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ist fast unbekannt. Das Übel ist so groß, daß selbst ein
Raffaelli davon mitgerissen erscheint. Hoffen wir, daß er
bald wieder dahin zurückkehrt, wo er noch vor wenigen
Jahren gestanden ist. Hier nur noch die Namen einiger
Radierer, die sozusagen die Hirten dieser Herde zu sein
scheinen: J. Celos, Martin van der Loo. Cassiers, F. T.
Simon, Le Rieh e U.A., nicht zu vergessen Pierre Roch es
und seiner wie immer bemerkenswerten »Gypsographien«
— In der »International ArtGallery« hatCh. Leandre eine
schon durch ihre Mannigfaltigkeit sehr anziehende Aus-
stellung gehabt. Von diesem Künstler kennt man vor allem
seine Bildniskarikaturen, die er verschwenderisch in den
Witzblättern ausstreut, und seine Lithographien. Weniger
bekannt ist Leandre als ernster Bildnismaler, als Land-
schafter, als Maler von Sittenbildern und am unbekann-
testen als Bildhauer. Und doch sind unter seinen Bild-
nissen und Landschaften Meisterwerke. Sein gutmütiger
Humor ist so bekannt und allgemein geschätzt, daß
darüber keine Worte zu verlieren sind; er lacht über seine
Mitbürger, er lacht oft über sie, aber er verlangt von seinen
Opfern, daß sie mit ihm lachen, und keiner hat ihm noch
diese Genugtuung verweigert. Als kleinere Sonderausstel-
lungen sind noch zu nennen die des ausgezeichneten
Landschafters Maxime Maufra bei Durand Ruel, die
Dolas im Cercle International des Arts, neben einigen
Gemälden zumeist Umschläge für Musiknoten enthaltend,
ein Kunstzweig, den einst Celestin Nanteuil und Mouilleron,
in neuerer Zeit bekanntlich Steinlen, Willette und Cheret
gepflegt haben, und endlich die von Ch. Jouas bei Chaine
und Simonson. Über den zuletzt genannten Künstler seien
uns einige Worte gestattet. Er hat das Unbekannte, das
andere weit draußen in fremden Ländern suchen, in der
engsten Heimat gefunden, in Paris, in Chartres, in Ver-
sailles. Er steigt nur etwas höher hinauf als die große
Masse, die am Pflaster klebt: so zeichnet er Paris von den
Türmen der Notre-Dame-Kirche und ähnlich, für Henri
de Regniers Cite des Eaux, auch Versailles. Das Verdienst
wäre an sich nicht so groß, auch haben schon andere
vor ihm gleiches unternommen, freilich nicht so aus-
dauernd und folgerichtig. Was ihn auszeichnet, ist das
künstlerische Gewand, das er seinem Unternehmen ge-
geben hat. Jouas vereinigt Grazie mit Gewissenhaftigkeit.
Er zeichnet gut und streng, und seine Farbe ist voll Reiz.
Auch seine Radierungen verraten den tüchtigen Techniker.
Seine Arbeiten sind keine großartigen Offenbarungen, aber
sie gefallen als geistreich und zartgefühlt. Er malt, wie
Andersen erzählt. Unverkennbar sind auch die Fortschritte,
die der Künstler seit seinen Poemes parisiens, die etwa
aus den Jahren 1898 stammen, gemacht hat, und bei
seinem Fleiß und seiner Ehrlichkeit sind auch noch
weitere zu erwarten. — Eine sehr lehrreiche und reiz-
volle Ausstellung »Von Paul Huet bis zu Jongkind«
hat in selbstloser Weise die Societe des Peintres-Graveurs
francais veranstaltet. Das Unternehmen wurde ermöglicht
durch die wertvolle Mitwirkung zweier Sammler, an deren
Rat und Beistand man sich nie vergeblich wendet, der
Herren Alfred Beurdeley und Loys Delteil. Anderthalb-
hundert Blätter veranschaulichten das Wiederaufleben
der französischen Originalradierung um die Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts. Da waren sie Alle zu sehen:
Corot, Rousseau, Diaz, Barye, Celestin Nanteuil,
Ch. Jaque, Millet, Daubigny, Louis Cabat, Tony
Johannot, Jean Achard und viele Andere, auch die
Vorläufer Demarne (f 1829) undBonington (1801 —
1828). Es gibt zudenken, daß so viele dieser Künstler
Landschaftsmaler waren. Ihr Naturgefühl, ihre Ehrlichkeit,
ja überhaupt ihr innerstes Wesen kommt dabei noch
mehr in ihren Radierungen zutage als in ihren Ge-
mälden. Denn diese Blätter entstanden damals, als die Ra-
dierungen keinerlei Kaufwert hatten und ihren Schöpfern
keinen Heller einbrachten, ohne jeden Hintergedanken
an einen Käufer. Merkwürdig auch, wie zum Beispiel
bei Huet, der die Reihe eröffnet, gerade die Radierungen
seine koloristische Begabung erweisen. Die Zeitgenossen
priesen seine Farbe, aber seine Bilder sind heute nach-
gedunkelt oder verblaßt: das Blatt Papier ist widerstands-
fähiger als die Leinwand und ist auch gefeit gegen die
Untaten der Restauratoren. C.-J.
