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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0029
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1915. WIEN. Nr. 2.

Studien und Forschungen.

Notizen über holländische Zeichner des XVI. Jahrhunderts.

I. Pieter Cornelisz.

Es ist das Verdienst Dülbergs (Oud Holland, XVII, p. 66, A. 1), das Monogramm P C, das eine Folge von fünf
Federzeichnungen mit Werken der Barmherzigkeit im Berliner Kupferstichkabinett, die 1524 und 1532 datiert sind,
aufweist, richtig gedeutet zu haben auf Pieter Cornelisz' Kunst, des ältesten Sohnes des Cornelis Engebrechtsz. Das
CEuvre des Meisters wurde verschiedene Male vergrößert durch Beets (Bulletin van den Nederlandschen Oudheid-
kundigen Bond, 1909, p. 10 ff. und 1911, p. 243 ff., Katalog der Utrechter Ausstellung, 1913, p. 182 ff.), der auch einige
der ausgeführten Glasscheiben nachwies, für die alle diese unlavierten Federzeichnungen bestimmt gewesen sind.
Das zeichnerische Werk des Meisters läßt sich immerhin noch vergrößern. Den von Beets erwähnten Werken der
Barmherzigkeit in Berlin, Amsterdam, in der SammlungRodriguez und inLondon (»Die Hungrigen speisen«, Höhe 237 cm
Breite 20-2 cm) reihen sich Einzelblätter im Städelschen Institut (»Die Durstigen tränken«, Höhe 264 cm, Breite 197 cm)
und im Münchner Nationalmuseum (»Die Toten begraben«, Höhe 247 cm, Breite 20'2 cm, datiert 1531) an. In der
Albertina liegt ferner unter »Jan Swart« eine lavierte Federzeichnung (Altniederländer, V, 82) in Rundformat (Durch-
messer 26'5 cm) (Abb.' l), die gleichfalls die Ausübung der letzten der barmherzigen Pflichten darstellt. In den Wolken
lesen wir die Schrift: »Sepelire defunctos d . . . .«. Vergleicht man mit diesem Blatt des Pieter Cornelisz Darstellungen
desselben Gegenstandes in Berlin, München und Amsterdam, so zeigt sich auf den ersten Blick die überaus nahe
Verwandtschaft in Komposition und Raumbildung. Greifen wir vor allem das Berliner Blatt (Abb. 2) hervor und vergleichen
wir die Sargträger mit ihren Bewegungen, die Kostüme, die Bildung der Falten und Säume, die Kapuzen und Frisuren, so
zeigt sich eine so starke Ähnlichkeit, daß wohl auch das Wiener Blatt mit Pieter Cornelisz in Verbindung gebracht werden
kann. Die künstlerische Handschrift weicht freilich so stark von der der übrigen Blätter ab, daß wir hier keine Original-
zeichnung vermuten können. Die viel breitere und etwas unsichere Technik hat übrigens viel mehr Verwandtschaft mit
den ausgeführten Glasgemälden nach Entwürfen des Meisters, so zum Beispiel mit den zwei Scheiben des Louvre »Die
Nackten bekleiden« und »Die Gefangenen besuchen«. Ich glaube also nicht fehlzugehen, wenn ich in der Toten-
bestattung der Albertina eine zeitgemäße Kopie nach einem Glasgemälde des Pieter Cornelisz vermute. Die viel
originellere Art des Jan Swart und seine viel geschicktere Hand vermag ich in der mehr plumpen Feder- und Pinsel-
führung keineswegs zu erkennen.

Außer dieser Nachzeichnung besitzt die Albertina aber noch zwei originale Blätter des Meisters, eine Gefangen-
nahme Christi (Altniederländer II, 18, Höhe 18'2 cm, Breite 24-8 cm, datiert 153Ü), die in den etwas rohen Typen
und den röhrenartigen Falten, die sich zu geweihähnlichen Bildungen zusammensetzen, die Art Pieters sehr schnell
erkennen läßt, und eine Darstellung des barmherzigen Samariters (Altniederländer II, 17, Höhe 24-8 cm, Breite 184 cm)
mit der besonders charakteristischen Laubzeichnung (Abb. 3). Ferner liegt in der MünchnerGraphischen Sammlung unter:
»Lucas van Leyden« eine legendarische Darstellung (Höhe links 254 cm, rechts 24-6 cm, Breite 203 cm) mit einem
orientalischen Fürsten, der Almosen austeilt (Abb. 6), die in der Tat dem großen Holländer nahesteht, aber inFaltengebung
und Laubzeichnung unverkennbar die Hand des Pieter Cornelisz aufweist. Noch charakteristischer für den Meister ist
das Gegenstück des Münchner Blattes, das 1902 mit der Sammlung Guidi de Faenza in Rom versteigert wurde (als Dürer,
abgebildet aufT. 23, Nr.420 des Versteigerungskatalogs, Höhe 25 cm, Breite \9cm). Dargestellt ist die Enthauptung eines
 
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