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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3753#0005
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.
BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1912.

WIEN.

Nr. 1.

Studien und Forschungen.

Über eine Schrotschnittplatte.

Justus Brinckmann, dessen allumfassendem Sammlerblick nichts entgeht, was auf irgendeinem, noch so ent-
legenen Gebiet von kunstgeschichtlicher Bedeutung ist, hat unlängst das Glück gehabt, die Originalkupferplatte
eines Schrotschnittes zu entdecken und dem Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe zuzuführen. Er sandte
mir seinen Fund zur Begutachtung, und ich möchte ihn hier mit seiner freundlichen Erlaubnis weiteren Kreisen der
Fachgenossen zugänglich machen. Es wird ihrer ohnehin nur wenige geben, die je eine Schrotschnittplatte zu sehen
Gelegenheit hatten. Auch für mich war es ein Novum.

DerBrinckmannsche Fund besteht in einer kleinen, an den Rändern etwas defekten Kupferplatte von 69 : 47 mm
mit einer Darstellung der Heimsuchung Marias, deren mit Ornamentranken gefüllter Rahmen oben links von der
Mitte noch den Umriß eines Nagelloches erkennen läßt und die auf der Rückseite oben Reste des Holzstocks trägt,
auf dem sie befestigt war. Das dazwischen sichtbare Kupfer ist teilweise oxydiert. Die Platte zeigt in den Nimben,
Gewändern, am Erdboden und auf den Hügeln des Hintergrundes die ausgiebigste Verwendung der Punze. Sie wurde
beim Abbruch eines Hauses in Köln unter der Erde gefunden. Wegen ihrer großen Zerbrechlichkeit wagte ich nicht, sie
einem Kupferdrucker anzuvertrauen, und zog es daher vor, der Abbildung (Fig. 2) einen Stoffabzug zugrunde zu legen.

Es handelt sich offenbar um einen jener kleinen Schrotschnitte, die zur Illustration verschiedener mit oder ohne
Text in Köln erschienenen Ausgaben des Horologium devotionis dienten, die aber auch als Einzelblätter oder in Folgen
auf der Rückseite hier und da vorkommen. Merkwürdigerweise findet man dabei selten zwei Darstellungen des
gleichen Vorganges aus dem Leben und Leiden Christi, die von derselben Platte herrührten, sondern immer wieder
neue Varianten, die gleich- oder gegenseitig nacheinander kopiert wurden, ohne daß sich feststellen ließe, welche
von ihnen die älteste und ursprüngliche Fassung sei.

Nicht immer scheinen die Kupferplättchen, wie es bei der Brinckmannschen Heimsuchung der Fall war, mit
Nägeln auf Holzstöcke geheftet worden zu sein, denn man findet ganze Folgen mit und andere ohne Nagellöcher
in den Rahmen.1 Ich gebe hier zur Veranschaulichung des Gesagten die mir bekannten drei Varianten der Brinck-
mannschen Heimsuchung.

1. Gegenseitig in ähnlichem Rankenrahmen mit vier Blumen in den Ecken und mit zwei Nagellöchern. Der
Turm zwischen Wald und Windmühle hat eine Spitze. Rechts neben dem Nimbus Marias ein Turm, dann eine zinnen-
bekrönte Mauer, dann ein Stadttor. Der Rahmen wird nur rechts von der Mantelschleppe Elisabeths überschritten.

69 : 49 mm. Einf.

Unbeschrieben.

Abbildung Fig. 3.

Gotha.

Aus einer kölnischen Folge von 29 Blatt, auf die mich Max Geisberg freundlichst aufmerksam machte.

2. Gegenseitig in ähnlichem Rankenrahmen mit vier Eckornamenten und ohne Nagellöcher. Rechts neben
dem Nimbus Marias ein Turm, dann das Stadttor, dann die zinnenbekrönte Mauer. Der Rahmen wird links und
rechts von den Mänteln der beiden Frauen überschritten. Die Figuren sind etwas kleinköpfiger.

1 Vergl. meine Ausführungen im Katalog des Germanischen Museums p. 16.
 
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