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bedeutende Gemälde im Salon aus. Aus derselben Zeit
datieren viele seiner Radierungen, von denen eine Gruppe
deutlich den Einfluß eines Aufenthaltes in Nordspanien
verrät Legros aber fand mit seinen Arbeiten wenig
Anerkennung und Erfolg. Im Jahre 18G3 kam er nach
England, wo er von Watts, Rossetti und Leighton herzlich
aufgenommen wurde. Das Jahr darauf heiratete er eine
Engländerin, Rosetta Kendal, und erkor England zu seinem
Wohnsitz für den Rest seines Lebens; nach England
zuständig wurde er im Jahre 1881. Die Sprache jedoch
lernte er niemals meistern, und als er im Jahre 1876 am
Londoner University-College als Slade-Professor für
Kunst' angestellt ward, unterrichtete er seine Schüler
französisch. Er hatte diesen Posten siebzehn Jahre hindurch
inne, und zahlte Holroyd, Strang, Tuke, Mann, Rothen-
stein und Orpen zu seinen Schülern, abgesehen von
vornehmen Liebhabern wie George Howard, Earl von
Carlisle, und Gräfin Feodora Gleichen. Nachdem er im
Jahre 1893 seine Professur aufgegeben hatte, widmete er
sich mit neuer Kraft der Radierung, Zeichnung und Litho-
graphie. Sein graphisches Werk beträgt annäherungs-
weise 700 Nummern, von denen die besten zwischen
1860 und 1880 entstanden sind, obwohl zu seinen späteren
Arbeiten die schöne Folge »Der Triumph des Todes und
viele prächtige Landschaften gehören. In seiner späteren
Zeit wurde er ein bißchen manieriert, da er sich allzusehr
auf sein Gedächtnis verließ, das nicht mehr durch das
unmittelbare Studium der Naturformen unterstützt wurde.
Die kraftvolle Zeichnung seiner besten Periode, die Strenge
und Würde seines Stiles übten einen höchst wohltätigen
Einfluß auf die englische Kunst aus als Gegengew icht
für den nationalen Hang zur Niedlichkeit. Legros hatte
eine tiefe Verehrung vor den alten Meistern, besonders
vor Holbein, Tizian und Rembrandt. Sein Hängen an der
Tradition kam unter anderem in seiner Vorliebe für die
Zeichnung mit dem Silber- und Goldstift zum Ausdruck,
eine Praxis, die von seinen Schülern, besonder- von
Strang fortgesetzt wird. Unter den Zeitgenossen galt seine
Bewunderung hauptsächlich dem großen, aber allzu lang
vernachlässigten englischen Bildhauer Alfred Stevens,
dem Schöpfer des Wellington-Denkmals und der Kamin-
stücke in Dorchester-House. Legros, dessen Gesundheit
seit zwei Jahren gelitten hatte, erschien zum letztenmal
in der Öffentlichkeit am 15. November, als in der Tate-
Galerie eine große Versammlung stattfand, um Stevens
durch die Eröffnung einer Gedächtnisausstellung seiner
Werke eine allzu späte Ehrung zu erweisen. Die Anstren-
gung hatte eine Schlußkrankheit im Gefolge, und Legros'
letzte Worte: »II a ete reconnu«, beweisen, daß sein Herz
noch bei dem Freunde weilte, für dessen Anerkennung
er gearbeitet hatte. Auch er selbst ist bis zum heutigen
Tage noch nicht ganz als der Meister anerkannt, der er
war, doch wird sein Ruhm sicherlich wachsen. Seine
Radierungen, wenigstens seine Landschaften, werden in
immer weiteren Kreisen bekannt und finden von Jahr zu
Jahr einen leichteren Absatz. Die früheren figuralen Kom-
positionen religiösen oder allegorischen Inhalts sind
weniger beliebt, aber seltener und erzielen auf dem
Markte schon beträchtlich hohe Preise. Seine prachtvollen
radierten Bildnisse werden gewiß zu den schönsten
gezählt werden, die das letzte Drittel des NIX Jahr-
hunderts hervorgebracht hat. C. D.
Karl M. Kuzmany. — Er wurde am 20. September
1867 in Wien geboren. Sein Vater, der sich gleich seinem
Großvater, einem in Ungarn und Wien wirkenden prote-
stantischen Theologen, auch schriftstellerisch betätigte,
war Marine-Schiffsbauingenieur. Die Jahre 1872 bis 1881
verlebte die Familie in Triest, wo Kuzmany das Gymna-
sium zu besuchen anfing und den Grund zu seiner vollen-
deten Beherrschung der italienischen Sprache legte. Schon
im Jahre 1885 starb der Vater, und zwar in Wien, wohin
die Familie vier Jahre vorher wieder zurückgekehrt war.