Vermischte Nachrichten.
Nekrolog französischer Graphiker. — Louis
Alfred Bahuet, geboren zu Paris 1862, gestorben eben-
da im Oktober 1910; Lithograph, dem man besonders
mehrere Blätter nach Retnbrandt verdankt. Seit einigen
Jahren war er erblindet. — Gustave Colin, geb. zu Arras
1828, gest. zu Paris am 29. Dezember 1910; Maler und
Zeichner. — Camille Delpy, geb. zu Joigny (Dep. Yonne)
1841, gest. zu Paris am 4. Juni 1910; Landschaftsmaler
und Zeichner. - Julien Dupre, geb. zu Paris am
17. März 1851, gest. ebenda am 16. April 1910; ge-
schätzter Tiermaler. Von ihm auch einige Lithographien.
— Emmanuel Fremiet, geb. zu Paris 1824, gest. eben-
da am 10. September 1910, der berühmte Bildhauer. Sein
erstes öffentliches Auftreten bildeten Lithographien zur
vergleichenden Knochenkunde. — Auguste Hotin, geb.
zu Dieppe 1850,gest. zu Paris im Juni 1910; Zeichner und
Radierer. Eine bedeutende Zahl seiner verdienstlichen,
großen Blätter ist dem Dom von Dieppe gewidmet. Er hat
auch viele reproduzierende Radierungen ausgeführt; der
Tod überraschte ihn über der Vollendung eines im Auftrag
des Staates ausgeführten männlichen Bildnisses nach
Coypel. — Edouard Loevy, geb. zu Paris 1857, gest.
ebenda im Dezember 1910; Zeichner und Illustrator. —
Nadar, eigentlich Felix Tournachon, geb. zu Paris
am 5. April 1S20, gest. ebenda am 20. März 1910;
Schriftsteller, Zeichner, Lithograph, Photograph und
ist fast unbekannt. Das Übel ist so groß, daß selbst ein
Raffaelli davon mitgerissen erscheint. Hoffen wir, daß er
bald wieder dahin zurückkehrt, wo er noch vor wenigen
Jahren gestanden ist. Hier nur noch die Namen einiger
Radierer, die sozusagen die Hirten dieser Herde zu sein
scheinen: J. Celos, Martin van der Loo. Cassiers, F. T.
Simon, Le Rieh e U.A., nicht zu vergessen Pierre Roch es
und seiner wie immer bemerkenswerten »Gypsographien«
— In der »International ArtGallery« hatCh. Leandre eine
schon durch ihre Mannigfaltigkeit sehr anziehende Aus-
stellung gehabt. Von diesem Künstler kennt man vor allem
seine Bildniskarikaturen, die er verschwenderisch in den
Witzblättern ausstreut, und seine Lithographien. Weniger
bekannt ist Leandre als ernster Bildnismaler, als Land-
schafter, als Maler von Sittenbildern und am unbekann-
testen als Bildhauer. Und doch sind unter seinen Bild-
nissen und Landschaften Meisterwerke. Sein gutmütiger
Humor ist so bekannt und allgemein geschätzt, daß
darüber keine Worte zu verlieren sind; er lacht über seine
Mitbürger, er lacht oft über sie, aber er verlangt von seinen
Opfern, daß sie mit ihm lachen, und keiner hat ihm noch
diese Genugtuung verweigert. Als kleinere Sonderausstel-
lungen sind noch zu nennen die des ausgezeichneten
Landschafters Maxime Maufra bei Durand Ruel, die
Dolas im Cercle International des Arts, neben einigen
Gemälden zumeist Umschläge für Musiknoten enthaltend,
ein Kunstzweig, den einst Celestin Nanteuil und Mouilleron,
in neuerer Zeit bekanntlich Steinlen, Willette und Cheret
gepflegt haben, und endlich die von Ch. Jouas bei Chaine
und Simonson. Über den zuletzt genannten Künstler seien
uns einige Worte gestattet. Er hat das Unbekannte, das
andere weit draußen in fremden Ländern suchen, in der
engsten Heimat gefunden, in Paris, in Chartres, in Ver-
sailles. Er steigt nur etwas höher hinauf als die große
Masse, die am Pflaster klebt: so zeichnet er Paris von den
Türmen der Notre-Dame-Kirche und ähnlich, für Henri
de Regniers Cite des Eaux, auch Versailles. Das Verdienst
wäre an sich nicht so groß, auch haben schon andere
vor ihm gleiches unternommen, freilich nicht so aus-
dauernd und folgerichtig. Was ihn auszeichnet, ist das
künstlerische Gewand, das er seinem Unternehmen ge-
geben hat. Jouas vereinigt Grazie mit Gewissenhaftigkeit.
