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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3753#0047
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43

»sphasse vel dw vorrethtgrischer man

Sich das Evangelium vnnd martiny schritt an

Dein vorrethrev hat vorlorn zw dyser ffryst

Ein grosser vorrethter vnnd Schalgk dw bysth«.

Der Text laßt die Verse auf Luther gehen. Dessen bin ich nicht ganz
gewiß. Zeichnet sich auch der Vierzeiler keineswegs durch Gedankenreich-
tum und -schärfe aus und wäre seinem Verfasser auch ohncweiters ein
logischer Schnitzer zuzutrauen, so scheint mir doch die zweite Zeile
dagegen zu sprechen, daß mit dem Angeredeten Luther gemeint ist. Die
deutschen Verse könnten ja auch dem Autor der lateinischen Distichen
unter dem Bildnis gelten.

Zu Burgkmairs Holzschnitt: Papst Julius II., den die folgende
Tafel reproduziert, ist zu sagen, daß das Porträt nach Caradosso
geschaffen ist, sei es, daß die Medaille oder daß die Münzen, mit denen
der Holzschnitt größere Übereinstimmung zeigt als mit jener, vorgelegen
sind. Carradossos Bildnis des Rovere-Papstes hat bekanntlich auch
Dürer für das Rosenkranzfest als Vorlage gedient. Die Literaturangabe
im Text ist unrichtig. Statt »B. VII, 33« muß es heißen: »P. III,
267,33.« A. W.

Hans W. Singer, Katalog der Bildnis Zeich-
nungen des kgl. Kupfer stich-Kabinetts zu Dres-
den. Herausgegeben von der Generaldirektion der könig-
lichen Sammlungen. Dresden 1911.

Ein willkommenes Nachschlagebüchlein, alphabetisch geordnet
nach den Namen der Daigestellten, denen die Geburts- und Todesdaten
beigefügt sind. Die zehn Lichtdrucktafeln geben Porträte Goethes,
Talleyrands, der Malerin Luise Seidler, Balzacs und Liszts nach Karl
Vogel v. Vogelstein, dessen Sammlung den Grundstock des Bestandes
der Biidniszeichnungen des Dresdner Kabinetts bildet. Kants nach
V. H. Schnorr v. Karolsfeld, Schwinds nach YV. Friedrich Olivier und
endlich zwei Selbstbildnisse Wilhelm Leibls und eines Max Klingers
wieder. D. R.

Das Buch Biedermaier. Gedichte von Ludwig
Eichrodt und Adolf Kußmaul sowie von ihrem Vorbild,
dem »alten Dorfschulmeister« Samuel Friedrich Sauter.
Gesammelt und herausgegeben von Ludwig Eichrodt.
Neue, von Friedrich Eichrodt besorgte und von Eduard
Ille illustrierte Ausgabe. Stuttgart, K. Ad. Emil Müller.

Im Jahre 1845 erschienen zu Karlsruhe auf Kosten des Verfassers
»Die sämtlichen Gedichte des alten Dorfschulmeisters Samuel Friedrich
Sauter, welcher anfänglich in Flehingen, dann in Zaisenhausen war und
als Pensionär wieder in Flehingen wohnt«. Das Buch enthielt neben dem
Kartoffellied und dem Armen Dorfschulmeisterlein, die zu Volks-
liedern geworden sind, und dem Wachtelschlag, den Beethoven und
Schubert komponiert haben, gar manches, das in das Gebiet der un-
freiwilligen Komik zu fallen schien, so daß zwei poesiebegabte Freunde
aus dem feuchtfröhlichen Heidelberger Kreis Scheffels, Ludwig Eichrodt
und der spater so berühmt gewordene Arzt Adolf Kußmaul, im Jahre
1853 sich veranlaßt fühlen konnten zu einer scherzhaften Bearbeitung,
Um- und Weiterdichtung, der sie den Titel Buch Biedermaier gaben.
Sie fanden aber für das Büchlein keinen Verleger und so erschienen die
Gedichte, vereinigt mit denen des Buchbinders Treuherz und des Alten
Schartenmeiers, erst einige Jahre später, seit 1857, in den Fliegenden
Blättern. Auf die Fliegenden Blätter also geht das in jüngster Zeit so
in die Mode gekommene Wort Biedermaier mit allen seinen Ab-
leitungen zurück, wobei jedoch mindestens ebensosehr als die Gedichte
selbst die diesen beigegebenen Zeichnungen Illes, eines Schülers
Schwinds, von Einfluß gewesen sein dürften. Vischer schreibt über diese
Zeichnungen (Altes und Neues I. 118): »Mit eigentumlich kolbigen, dick
umrissenen, wie heraldisch ausgerollten Figuren trat Ille in die Reihe«
(der Zeichner der Fliegenden Blätter). »Grausliche Rittergeschichten . . .
waren seine Stärke, doch der eigentliche Höhepunkt die Typen aus der
Zeit der hohen Krawatten, aufgefaßten Ärmel, Hosentürchen, Kappen-
stiefel, der weiblichen kurzen Taillen und gebauschten Locken, und ganz

