interesse weit über
die Grenzen seines Faches hinausreichte und innerhalb
dieses alle Epochen bis zur Gegenwart herauf umspannte.
Seine Impulsivität, seine ebenso gesegnete wie gefürch-
tete Eigenart, über Menschen und Dinge immer das
zu sagen, was er sich dachte, ohne Rücksicht auf andere
und auf sich selbst, ist für Tieferdenkende der Schlüssel
zu dem von ihm ins Leben gerufenen Unternehmen der
»Kunstgeschichtlichen Anzeigen«, deren hohes Ziel viel
häufiger absichtlich entstellt als wirklich mißverstanden
wird. Nur ein Charakter konnte eine solche Idee fassen
und ausführen. Dieser Reform der Kritik kunstgeschicht-
licher Erscheinungen wesensverwandt ist Wickhoffs
organisatorische Tätigkeit, der es in erster Linie zu
danken ist, daß in Österreich an fast allen Stätten, wo es
 
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