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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3754#0050
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durch Laguillermie. Sein großes Blatt »Die Hochzeit
von Kana« nach Veronese ist eine ausgezeichnete Leistung.
Die Lithographie wird nur wenig gepflegt und
scheint fast sich überlebt zu haben. Außer Leandre, der
das entzückende Bild einer alten Frau eingeschickt hat,
wären nur einige Namen zu nennen: Colas, Delaroche,

Neumont, P. L. Poseier, Albert Philibert. Broquetet,
Desgranges, Desire Lucas u. A.

Der im Rahmen dieses Salons veranstalteten Gedächt-
nisausstellung für Leopold Flameng schließlich ist
schon an anderer Stelle dieser Zeitschrift (vgl. S. 22)
gedacht worden. Clement-Janin.

Besprechungen neuer Erscheinungen.

Prestel- Gesell schaff, Frankfurt am Main.
Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett des
großherzoglichen Museums zu Weimar, I. Serie, heraus-
gegeben von Hans von der Gabelentz, 1912. Großfolio.

Wenn Verleger und Musealleiter vereint sich entschließen
könnten, etwas Opfermut an die Sache zu wagen, es wäre noch so
mancher reiche Ouell an Handzeichnungen anzuzapfen. Aber wahrend
von unklugen Unternehmern gewisse Meister immer wieder und in
immer billigeren Ausgaben ins Publikum geworfen werden, bleiben ganze
Sammlungen mit unberührten Schätzen verschlossen: Erlangen,
Darmstadt, Dessau, Braunschweig und andere mehr schlummern
noch den Dornröschenschlaf und warten des Ritters.

Als ich vor mehreren Jahren einen Kollegen überredet hatte, in
Deutschland ein ähnlich bescheidenes, aber zusammenfassendes Unter-
nehmen zu schaffen, wie es die Albertina-Publikation für Österreich war,
ei lebte ich wohl die Freude seiner Begeisterung und seines rüstigen
Planens, alles ans Werk zu setzen, allein das prozentrechnende Verleger-
tum ließ ihn im Stiche, nachdem es zuvor in protzenhafter Weise einen
Prospekt ausgesandt hatte. Und so verbleibt den Freunden der Hand-
zeiebnungen, den Sammlern und Forschern nur die Wahl, entweder —
so wie in den guten alten Zeiten — mit dem Notizbüchlein in der Hand
jene Statten zu besuchen oder geduldig zu warten.

Als eine gesunde Abwehr und zugleich eine Art Selbsthilfe gegen
diese beklagenswerten Zustände mußdasAuftretcn der Prestel-Gesell-
schaft in Frankfurt hegrüßt weiden, die sich mich englischem Muster
durch ihre Mitglieder die Mittel schafft, hervorragende Sammlungen zu
publizieien. Der Anreger zu dieser Idee war Rudolf Schrey in Frank-
furt, der seine geschäftlichen und fachlichen Erfahrungen in der
uneigennützigsten Weise zur Verfugung stellte unJ, ohne den Samm-
lungsvorständen irgendwie vorzugreifen, tätig im Hintergrund steht.
Dadurch kommen die letzteren — die Eitelkeit spielt nun einmal im
Leben eine Rolle — in die Lage, ihre Schätze selbst, aber auch unter
ihrer eigenen Verantwortung, herauszugeben, und zweitens hat diese
Einrichtung auch die Vorteile rascher Förderung füi sich. Ein Mißgriff in
der Auswahl ist noch immer nicht so schlimm als die verzettelnde
Fuhrung durch ein Komitee.

Die Gesellschaft zählt heute bereits mehr als 200 zahlende Mit-
glieder, die für wenig Geld das denkbar Beste erhalten. 30 Großfoüo-
hlätter mit Faksimiledrucken für einen Mitgliedsbeitrag von 30 Mark
sollen aber durchaus nicht einen Druck auf die sonstigen Verlegerpreise
bedeuten, sondern nur als das natürliche Ergebnis einer zusammen-
wirkenden Kunstgemeinde aufgefaßt werden.

Den Reigen eröffnet das großherzogliche Museum in
Weimar, dessen alter Stock noch bis in die neueste Zeit herein Ver-
mehrungen erfuhr. Noch 1883 (De Vos), 1885 (Van Gogh) und 1889
iKlinkosch) wurden vorzügliche Blätter erworben. H. von der Gabe-
lentz lieferte die Auswahl sowie den für ein so groß angelegtes Unter-
nehmen allerdings etwas kurzen Text, der sich, übertrieben bescheiden,
s.imi den snnst so notwendigen Blattnummern unter den Lichtdrucken
versteckt. Eine zweite Serie wird 1913 den Schluß der Weimarer
Sehätze bilden.