entfaltete sein erfindungslustiger Geist die Schwingen, als Eichrodts
unsterblicher Biedermayer sein Gegenstand und Inspirator wurde. Die
Versöhnung Preußens und der Schweiz zum Beispiel (1856)1, dieser
Preuße mit dem alten Kübeltschako und Federbusch, dieser Teil mit
Barett und geschlitztem Wams, ganz ein Ritterheld aus einem wandernden
Theater, dieser festonziehende Genius über dem Altar, griechisch im
Geschmack der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts: es war ja ganz und
gar köstlich«. Da Kußmaul sich wohl hütete, »als klinischer Biedermaier
vor seinen Studenten und Patienten zu figurieren«, wurden zwar die
Gedichte später von Eichrodt wiederholt in seine eigenen Gedicht-
sammlungen aufgenommen; als selbständiges Buch erscheinen sie aber,
mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung, jetzt zum ersten
Male. »Welch eine Freud', in einem Buch zu blättern,Das einenschönen,
festen Einband hat«, singt Hoiazius Treuherz, der Buchbinder. A. Trost.

i Zeichnung und Gedicht (»Wohlmeinende Friedens-Pyramide«),
2G. Bd. Nr. 605 der Flieg. Bl., fehlen übrigens in der vorliegenden
Ausgabe.

Julius Kurth, Sharaku. Mit 87 Abbildungen und
3 Faibentafeln. München, R. Piper & Co. 1910.

Im selben Verlag sindvonJulius Kurth,der heutzutage als der beste
deutsche Kenner des japanischen Farbenholzschnitts gelten darf, auch
die Monographie über Harunobu — sie findet sich in H. Smidts Aufsatz
über den Künstler in den »Graphischen Künsten« (1911, S. 61 ff.)
wiederholt genannt —, eine knappe Geschichte des japanischen Holz-
schnitts und, durch dieAbbildungen mit diesen beiden Werken verknüpft,
ein Büchlein: »Japanische Lyrik« (17. Bändchen der »Fruchtschale«
betitelten Sammlung) erschienen.

Umfang- und inhaltsreicher als diese Veröffentlichungen, die
größte Arbeit, die Kurth nach seinem epochemachenden »Utamaro«
geschaffen hat, ist sein Buch über Sharaku, mit dem der tätige Münchner
Verlag R. Piper & Co. seinen Japonica-Publikationen vorderhand die
bedeutendste angereiht hat.

Kurth stellt Sharaku, der von Japanern und Europäern bis vor
kurzem gleicherweise verkannt wurde, unter den japanischen Holz-
schnittmeistern höher als Harunubu, Utamaro und Hokusai. Es ist
Kurth gelungen, die älteste Quelle über den Künstler mit Hilfe anderer,
jüngerer zu rekonstruieren, sichere Datierungen zu finden und nicht weniger
als zweiundzwanzig Serien seiner Werke zu verzeichnen, die ungefähr
I 50 I'latter umfassen. Über neunzig dieser Blätter hat er selbst kennen ge-
lernt, zweiundsiebzig davon sind dem Buche als Abbildungen beigegeben,
darunter befinden sich dreiundzwanzig von den »vierundzwanzig großen
Köpfen auf dunkelm Silbergrund«, der wichtigsten Folge, die der Meister
geschaffen hat. Die Zeit seiner Wirksamkeit wurde von ein, zwei Jahren auf
wenigstens neun Jahre ausgedehnt. Am Schlüsse der achtziger Jahie des
XVIII. Jahrhunderts war Sharaku den andern Schauspielerdarstellern wie
Shunsho und Kiyonaga mindestens ebenbürtig. Im Jahre 1790 war erder
unbestrittene Führer auf dem Gebiete seiner Kunst und beeinflußte seine
Genossen sowohl durch seine Formensprache als auch durch seine Farben-
gebung aufs stärkste. Um das Jahr 1793 muß seine Beliebtheit auf dem
Gipfel gestanden sein. Die Volksschauspieler von Yedo jedoch, die er im
Gegensatz zur üblichen Idealisierung in drastischer Näturalistik darzu-
stellen gewagt hatte, führten seinen Sturz herbei. Sie konnten ihm, dem
ehemaligen No-Spieler Toshusai (das No-Spiel ist das mit Masken auf-
geführte hoffähige Mysterienspiel Japans und bildet den Gegenpol zu dem
nur von den untersten Ständen besuchten Volksschauspiel, bei dem es
keine Masken gibt), die Verachtung, mit der sie der Künstler Sharaku
behandelte, nicht verzeihen. Eine Folge ideal schöner Köpfe, die er unter
falschem Namen (Yenkyö) herausgab, konnte ihm die Gunst der Masse,
die aul der Seite ihrer von ihm verhöhnten Lieblinge, der Volksschau-
spieler, stand, nicht wieder zurückgewinnen.

An Gewalt des Ausdruckes und Pracht der Farben steht Sharaku,
der den Naturalismus, den Utamaro in seinen berühmten Tierbildern
hatte zu Worte kommen lassen, auf die Darstellung des Menschen über-
tragen und damit den Boden geheiligter nationaler Kunst verlassen hatte,
einzig da.
 
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