Er zeichnet gut und streng, und seine Farbe ist voll Reiz.
Auch seine Radierungen verraten den tüchtigen Techniker.
Seine Arbeiten sind keine großartigen Offenbarungen, aber
sie gefallen als geistreich und zartgefühlt. Er malt, wie
Andersen erzählt. Unverkennbar sind auch die Fortschritte,
die der Künstler seit seinen Poemes parisiens, die etwa
aus den Jahren 1898 stammen, gemacht hat, und bei
seinem Fleiß und seiner Ehrlichkeit sind auch noch
weitere zu erwarten. — Eine sehr lehrreiche und reiz-
volle Ausstellung »Von Paul Huet bis zu Jongkind«
hat in selbstloser Weise die Societe des Peintres-Graveurs
francais veranstaltet. Das Unternehmen wurde ermöglicht
durch die wertvolle Mitwirkung zweier Sammler, an deren
Rat und Beistand man sich nie vergeblich wendet, der
Herren Alfred Beurdeley und Loys Delteil. Anderthalb-
hundert Blätter veranschaulichten das Wiederaufleben
der französischen Originalradierung um die Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts. Da waren sie Alle zu sehen:
Corot, Rousseau, Diaz, Barye, Celestin Nanteuil,
Ch. Jaque, Millet, Daubigny, Louis Cabat, Tony
Johannot, Jean Achard und viele Andere, auch die
Vorläufer Demarne (f 1829) undBonington (1801 —
1828). Es gibt zudenken, daß so viele dieser Künstler
Landschaftsmaler waren. Ihr Naturgefühl, ihre Ehrlichkeit,
ja überhaupt ihr innerstes Wesen kommt dabei noch
mehr in ihren Radierungen zutage als in ihren Ge-
mälden. Denn diese Blätter entstanden damals, als die Ra-
dierungen keinerlei Kaufwert hatten und ihren Schöpfern
keinen Heller einbrachten, ohne jeden Hintergedanken
an einen Käufer. Merkwürdig auch, wie zum Beispiel
bei Huet, der die Reihe eröffnet, gerade die Radierungen
seine koloristische Begabung erweisen. Die Zeitgenossen
priesen seine Farbe, aber seine Bilder sind heute nach-
gedunkelt oder verblaßt: das Blatt Papier ist widerstands-
fähiger als die Leinwand und ist auch gefeit gegen die
Untaten der Restauratoren. C.-J.
Vermischte Nachrichten.
Nekrolog französischer Graphiker. — Louis
Alfred Bahuet, geboren zu Paris 1862, gestorben eben-
da im Oktober 1910; Lithograph, dem man besonders
mehrere Blätter nach Retnbrandt verdankt. Seit einigen
Jahren war er erblindet. — Gustave Colin, geb. zu Arras
1828, gest. zu Paris am 29. Dezember 1910; Maler und
Zeichner. — Camille Delpy, geb. zu Joigny (Dep. Yonne)
1841, gest. zu Paris am 4. Juni 1910; Landschaftsmaler
und Zeichner. - Julien Dupre, geb. zu Paris am
17. März 1851, gest. ebenda am 16. April 1910; ge-
schätzter Tiermaler. Von ihm auch einige Lithographien.
— Emmanuel Fremiet, geb. zu Paris 1824, gest. eben-
da am 10. September 1910, der berühmte Bildhauer. Sein
erstes öffentliches Auftreten bildeten Lithographien zur
vergleichenden Knochenkunde. — Auguste Hotin, geb.
zu Dieppe 1850,gest. zu Paris im Juni 1910; Zeichner und
Radierer. Eine bedeutende Zahl seiner verdienstlichen,
großen Blätter ist dem Dom von Dieppe gewidmet. Er hat
auch viele reproduzierende Radierungen ausgeführt; der
Tod überraschte ihn über der Vollendung eines im Auftrag
des Staates ausgeführten männlichen Bildnisses nach
Coypel. — Edouard Loevy, geb. zu Paris 1857, gest.
ebenda im Dezember 1910; Zeichner und Illustrator. —
Nadar, eigentlich Felix Tournachon, geb. zu Paris
am 5. April 1S20, gest. ebenda am 20. März 1910;
Schriftsteller, Zeichner, Lithograph, Photograph und