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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.4207#0029
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1

— 25

Ausstellungen.

Paris. Die graphischen Künste auf den Salons
1913. — I. Societe Nationale. Um nicht immer wieder
denselben Rundgang zu machen, bei dem man immer
wieder dieselben Eindrücke empfängt, wollen wir diesmal
die ganz bekannten Graphiker beiseite lassen, über die
uns die gegenwärtige Ausstellung nichts Neues lehrt.
Lepere, immer meisterhaft, Paul Emile Colin, ungleich,
aber immer anziehend, H. Riviere mit wirkungsvoll be-
leuchteten Ansichten aus der Bretagne, Leheutre, zart,
doch nicht kraftlos, Jeanniot, Laboureur, Gaston de
Latenay, Edgar Chahine, Jacques Beurdeley,
Eugene Bejot, Jacques und Camille Beltrand,
Raffael 1 i und andere — das sind alles bekannte Künstler,
und wir wollen daher lieber von denen sprechen, die es
weniger sind. Da ist Jean Frelant, ein Radierer, der es
verstanden hat, die Poesie der Bretagne mit entzückender
Feinheit wiederzugeben, ohne dabei irgendwie den
Charakter der Landschaft abzuschwächen; eine dichte-
rische Seele, ganz in sich gekehrt, eine Seele von der Art
Carrieres, aber weniger geheimnisvoll und weniger schwer-
mütig. Dann Ch. Hey man, der von Legros ausgegangen
war und dann unter den Einfluß Meryons gekommen ist,
aus dieser seiner Lehrzeit aber jetzt nur mehr das Be-
dürfnis beibehalten hat, seine Gedanken in eine strenge,
gefeilte Form einzuschließen. Früher ein Schilderer der
Stadt Paris und ihres Weichbildes hat er sich nun einen
besonders zeitgemäßen Vorwurf gewählt: die Eisen-
bahnen. Man sollte es kaum glauben, wieviel ein Radierer
aus diesen Örtlichkeiten holen kann, wo die Geometrie
herrscht, wo aber auch der Dampf und der Rauch, die die
Luft erfüllen, erstaunliche Licht- und Farbenstimmungen
schaffen. Ein sehr begabter Radierer, für den es keine
Schwierigkeiten der Technik gibt, ist Ch. Jouas; des-
gleichen Rene Pinard, dessen großes Blatt, den Hafen
von Nantes vorstellend, auch vortrefflich komponiert ist.
Wir nennen noch Fräulein B. Züricher und ihre farbigen
Holzschnitte, Amedee Joyau, Edmond Kayser, den
Holzschneider Rally, Webster, Vergessarat, Arming-
ton, H. Lespinasse, E. Delätre u. A. Nicht vergessen
seien schließlich die Rückblickausstellungen für zwei
vor kurzem verstorbene Künstler: die eine für Henri
Paillard, den geistvollen Holzschneider und Radierer,
die andere für Lefort des Ylouses, dessen gepreßte,
farbige Blätter der Malerei und dem Flachrelief verwandt
sind. —II. Les Artistes francais. Hier haben wirOriginal-
graphik und reproduzierende Graphik, und zwar von Jahr
zu Jahr in immer gleichmäßigerer Verteilung, bis in nicht
zu ferner Zeit, nach einem unerbittlichen Gesetz, die
Originalgraphik über die reproduzierende Graphik die
Oberhand gewonnen haben wird. Unter den reproduzieren-
den Holzschnitten stammt das beste Blatt von einem
Künstler, der auch als Originalholzschneider tätig ist:
Eugene Dete. Er hat mit großer Freiheit und mit feinem
Gefühl für das, was zu opfern ist, den »Weiher« Daubi-

gnys übertragen. Mathieu dagegen klebt in seinem
Holzschnitt nachJordaens sklavisch an der Photographie;
Derbier (»Die Römer der Verfallszeit«, nach Couture) ist
eintönig und kalt. Unter den Originalholzschnitten ist die
einzige bedeutende Arbeit das kräftige Helldunkelblatt
von Chalandre: »Die'Nievre bei Nevers«. Sonst wären
hier allenfalls noch zu nennen: Lefevre, Vedier und
Baudier und die Damen Lance und Bories-Clot. In
der Abteilung der Lithographien, wo früher ausschließlich
reproduzierende Arbeiten zu sehen waren, überwiegt jetzt
weitaus die Original-Lithographie. Dennoch ist die Ehren-
medaille, die höchste Auszeichnung dieses Salons, einem
reproduzierenden Lithographen zugefallen: Firm in
Bouisset, der Rembrandts Fahnenträger sehr gewissen-
haft und vielleicht allzu gewissenhaft auf den Stein ge-
zeichnet hat. Unter den Original-Lithographien finden wir
einen sehr schönen »Normannischen Bauern« von Lean dre
und ein sehr gut komponiertes Blatt von Hazard:
»Psyche bei den Bauern«. Zahlreich sind die Bildnisse
und Studienköpfe, von Desire Lucas, Colas, Desgran-
ges, Boisgontier u. A. Eine schöne Landschaft in
zwei Tönen hat Albert Philibert ausgestellt. Selbst
der Linienstich erscheint hineingerissen in den Tanz der
Originalgraphik. Dieses peinlich sorgfältige, etwas schwer-
fällige Verfahren ist zwar mehr für die Reproduktion ge-
eignet, allein wir leben ja in einer Zeit, der Zucht und
Ordnung fremd geworden sind. In Wahrheit hat übrigens
der Linienstich aufgehört zu existieren. Was man heute
so nennt, ist eine sehr ausgeführte Radierung, die man
mit dem Grabstichel vollendet hat. Dezarrois verdient in
seinem weiblichen Bildnis nach Marcel Baschet noch am
meisten den Namen eines Stechers; er versteht es auch
in sehr schicklicher Weise das ausgesparte Weiß des
Papiers zu benutzen. Crauk (nach Bonnat), Busiere
(Bildnis Frau Seriziats nach David), Mayeur (nach
Prud'hon) sind ebenfalls tüchtige Stecher. Auch Coppier
versteht seine Technik aus dem Grunde, aber das diesmal
von ihm ausgestellte große Blatt ist eine seiner weniger
gelungenen Arbeiten. Sonst sind hier noch zu erwähnen
Marcadier mit zwei hübschen Kinderbildnissen, Fräulein
Yvonne Mignon mit einem Blatt »Esther und Ahasver«,
das technisch gut, aber als Komposition schwach ist,
Fritel mit einer gedankenreichen »Bellona« und Peccard.
Die Radierung, die mit ihrer leichten Beweglichkeit am
meisten beeinflußbar erscheint, steht diesmal, wenn nicht
alles trügt, im Zeichen Brangwyns. Von Fremden
schließen sich an ihn an Affleck, Fitton, Axel Haig,
von Franzosen u. A. Pinet und Frau Jouvet-Magron;
übrigens ist zuzugeben, daß Brangwyns gewaltsame
Lichteffekte sehr gut zum Wesen der Radierung passen.
Schon seit mehreren Jahren hat sich Lucien Gautier
als Radierer bemerkbar gemacht. Sein Fach sind so-
zusagen heroische Architekturblätter. Im vorigen Jahre
sahen wir von ihm Notre Dame und die Kathedralen von
 
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