Die erste Mappe mit Prachtstücken wie Dürer, Lucas van Leyden,
Rubens, Rcmbrandt, Allori und andere mehr, von denen manche schon
anderweitig, aber lange nicht in dieser Exaktheit erschienen waren.

enthalt auch viel neues Foi sehungsmaterial, das in mancher Beziehung
einer Ergänzung, eventuell einer Richtigstellung bedarf.

So ist 1,12,angeblich deutscher Meister um 14S0, nach meiner
Meinung wohl ein Niederländer. Kostümliche Eigentümlichkeiten wie
zum Beispiel diese Art der Sendelkappe des links oben stehenden
Mannes, die Form der Gugel mit dem kurzen Schulterteil des vorne in
der Mitte Sitzenden lassen sich eher in der Schule des Van Ouwater
finden. Diese Modeeigenheiten sowie die noch streng vertikal geführte
Pinselspitze in den noch leichten Schatten nötigen auch zu einer
früheren Datierung etwa nach 1440.

Das Porträt einer jungen Frau von Lucas van Leyden iL 25)
läßt sich zeitlich (1521) und technisch an das Stockholmer männliche
Bildnis (Albertina-Publikation 869) anschließen, so daß man fast an
Gegenstücke denken könnte. Auch das letztere Blatt hatte einmal Folio-
größe, jene Form für Porträtzeichnungen, wie sie seit Dürers zahlreichen
Kohle-Köpfen in den Niederlanden nach 1520 in Brauch kam.

Die unter Holbein dem Älteren publizierten zwei Porträtköpfe
in Silberstift (I, 7 und 8) weichen von der Griffel führ ung der vielen zum
Vergleich dienenden Berliner Zeichnungen wesentlich ab. Die Schraf-
fierung in den echten Blättern besteht in klaren, parallelen, meist ver-
tikalen Strichen, die Modellierung des Fleisches sitzt auf einem wohl-
verstandenen Schädelbau, wahrend in den Weimarer Zeichnungen
die Köpfe ein schwammiges, durch eine diffuse Schattierung schlecht
modelliertes Gepräge aufweisen. Hier kann man nicht mehr von Sciten-
stücken sprechen, sondern nur von alten Kopien oder von Zeichnungen
eines schwachen Augsburgischen Gehilfen. Man beachte doch nur in
dem unteren,Blatte den Haaransatz am rechten Mönchskopfe.

Das umstrittenste Blatt der Mappe wird wrohl die sogenannte
Durcr-Zcichnung (I, 6) mit den Pelzstudien bleiben, die von Lippmann
verworfen, von Gabelentz und neuester Zeit auch von Gustav Pauli
(Kunstchronik 1912/13, Nummer 5, Seite 79) Dürer wieder zuerkannt
wurde. Man brachte sie mit den Draperiestudien von 1521 (L. 54, 69,
128, 154, 161) in Verbindung und verlegte sie daher gleichfalls in die-
selbe Zeit. Allein auch der genaueste Vergleich ermöglicht es nicht,
diese Zeichnung gerade in der genannten Gruppe unterzubringen. Sie
fallt technisch völlig heraus. Kreide oder Kohle auf rot grundiertem
Papier können wir für diese Zeit trotz des nicht gerade armen Zeich-
nungsmaterials nicht finden. Rotgetöntes Papier mit Kohlezeichnung
ist nur 1503 (Liechtenstein, L. 163) vorübergehend nachweisbar, sonst
nicht mehr.1 Und Dürer war in dieser Beziehung sehr konsequent.
Alle die herangezogenen Draperiestudien dagegen weisen jenes solid
grundierte grüne Papier auf, zu dem Dürer nach seiner niederländischen
Reise wieder griff, als er seine beiden großen Gemälde: die Kreuzigung
v\u\ das Madonnenbild mit Heiligen projektierte.

Wenn wir schon eine Periode aus Dürers Entwicklung heran-
ziehen dürfen, so ist es die Zeit von 1502 bis 1504, wohin uns eben das
Liechtenstein-Blatt weist und wo Dürer sich mit dem Paumgartner-Altar
und der Uffizienanbctung befaßte. In dem ersteren hätten wir auch
anbetende Frauen (seit der Restaurierung) und in dem letzteren weit-
gehenden Pelzschmuck an einem der heiligen drei Konige. In diesen
Jahren stellte sich Dürer auch die Aufgabe, stofflichen Schwierigkeiten
mit allem Fleiße nachzugehen (der junge Hase, das Rasenstück, die

1 L. 402 ist bekanntlich nicht von Dürer, sondern von Wolf
Huber und L. 209 eine Kopie nach dem Louvre-Blatt (L. 308).

EBB
 
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