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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3753#0064
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— 00 —

a und jr1 (Abb. 10, 17). Sie wurden mit Recht der Schule von Verona zugewiesen- und stammen ebenfalls aus dem
Anfang des XV. Jahrhunderts.3 Ein Vergleich mit den entsprechenden Buchstaben unseres Alphabets macht uns die
Abhängigkeit unmittelbar klar. Trotz der Veränderungen, die der Italiener sowohl in der Komposition als auch in der
Haltung der einzelnen Figuren vorgenommen hat, zeigen die Buchstaben doch in den charakteristischen Zügen Über-
einstimmung. So ist beim (t (Abb. 16) der wilde Mann, wenn auch von vorn gesehen, beibehalten;4 auch findet sich
dasselbe Tier zu seinen Füßen und der Löwe mit dem langen Schweif in nämlicher Funktion. Die linke Seite
erscheint stärker verändert. Beim p (Abb. 17) kehrt links nur die im untersten Teil des Vertikalbalkens kniende Frau
wieder, wogegen die rechte Seite mit der vom Rücken gesehenen Frau und dem Bären die Abhängigkeit deutlich
erkennen läßt. Die beiden Zeichnungen stimmen im Stil mit einigen andern ebenfalls in den Uffizien befindlichen
veronesischen Zeichnungen überein5 und zeigen unser deutsches Vorbild — im Gegensatz zu den Kopien in
Bergamo — ganz in die italienische Formensprache übersetzt.

So zeigt uns dieser kleine Beitrag zur Entwicklung des Figurenalphabets von neuem, wie eng die Beziehungen
der oberitalienischen Kunst zur nordischen waren. Gerade um die Wende des XIV. und XV. Jahrhunderts, als die
Entwicklung der Kunst im westlichen Europa ein schnelleres Tempo einzuschlagen begann, tauchten in sämtlichen
Lokalschulen Norditaliens neue naturalistische Strömungen auf, die nicht allein auf eine autochthone Entwicklung
zurückzuführen sind. Daß sie im neuen Naturalismus der französischen Kunst ihre Wurzel haben, ist längst erkannt
worden. Aber nicht aus Frankreich allein, auch aus den Kunstzentren Deutschlands — wie unser Beispiel lehrt —
wurde der neue Stil nach Italien übertragen. Betty Kurt!:.

i Florenz, Ufflzien, Nr. 2264 und 22613. Einige andere Zeiehnungen von Figureninitialen, die sich ebenfalls in den Uffizien befinden, zeigen
einen wesentlich andern Stil und gehen ohne Zweifel auf ein anderes und spateres Vorbild zurück.

2 Julius v. Schlosser: Ein veronesisches Bilderbuch und die hofische Kunst des XIV. Jahrhunderts, Jahrbuch der kunsthistorischen Samm-
lungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Band XVI. — Pietro Toesca: Op. cit. L'Arte 1905.

3 Lehrs hat in seinem Katalog die Vermutung ausgesprochen, daß auch dieses a mit Benutzung des Kupferstichalpnabets vom Meister E. S.
ausgeführt sei. Wir müssen diese Annahme schon aus dem Grunde zurückweisen, als ja Stil und Technik der Zeichnungen mit ziemlicher Sicherheit
aui eine Entstehung in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts schließen lassen.

4 Der wilde Mann ist hier — vielleicht durch ein Mißverstehen der Vorlage — zu einer Art Riese mit einer Schwimmhose geworden. Sollte
nicht eine Darstellung von David und Goliath dem Künstler hier vorgeschwebt haben? Der Riese trägt eine Keule und der Knabe rechts scheint
eine Schleuder über der Schulter zu tragen.

'■> Abb. bei Julius v. Schlosser: Ein veronesisches Bilderbuch etc., Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiser-
hauses. Band XVI.

Kompositionen des Francesco Salviati in der italienischen Graphik des

XVI. Jahrhunderts.

ii.

Die Liste der namentlich bekannten italienischen Stecher nach Salviati ist mit den wenigen Blättern der Enea
Vico und Beatrizet erschöpft. Bartsch führt zwar den bekannten Stich der »Gelehrtenversammlung« (B. XV, 479)
auf eine Zeichnung Francescos zurück, aber wieder handelt es sich, wie Kristeller nachgewiesen hat, um eine Kopie
aus den bei Fr. Marcolini da Fori! 1540 verlegten »Ingeniöse Sorti« des Giuseppe Porta. Als der Kopist ist auch nicht
der schon 1527 umgekommene Marco Dente, sondern der Monogrammist S. K. zu betrachten. Um so deutlicher finden
wir hingegen alle Charakteristika des Meisters in drei offenbar zusammengehörigen und demselben Stecher zuzu-
weisenden Blättern, die Le Blanc dem Philippe de Soye oder Sericus (einem Schüler des Cornelis Cort) zuschreibt,
die aber der Stichmanier nach von einem italienischen Graphiker der vierziger oder fünfziger Jahre des Cinquecento
herrühren und dem Beatrizet wohl am meisten verwandt sind. Die seltsam bedeutende Darstellung des ersten
Menschenpaares nach dem Sündenfall (Abb. 1), deren mythologische Heiterkeit uns eigentümlich berührt, hat zu der
»Geschichte der römischen Kurtisane« wie zum »Tod des Meleager« deutliche Beziehungen. Die Gestalt des Adam
erscheint wie eine Abwandlung des Bewegungsmotivs der Kurtisane (vgl. auch die Hand mit dem abgespreizten Zeige-
finger); der linke Arm der Eva entspricht mitsamt dem stark markierten Fassen der Hand dem gleichen Motiv bei dem
sterbenden Meleager; ihren Typus vergleiche man mit jenem der im Profil gesehenen Frau im Hintergrund des Meleager-
Stiches. Wohl noch deutlicher wird die Verwandtschaft bei dem Gegenstücke: Adam und Eva beweinen den Tod des
Abel (der im Hintergrunde dargestellt ist) (Abb. 2). Hier wiederholt die Figur der Eva das Motiv der sich zu Meleager
niederbeugenden Frau, Abel erinnert an Meleager selber, die kleinfigurige Ermordungsszene an die ähnlich in den
 
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