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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0007
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»stellt.

sind benützt, beide zeigen ganz
ähnliche Zeichnungen, sie sind
nicht Vorzeichnungen zu dem Lon-
doner Bild, sondern offenbar der
eigentlichen Komposition voraus-
gegangene Gedanken. Die Rötel-
zeichnung der Rückseite (Abb. 2)
zeigt kaum merkliche Andeutungen
der Hieronymusgestalt. Johannes
scheint zu sitzen; die Haltung des
Oberkörpers entspricht in der
Hauptsache der des Bildes, wirkt
aber steif und unbelebt, da die
Neigung nach vorn, aus der Ebene
heraus, fehlt. Die Madonna steht
auf den Wolken und hält das Kind
im linken Arm, ihr Blick ist abwärts
gerichtet, ihre Gestalt wirkt über-
lang. Dadurch ist der Kopf der
Madonna so sehr von Johannes
entfernt, daß der geistige Zusam-
menhang weniger deutlich ist als
auf dem Bilde. Ursprünglich sollte
das Kind wohl links sein, wo man
die Umrisse noch sehen kann. Die
Vorderseite der Londoner Zeich-
nung (Paeder, braun laviert, Abb. 4)
zeigt uns dieselbe Anordnung und
Raumverteilung. Hieronymus ist
deutlich sitzend ausgeführt, Jo-
hannes, mit dem Rücken gegen den
Beschauer, ist ins linke Knie ge-
sunken und erhebt die Arme zu
Maria, doch wendet er den Kopf
von ihr weg aus dem Bilde heraus.
Eine Zeichnung des Louvre (Feder,

braun laviert, 15 8 X 94 cm) zeigt die Komposition der Madonna mit dem Kind in einem entwickelteren Stadium als
die Londoner Zeichnungen. Das Kind ist tiefer gestellt und die starke Überschneidung des rechten Armes der Madonna
schon beseitigt, doch stützt die rechte Hand die Füße des Kindes. Gleichfalls im Britischen Museum (Doubtful
Cracherode, Nr. 44; Feder, 217 X li'5 cm; Abb. 3) findet sich der Entwurf einer auf Wolken stehenden Madonna
mit Kind. Es scheint höchst wahrscheinlich, daß auch diese Zeichnung in die vorbereitenden Skizzen zur Vision
des Hieronymus gehört; es ist das gleiche lockere Stehen, fast Schweben auf den Wolken und der gesenkte
Kopf mit dem Blick nach unten. Der rechte Arm überschneidet die Brust, um das Kind zu halten. Einen
entscheidenden Fortschritt in der Komposition zeigt die Zeichnung in der Albertina in Wien (Scuola Lomb. 59;
Feder, braun laviert, weiß gehöht; 203 X 13 cm), auf welcher die Madonna nicht mehr stehend, sondern auf
Wolken sitzend dargestellt ist. (Die Gruppe in ihrem Gesamtumriß ist der des Bildes sehr ähnlich, doch sind
die Stellungsmotive in Einzelheiten variiert1.) Diese Veränderung ist für das Bild von größter Bedeutung, denn
erstens wurden die beiden Hauptfiguren größer und wirken dadurch monumentaler, als es bei dem ursprüng-
lichen Entwürfe (stehende Madonna) hätte sein können, und zweitens wurde der Kontakt zwischen Johannes
und Madonna viel intensiver, da diese Veränderung der Stellung die Entfernung zwischen ihren Köpfen verringerte.

Die bisher besprochenen Blätter als solche und in ihrem Verhältnis zum Bilde sind sehr charakteristisch
für Parmigianinos Art zu zeichnen und für seine Arbeitsweise. Er zeichnet ziemlich sparsam mit wenigen Linien,
die aber die ganze Form wiedergeben. Obgleich die Umrisse nur flüchtig angedeutet sind und die Modellierung
der Köpfe nur wenig durchgeführt ist, kann man sich doch eine Vorstellung der ausgeführten Gemälde machen.

Abb. 5. Parmigianino, Grablegung.

Gemälde. St. Petersburg, Ermitage.

Das Blatt hat dadurch an Reiz verloren, daß eine spätere Hand Augen und Mund der Madonna sowie die Haare des Kindes verstärkt hat.
 
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