18S9 bezog Kuzmany die Universität seiner Vaterstadt,
um sich der Germanistik zu widmen. Diese Wahl war ein
Kompromiß zwischen der eigenen Neigung, die ihn zur
Kunstgeschichte trieb, und dem Einflußeines maßgebenden
Verwandten, der die Notwendigkeit eines Brotstudiums
betonte. Im Jahre 1892 trat bei Kuzmany ein Lungenleiden
auf, das ihn zwang, seine Studien — wie man damals
meinte einstweilen, tatsächlich aber für immer — zu unter-
brechen. Die Krankheit war es, die ihn zum erstenmal
nach Italien brachte, das er von nun an immer wieder auf-
suchte, nach allen Richtungen hin durchstreifte, während
längerer Aulenthalte immer gründlicher kennen lernte und
immer lieber gewann, so daß es ihm zur zweiten Heimat
wurde. In dem Lande, das nach dem bekannten Worte
des Plinius, das der Cicerone zu seinem Motto gewählt
hat, den Göttern heilig ist, fand Kuzmany sich selbst: hier
konnte er seinen langunterdrückten Herzenswunsch stillen
und die großen Werke der alten Kunst kennen lernen.
Gleich hier aber sei gesagt, daß ihm, wie es scheint, von
allem Anfang an das Studium der alten Kunst nur ein Mittel
zum Zweck war und er diesen in der Erweiterung und
Vertiefung seines Wissens um die Kunst der Gegenwart
erblickte. Ihrer Entwicklung, ihren Kämpfen und Trium-
phen folgte er mit glühendem Eifer, ihre Ziele zu erkennen,
ihr verwirrend mannigfaltiges Stieben richtig zu deuten,
sie von seinem Standpunkt aus, dem des feinfühligen, er-
fahrenen und hochgebildeten Betrachters, dem Verständ-
nis eines kunstfreundlichen Publikums erklärend näher
zu bringen, ward ihm zur Aufgabe seines Lebens. Einer-
seits seine reichen Denkmälerkenntnisse, die er, trotz der
Hinfälligkeit seines Körpers ein unermüdlicher Besucher
von Sammlungen und Ausstellungen, nicht nur in der
Heimat, sondern auch auf Reisen nach Italien, Deutsch-
land, den Niederlanden, Frankreich und England stetig
vermehrte, andrerseits seine große, vielseitige Belesenheit
und überhaupt sein reges Interesse für alle Äußerungen
schöngeistigen Lebens befähigten ihn auf ungewöhnliche
Weise zu dem Amte eines Kunstschriftstellers und
-kritikeis, das durch Persönlichkeiten seines Schlages
bedeutende Gemälde im Salon aus. Aus derselben Zeit
datieren viele seiner Radierungen, von denen eine Gruppe
deutlich den Einfluß eines Aufenthaltes in Nordspanien
verrät Legros aber fand mit seinen Arbeiten wenig
Anerkennung und Erfolg. Im Jahre 18G3 kam er nach
England, wo er von Watts, Rossetti und Leighton herzlich
aufgenommen wurde. Das Jahr darauf heiratete er eine
Engländerin, Rosetta Kendal, und erkor England zu seinem
Wohnsitz für den Rest seines Lebens; nach England
zuständig wurde er im Jahre 1881. Die Sprache jedoch
lernte er niemals meistern, und als er im Jahre 1876 am
Londoner University-College als Slade-Professor für
Kunst' angestellt ward, unterrichtete er seine Schüler
französisch. Er hatte diesen Posten siebzehn Jahre hindurch
inne, und zahlte Holroyd, Strang, Tuke, Mann, Rothen-
stein und Orpen zu seinen Schülern, abgesehen von
vornehmen Liebhabern wie George Howard, Earl von
Carlisle, und Gräfin Feodora Gleichen. Nachdem er im
Jahre 1893 seine Professur aufgegeben hatte, widmete er
sich mit neuer Kraft der Radierung, Zeichnung und Litho-
graphie. Sein graphisches Werk beträgt annäherungs-
weise 700 Nummern, von denen die besten zwischen
1860 und 1880 entstanden sind, obwohl zu seinen späteren
Arbeiten die schöne Folge »Der Triumph des Todes und
viele prächtige Landschaften gehören. In seiner späteren
Zeit wurde er ein bißchen manieriert, da er sich allzusehr
auf sein Gedächtnis verließ, das nicht mehr durch das
unmittelbare Studium der Naturformen unterstützt wurde.
