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Als Terminus a quo für diese retrospektive Aus-
stellung war das Jahr 1875 angesetzt, was jedoch nicht
hinderte, daß auch einige wenige Blätter, welche in den
unmittelbar vorhergegangenen Jahren entstanden waren,
mitaufgenommen wurden, wie eine kleine Radierung
»Spanischer Eseltreiber« von dem so viel in Spanien und
England um die Mitte des XIX. Jahrhunderts tätig ge-
wesenen Egron Lundgren und die vier Radierungen
des Grafen Georg von Rosen mit historischen Motiven
des XVI. Jahrhunderts. Es waren dies die beiden großen
Blätter Göran Persson (1868) und Türe Jönsson (1869),
welche auf Glas radiert sind und eine eigentümliche
Wirkung haben, ungefähr wie Lithographien oder viel-
leicht eher — durch ihren vornehmen grauen Ton —
wie alte Silberstiftzeichnungen, und die in gewöhnlicher
Weise auf Kupfer tief und kräftig radierten »Die Rauferei«
(1870) und »»Die Taufe« (1874). Diese Radierungen Rosens
sind in ihrer Art vollgereifte Meisterstücke, ausgezeichnet
ebensosehr durch die sichere Harmonie der Komposition
wie die Kraft der Zeichnung und die Stärke der Menschen-
schilderung.
Im übrigen ist, wie gesagt, das Jahr 1875 als Aus-
gangspunkt gewählt worden. Damals wurden nämlich
drei ausländische Radierer, W. Unger und J. Klaus aus
Wien und der Holländer Leopold Lowenstam, einge-
laden, die von Lorenz Dietrichson, einem um diese Zeit
in Stockholm ansässigen Norweger, gegründete Zeitschrift
für bildende Kunst und Kunstindustrie mit Radierungen
zu zieren. Einige von den kleinen Radierungen, welche
Unger und Lowenstam zu diesem Zwecke ausführten und
die mit viel Feinheit holländische Malereien des National-
museums in Stockholm wiedergeben, sind auf der Aus-
stellung zu sehen gewesen. Lowenstam war der fleißigste
von den dreien und errichtete in Stockholm eine Radier-
schule, an welcher schwedische Künstler, sowohl ältere
wie J. W. Wallander und G. W. Palm als auch jüngere
wie Carl Larsson und Hugo Birger, teilnahmen. Der
Erfolg der Lowenstamschen Schule war aber wenigstens
anfänglich eben nicht groß. Größere Bedeutung hatte es
ohne Zweifel, daß schwedische Künstler wie der Architekt
Axel Herman Hägg (engl. Haig), der sich in London
niederließ, und A. T. Gellerstedt mehr auf eigene Faust
zu experimentieren und sich zu geschickten Radierern
auszubilden anfingen und daß andere Schüler von fran-
zösischen Radierern wurden, wie Reinhold Norstedt,
welcher 1878 bis 1881 unter A. Masson in Paris arbeitete
und während der achtziger Jahre einige kleine romantische
Landschaftsradierungen schuf, darunter eine nach Corot
und eine andere nach J. Ruysdael, hauptsächlich aber
behandelte er eigene Motive aus seinem idyllischen Ge-
burtsort Vingäker in Södermanland. In Paris bildete sich
auch als Radierer unser später so berühmter Architekt
Ferdinand Boberg, der 1886 Schüler von Rodriguez
war; seine großen prachtvollen Architekturblätter und viel-
leicht besonders seine stimmungsvollen Helldunkelstücke
(wie das Regenwetter am Seinekai mit Notre-Dame im
Hintergrund oder die Nachtbilder vom Stockholmer Hafen)
gehören zum Hervorragendsten in der schwedischen Gra-
phik. Die Lowenstamsche Schule gab jedoch immerhin,
wie gesagt, die erste graphische Anleitung einem Künstler
wie Carl Larsson, dessen graphische Produktion später
so vielseitig und imponierend werden sollte. Hauptsäch-
lich auf eigene Faust, wenn auch mit einiger Anleitung
von A. H. Hägg zu London, begann Anders Zorn 1882
seine Wirksamkeit als Radierer, welche besonders von
1889 an so reiche Früchte tragen und ihn zum Groß-
meister der schwedischen Graphik und zu einem der
Führer der ganzen europäischen Radierung machen
sollte.
