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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3754#0037
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MITTEILUNGEN

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE'

1913.

WIEN.

Nr. 2.

Studien und Forschungen.

Andrea Solanos Handzeichnungen.

Zeichnungen von Andrea Solario gehören wohl zu den größten Seltenheiten. Morelli wußte seinerzeit in den
kunstkritischen Studien: Die Galerie Borghese1 nur von einem einzigen Blatte zu berichten, welches sich in der
Akademie in Venedig befinde und einen flüchtigen Federentwurf zu seinem Bilde Maria Himmelfahrt in der Sakristei
der Certosa von Pavia darstellen soll. Allein ein auch nur oberflächlicher Vergleich mit den echten Zeichnungen
läßt diese Annahme hinfällig erscheinen, selbst wenn man den hier hauptsächlich dagegen sprechenden Grund, daß
die beiden Kompositionen von Bild und Zeichnung gar nichts Gemeinsames haben, nicht heranziehen wollte. Morelli,
dem diese für die mailändische Schule etwas befremdende Art vielleicht auch nicht ganz zusagte, erklärte sich das
Sonderbare mit der Annahme, daß Andrea Solario das Zeichnen von seinem Bruder Cristoforo, dem Bildhauer, gelernt
habe. Das konnte sich aber, wenn es schon der Fall war, nur auf seine Jugendzeit beziehen, während das Himmel-
fahrtsbild doch in seine Spätzeit fällt, wie Morelli selbst sagt, nach 1515. In derselben Sammlung befindet sich noch
ein zweiter Entwurf zu einer Himmelfahrt Mariae, welche gleichfalls dem Solario zugeschrieben wird, und auf die
mich seinerzeit Herr Karl Kuzmany freundlichst aufmerksam machte. Die Typen sowie die Mache erinnern in der
Tat an den Meister, aber Beziehungen zu dem Certosa-Bilde lassen sich auch darin nicht entdecken.

Indessen hat die Forschung seit Morelli einige sicher beglaubigte Zeichnungen des Meisters, der Lionardo in
Modellierung und technischer Fertigkeit so nahe stand, sonst aber in seiner Entwicklung die verschiedensten äußeren
Einflüsse aufnahm, nach und nach herausgefunden und festgestellt, welche ich hier chronologisch zusammenzustellen
versuche und an welche ich gleichzeitig zwei neue, hervorragend gute Studien aus der Albertina (Abb. S. 35) und aus
den Uffizien (Abb. S. 37) anschließen möchte.

Als evident sicher gilt zunächst eine Beweinung Christi im British Museum (Sammlung Malcolm),2 nach
meiner Meinung wohl die frühest nachweisbare. Ferraresische Formen in Bewegung und Geste, lionardeske Köpfe
mischen sich mit eigener Erfindung. Die weibliche Figur links mit ausgebreiteten Armen und stark betonter
Kniebewegung hat ihre Urform in dem heute nur fragmentarisch erhaltenen Kreuzigungsbilde des Ercole di Grandi,3
und zwar in der Frauengruppe unter dem Kreuze; nur schreitet die Figur von rechts nach links. Sonst ist die
Komposition noch schematisch aufgebaut, streng symmetrisch nach diagonaler Gliederung; das untere Dreieck gehört
der Pietä, das linke und rechte den Leidtragenden, das obere der Landschaft.

Der Zeit nach fällt die Zeichnung wohl nach dem Pariser Kreuzigungsbilde, also nach 1503. Auch in diesem
Gemälde (Andreas Mediolanus signiert, also fern von Mailand geschaffen) finden wir Entlehnungen aus Ercole
Roberti. Die Frau im Mittelgrunde, rechts hinter dem Kreuze, welche an der Linken ein Kind führt und mit der
Rechten das Überkleid emporhält, notierte sich Solario aus dem »Zug nach Golgatha« (Dresden).1 Technisch

1 Morelli, Galleria Borghese und Dona Panfili S. 224.

2 London, IUI. Seh. 66, 1805, 9, 15, 771; publiziert von Karl Loser im Arch. storico d. A.
Malcolm.

a Heute befindet sich dieser Kreskorest im Besitze B. ßerensons in Fiesole.
* Katal. d. Gemaldeg. zu Dresden 1899, S. 41, Nr. 45.

897, p. 356 u. Abb. p. 353: I <

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