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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3754#0022
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Auch in unseren Tagen haben mehrere hervor-
ragende schwedische Graphiker sich im Ausland aus-
gebildet, so, um nur einige Beispiele zu nennen, der
Radierer und Lithograph Ernst Norlind, der Holz-
schneider Carl 0. Petersen und die Holzschneiderin
und Radiererin Harriet Sundström, ein Trio, das, als
in Dachau ausgebildet, sozusagen eine schwedische
Dachauer Schule bildet.

Den vornehmsten Schmuck dieser von jungen tüch-
tigen Künstlern veranstalteten Ausstellung bildeten die
Sammlungen, welche zwei berühmte ältere Künstler ein-
gesandt hatten: Zorn und Carl Larsson. Beide traten
mit vielen ganz neuen Arbeiten auf, Blättern, welche eine
merkwürdige Jugendfrische offenbaren und zu den her-
vorragendsten Schöpfungen ihrer Meister gehören und
das will, wie bekannt, nicht wenig sagen! Zorn hat unter
anderem 1911 drei prachtvolle Typen von alten Dale-
karliern radiert: Mora kyrkstöt (Kirchendiener), Djos-
Mats und »Ein alter Soldat», Greise, die mit so verschie-
denem Ausdruck uns aus ihren weißen Schafpelzen ent-
gegenblicken. Besonders geistreich radiert scheint mir
der alte Soldat, welcher sich halb rückwärts lehnt mit
einem leuchtenden, ruhigen Humor in den Augenwinkeln
— ein Blatt von einer sehr Rembrandtischen Haltung —
und der Kirchendiener, welcher mit seinen tiefen, kräftig
geätzten Strichlagen sich zu den am meisten typischen
Arbeiten in des Meisters Werk gesellt. Einen ziemlich
starken Kontrast hierzu bildet die auch 1911 ausgeführte
Halbfigur »Mona«, Zorns alte Mutter, stehend, ganz en face,
in ihrem weißen Morapelz, ein Bild, das mit seinen wenigen
blassen Strichen (wohl schwächere Säure?) von einer
großartigen Einfachheit und Kraft ist. Dieses innige und
monumentale Bild von Zorns alter stattlicher Mutter wird
ganz gewiß unter die Hauptblätter seiner Kunst gerechnet
und von Sammlern sehr gesucht werden. Unter den neuen
Blättern Carl Larssons strahlt wie ein Stern erster
Ordnung eine Aktstudie einer sitzenden Frau, die ihren
Arm in einer kühnen Verkürzung über die Brust gegen
die Achsel drückt und den Beschauer mit dem rätsel-
haften Ausdruck eines halb unbewußten Naturwesens
anstarrt. Es ist eine Figur, welche fast nur mit einer
Kontur gezeichnet ist, aber welch einer Kontur! Sie gibt
die Geschmeidigkeit des jungen Körpers, die Weichheit
und Rundung seiner Formen mit überlegener Feinheit
und Kraft wieder.

Das Profilbild des Kunsthistorikers Axel Romdahl
ist ebenso ähnlich wie amüsant in seinen dunklen,
saftigen, wirbelnden Linien, die Radierung »Wasserlilien«
entzückend in ihrer feinen Gegenüberstellung von zwei
Tönen: im Vordergrund ein nackter Junge bei einer Gruppe
Lilien, im Hintergrunde, blaß vertönend, die kleine schöne
Insel, welche die Freunde Carl Larssons z. B. aus seinem
Aquarell Vikingerzug schon kennen.

Jetzt aber zu den Jungen, unserer letzten Generation
von Graphikern! Der Totaleindruck ist der frisch wachsen-
den Lebens von großer Vielseitigkeit. Man merkt hie und

da Einflüsse von der besten graphischen Kunst der Gegen-
wart: Zorn, Brangwyn, Nicholson, ja auch von altdeutscher
Holzschneidekunst und Japan; die fremden Eindrücke sind
aber im allgemeinen wohl verdaut. Zu unseren besten
Figurenradierern gehören Torsten Schonberg und
Eigil Schwab, beide hochbegabte Künstler und Humo-
risten, vielleicht am meisten bekannt durch ihre Beiträge
zu Witzblättern. Schwab gewann 1907 bei einem Wett-
bewerb, der vom Verein für graphische Kunst veranstaltet
wurde, einen Preis mit dem Studienkopf eines Jünglings,
vortrefflich, breit und frisch radiert. Er hat später mehrere
ähnliche Blätter geschaffen, deren Komposition — ein
großer Kopf in einem engen Rahmen, den er beinahe füllt,
gestellt —■ an die mit Recht berühmten Bildnisradierungen
des deutschen Meisters Stauffer-Bern erinnert; doch sind
Schwabs Blätter reine Radierungen, während Stauffer-Bern
gewöhnlich eine mehr detaillierte Technik mit vieler An-
wendung der kalten Nadel gebraucht. Der Künstler zeigt
jetzt einige sehr humorvolle, stark grimassierende Köpfe
und das ernsthafte Porträt eines Kameraden (Agren), ganz
en face gestellt, das mir als der Höhepunkt seiner bis-
herigen Wirksamkeit erscheint, eine wirklich hervor-
ragende Radierung. Schonberg scheint 1908 zu radieren
angefangen zu haben; damals entstand ein rasch hin-
geworfenes Selbstporträt, das mit seinen wenigen groben
Strichen fast wie ein Holzschnitt wirkt, zusammen mit
einer sehr drastischen Karikatur Zorns und einem sehr
energischen Profilbild S. von Kochs. Seitdem hat er einige
wenige recht ungleichmäßige Sachen produziert, mit
einem großen Selbstporträt aber vom Jahre 1911 ist er
mit einem Mal auf einen der ersten Plätze in unserer
Radierkunst emporgerückt. Man sieht den Künstler in
seinen schweren Überzieher gehüllt draußen im Winter-
schnee stehend, mit Zeichnen beschäftigt, und zwar mit
einem gespannten Gesichtsausdruck, der verrät, daß seine
Kunst ihm der tiefste Ernst ist. Die Figur ist mit großer
Ehrlichkeit und vortrefflich gezeichnet und charakteri-
siert; der dunkle Überzieher, in einer Technik ausgeführt,
die etwas an Zorn erinnert, macht eine prächtige, tiefe
Wirkung gegenüber dem weißen Schnee und dem mit
einigen knappen, sicheren Strichen angedeuteten Hinter-
grund mit seinem Felsen und den drei kleinen Schlitt-
schuhseglern. Das ebenfalls 1911 ausgeführte Blatt »Die
Goldkarosse« ist ein recht lustiges und phantasiereiches
Blatt mit guter Märchenstimmung, vielleicht aber ein
wenig verschwommen in seiner Wirkung. Ein sehr
begabter Figurenradierer ist auch Ernst Hällgren, der
sich, obgleich ganz jung, schon sowohl in Rothen-
burg ob der Tauber wie in Schottland umgesehen hat.
Eine große Radierung, »Alte Frau in einer Küche«, hat
eine so stille, feine Stimmung und ist koloristisch so schön,
daß man an die Malereien Anna Anckers und anderer
dänischer oder sogar altholländischer Interieurmaler
denken muß. Das Profil einer alten verschnupften Frau
aus dem Volke ist rührend in seiner Treue, und ein
anderes Profil, das eines alten Schnapstrinkers, ist nicht
 
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