Der Boden war also bereitet, als Gustaf Upmark
mit andern Freunden der graphischen Kunst, unter
welchen sich der jetzige Vorstand des Vereines, Märten
Sonden befand, am 4. Mai 1887 den Verein für graphi-
sche Kunst stiftete, der in demselben Jahre seine erste
Lieferung mit Radierungen (von F. Boberg, R. Haglund,
A. H. Hägg, R. Norstedt und A. Zorn") veröffentlichen
konnte und der seitdem jedes Jahr — ausgenommen
1902 und 1903, für welche eine Lieferung ausge-
geben wurde — an seine Mitglieder gute schwedische
Kunstblätter verteilt hat. Hauptsächlich sind, wie die vom
Verein ausgestellte Auswahl aus den sämtlichen vierund-
zwanzig Jahrgängen zeigte, Radierungen verteilt worden,
daneben doch aber auch Holzschnitte und Lithographien,
sowohl in Schwarz wie in Farben, und besonders hat sich
Carl Larsson, der die vornehmste künstlerische Stütze
der Vereines gewesen ist und an so vielen Jahrgängen
vom 'zweiten bis zum letzten teilgenommen hat, durch
große Farbenlithographien ausgezeichnet, wie den monu-
mentalen, in Freskostil gehaltenen »St. Georg« und das
reizende »Mädchen, das rote Goldbänder webt«. Zorn
hat viermal (1887, 1889, 1S93 und 1902/3) zu der Jahres-
mappe Radierungen beigetragen, unter welchen sich die
Meisterwerke »Die Zigarettenraucherin« und »Frau Gran-
berg« befinden. Alte und junge Künstler sind immer in
allen Jahresmappen vertreten gewesen, sowohl alte Tra-
dition wie neue frische und kühne Ansätze sind immer
dort zu finden gewesen.
Für die Entwicklung" der allerneuesten schwedischen
Graphik hat die vieljährige Lehrtätigkeit des in England
ausgebildeten Radierers Axel Tallberg eine sehr große
Bedeutung gehabt. Schüler von ihm sind sowohl ältere,
zu Persönlichkeiten schon ausgereifte als auch jüngere
Künstler gewesen; die erstgenannten vornehmlich in dem
Radierkurs, welcher 1895 bis 1896 an der Akademie ab-
gehalten wurde, die jüngeren hauptsächlich in seinen
privaten Kursen oder in der Radierschule, welche, vom
Reichstag 1908 bewilligt, an der Kunsthochschule der
Akademie seit Anfang 1909 unter seiner Leitung steht.
Gleichzeitig wurde (unter Leitung Gabriel Burmeisters)
die Vereinigung von jüngeren schwedischen Graphikern
gegründet, welche »Graphische Gesellschaft« heißt und
die hier besprochene Ausstellung veranstaltet hat.
Als Terminus a quo für diese retrospektive Aus-
stellung war das Jahr 1875 angesetzt, was jedoch nicht
hinderte, daß auch einige wenige Blätter, welche in den
unmittelbar vorhergegangenen Jahren entstanden waren,
mitaufgenommen wurden, wie eine kleine Radierung
»Spanischer Eseltreiber« von dem so viel in Spanien und
England um die Mitte des XIX. Jahrhunderts tätig ge-
wesenen Egron Lundgren und die vier Radierungen
des Grafen Georg von Rosen mit historischen Motiven
des XVI. Jahrhunderts. Es waren dies die beiden großen
Blätter Göran Persson (1868) und Türe Jönsson (1869),
welche auf Glas radiert sind und eine eigentümliche
Wirkung haben, ungefähr wie Lithographien oder viel-
leicht eher — durch ihren vornehmen grauen Ton —
wie alte Silberstiftzeichnungen, und die in gewöhnlicher
Weise auf Kupfer tief und kräftig radierten »Die Rauferei«
(1870) und »»Die Taufe« (1874). Diese Radierungen Rosens
sind in ihrer Art vollgereifte Meisterstücke, ausgezeichnet
ebensosehr durch die sichere Harmonie der Komposition
wie die Kraft der Zeichnung und die Stärke der Menschen-
schilderung.