Die kraftvolle Zeichnung seiner besten Periode, die Strenge
und Würde seines Stiles übten einen höchst wohltätigen
Einfluß auf die englische Kunst aus als Gegengew icht
für den nationalen Hang zur Niedlichkeit. Legros hatte
eine tiefe Verehrung vor den alten Meistern, besonders
vor Holbein, Tizian und Rembrandt. Sein Hängen an der
Tradition kam unter anderem in seiner Vorliebe für die
Zeichnung mit dem Silber- und Goldstift zum Ausdruck,
eine Praxis, die von seinen Schülern, besonder- von
Strang fortgesetzt wird. Unter den Zeitgenossen galt seine
Bewunderung hauptsächlich dem großen, aber allzu lang
vernachlässigten englischen Bildhauer Alfred Stevens,
dem Schöpfer des Wellington-Denkmals und der Kamin-
stücke in Dorchester-House. Legros, dessen Gesundheit
seit zwei Jahren gelitten hatte, erschien zum letztenmal
in der Öffentlichkeit am 15. November, als in der Tate-
Galerie eine große Versammlung stattfand, um Stevens
durch die Eröffnung einer Gedächtnisausstellung seiner
Werke eine allzu späte Ehrung zu erweisen. Die Anstren-
gung hatte eine Schlußkrankheit im Gefolge, und Legros'
letzte Worte: »II a ete reconnu«, beweisen, daß sein Herz
noch bei dem Freunde weilte, für dessen Anerkennung
er gearbeitet hatte. Auch er selbst ist bis zum heutigen
Tage noch nicht ganz als der Meister anerkannt, der er
war, doch wird sein Ruhm sicherlich wachsen. Seine
Radierungen, wenigstens seine Landschaften, werden in
immer weiteren Kreisen bekannt und finden von Jahr zu
Jahr einen leichteren Absatz. Die früheren figuralen Kom-
positionen religiösen oder allegorischen Inhalts sind
weniger beliebt, aber seltener und erzielen auf dem
Markte schon beträchtlich hohe Preise. Seine prachtvollen
radierten Bildnisse werden gewiß zu den schönsten
gezählt werden, die das letzte Drittel des NIX Jahr-
hunderts hervorgebracht hat. C. D.
Karl M. Kuzmany. — Er wurde am 20. September
1867 in Wien geboren. Sein Vater, der sich gleich seinem
Großvater, einem in Ungarn und Wien wirkenden prote-
stantischen Theologen, auch schriftstellerisch betätigte,
war Marine-Schiffsbauingenieur. Die Jahre 1872 bis 1881
verlebte die Familie in Triest, wo Kuzmany das Gymna-
sium zu besuchen anfing und den Grund zu seiner vollen-
deten Beherrschung der italienischen Sprache legte. Schon
im Jahre 1885 starb der Vater, und zwar in Wien, wohin
die Familie vier Jahre vorher wieder zurückgekehrt war.
18S9 bezog Kuzmany die Universität seiner Vaterstadt,
um sich der Germanistik zu widmen. Diese Wahl war ein
Kompromiß zwischen der eigenen Neigung, die ihn zur
Kunstgeschichte trieb, und dem Einflußeines maßgebenden
Verwandten, der die Notwendigkeit eines Brotstudiums
betonte. Im Jahre 1892 trat bei Kuzmany ein Lungenleiden
auf, das ihn zwang, seine Studien — wie man damals
meinte einstweilen, tatsächlich aber für immer — zu unter-
brechen. Die Krankheit war es, die ihn zum erstenmal
nach Italien brachte, das er von nun an immer wieder auf-
suchte, nach allen Richtungen hin durchstreifte, während
längerer Aulenthalte immer gründlicher kennen lernte und
immer lieber gewann, so daß es ihm zur zweiten Heimat
wurde. In dem Lande, das nach dem bekannten Worte
des Plinius, das der Cicerone zu seinem Motto gewählt
hat, den Göttern heilig ist, fand Kuzmany sich selbst: hier
konnte er seinen langunterdrückten Herzenswunsch stillen
und die großen Werke der alten Kunst kennen lernen.
Gleich hier aber sei gesagt, daß ihm, wie es scheint, von
allem Anfang an das Studium der alten Kunst nur ein Mittel
zum Zweck war und er diesen in der Erweiterung und
Vertiefung seines Wissens um die Kunst der Gegenwart
erblickte. Ihrer Entwicklung, ihren Kämpfen und Trium-
phen folgte er mit glühendem Eifer, ihre Ziele zu erkennen,
ihr verwirrend mannigfaltiges Stieben richtig zu deuten,
sie von seinem Standpunkt aus, dem des feinfühligen, er-
fahrenen und hochgebildeten Betrachters, dem Verständ-
nis eines kunstfreundlichen Publikums erklärend näher
zu bringen, ward ihm zur Aufgabe seines Lebens. Einer-
seits seine reichen Denkmälerkenntnisse, die er, trotz der
Hinfälligkeit seines Körpers ein unermüdlicher Besucher
von Sammlungen und Ausstellungen, nicht nur in der
Heimat, sondern auch auf Reisen nach Italien, Deutsch-
land, den Niederlanden, Frankreich und England stetig
vermehrte, andrerseits seine große, vielseitige Belesenheit
und überhaupt sein reges Interesse für alle Äußerungen
schöngeistigen Lebens befähigten ihn auf ungewöhnliche
Weise zu dem Amte eines Kunstschriftstellers und
-kritikeis, das durch Persönlichkeiten seines Schlages