Im übrigen ist, wie gesagt, das Jahr 1875 als Aus-
gangspunkt gewählt worden. Damals wurden nämlich
drei ausländische Radierer, W. Unger und J. Klaus aus
Wien und der Holländer Leopold Lowenstam, einge-
laden, die von Lorenz Dietrichson, einem um diese Zeit
in Stockholm ansässigen Norweger, gegründete Zeitschrift
für bildende Kunst und Kunstindustrie mit Radierungen
zu zieren. Einige von den kleinen Radierungen, welche
Unger und Lowenstam zu diesem Zwecke ausführten und
die mit viel Feinheit holländische Malereien des National-
museums in Stockholm wiedergeben, sind auf der Aus-
stellung zu sehen gewesen. Lowenstam war der fleißigste
von den dreien und errichtete in Stockholm eine Radier-
schule, an welcher schwedische Künstler, sowohl ältere
wie J. W. Wallander und G. W. Palm als auch jüngere
wie Carl Larsson und Hugo Birger, teilnahmen. Der
Erfolg der Lowenstamschen Schule war aber wenigstens
anfänglich eben nicht groß. Größere Bedeutung hatte es
ohne Zweifel, daß schwedische Künstler wie der Architekt
Axel Herman Hägg (engl. Haig), der sich in London
niederließ, und A. T. Gellerstedt mehr auf eigene Faust
zu experimentieren und sich zu geschickten Radierern
auszubilden anfingen und daß andere Schüler von fran-
zösischen Radierern wurden, wie Reinhold Norstedt,
welcher 1878 bis 1881 unter A. Masson in Paris arbeitete
und während der achtziger Jahre einige kleine romantische
Landschaftsradierungen schuf, darunter eine nach Corot
und eine andere nach J. Ruysdael, hauptsächlich aber
behandelte er eigene Motive aus seinem idyllischen Ge-
burtsort Vingäker in Södermanland. In Paris bildete sich
auch als Radierer unser später so berühmter Architekt
Ferdinand Boberg, der 1886 Schüler von Rodriguez
war; seine großen prachtvollen Architekturblätter und viel-
leicht besonders seine stimmungsvollen Helldunkelstücke
(wie das Regenwetter am Seinekai mit Notre-Dame im
Hintergrund oder die Nachtbilder vom Stockholmer Hafen)
gehören zum Hervorragendsten in der schwedischen Gra-
phik. Die Lowenstamsche Schule gab jedoch immerhin,
wie gesagt, die erste graphische Anleitung einem Künstler
wie Carl Larsson, dessen graphische Produktion später
so vielseitig und imponierend werden sollte. Hauptsäch-
lich auf eigene Faust, wenn auch mit einiger Anleitung
von A. H. Hägg zu London, begann Anders Zorn 1882
seine Wirksamkeit als Radierer, welche besonders von
1889 an so reiche Früchte tragen und ihn zum Groß-
meister der schwedischen Graphik und zu einem der
Führer der ganzen europäischen Radierung machen
sollte.
Der Boden war also bereitet, als Gustaf Upmark
mit andern Freunden der graphischen Kunst, unter
welchen sich der jetzige Vorstand des Vereines, Märten
Sonden befand, am 4. Mai 1887 den Verein für graphi-
sche Kunst stiftete, der in demselben Jahre seine erste
Lieferung mit Radierungen (von F. Boberg, R. Haglund,
A. H. Hägg, R. Norstedt und A. Zorn") veröffentlichen
konnte und der seitdem jedes Jahr — ausgenommen
1902 und 1903, für welche eine Lieferung ausge-
geben wurde — an seine Mitglieder gute schwedische
Kunstblätter verteilt hat. Hauptsächlich sind, wie die vom
Verein ausgestellte Auswahl aus den sämtlichen vierund-
zwanzig Jahrgängen zeigte, Radierungen verteilt worden,
daneben doch aber auch Holzschnitte und Lithographien,
sowohl in Schwarz wie in Farben, und besonders hat sich
Carl Larsson, der die vornehmste künstlerische Stütze
der Vereines gewesen ist und an so vielen Jahrgängen
vom 'zweiten bis zum letzten teilgenommen hat, durch
große Farbenlithographien ausgezeichnet, wie den monu-
mentalen, in Freskostil gehaltenen »St. Georg« und das
reizende »Mädchen, das rote Goldbänder webt«. Zorn
hat viermal (1887, 1889, 1S93 und 1902/3) zu der Jahres-
mappe Radierungen beigetragen, unter welchen sich die
Meisterwerke »Die Zigarettenraucherin« und »Frau Gran-
berg« befinden. Alte und junge Künstler sind immer in
allen Jahresmappen vertreten gewesen, sowohl alte Tra-
dition wie neue frische und kühne Ansätze sind immer
dort zu finden gewesen.
Für die Entwicklung" der allerneuesten schwedischen
Graphik hat die vieljährige Lehrtätigkeit des in England
ausgebildeten Radierers Axel Tallberg eine sehr große
Bedeutung gehabt. Schüler von ihm sind sowohl ältere,
zu Persönlichkeiten schon ausgereifte als auch jüngere
Künstler gewesen; die erstgenannten vornehmlich in dem
Radierkurs, welcher 1895 bis 1896 an der Akademie ab-
gehalten wurde, die jüngeren hauptsächlich in seinen
privaten Kursen oder in der Radierschule, welche, vom
Reichstag 1908 bewilligt, an der Kunsthochschule der
Akademie seit Anfang 1909 unter seiner Leitung steht.
Gleichzeitig wurde (unter Leitung Gabriel Burmeisters)
die Vereinigung von jüngeren schwedischen Graphikern
gegründet, welche »Graphische Gesellschaft« heißt und
die hier besprochene Ausstellung veranstaltet hat.