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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0030
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Abb. 1. Die Toten begrabei

lach Pieter Cornelisz in der

Albertina zu Wien.

Heiligen, im Hintergrund der Judaskuß. Den Gegenstand,
der sich im Hintergrund des Münchner Blattes abspielt,
vermag ich leider nicht zu deuten. Die Münchner Almosen-
verteilung hat manche Ähnlichkeit mit einer ebenfalls Lucas
van Leyden zugeschriebenen Zeichnung in Lille (Nr. 1011,
Höhe 21-5 cm, Breite 165 cm), über die ich mir kein
abschließendes Urteil erlauben kann, da ich sie nur aus der
zinkographischen Abbildung in dem Büchlein, das Beets in
der »Collection des Grands Artistes des Pays-Bas« über
Lucas van Leyden geschrieben hat, kenne. Nach dieser
Reproduktion zu schließen, scheinen die Münchner und Liller
Zeichnungen im Technischen, in der Wiedergabe des Bodens,
in derZeichenart der Beine,in derWiedergabe des Gewandes
große Verwandtschaft zu besitzen. Auch in der Faltenlegung
finden sich ähnliche Motive, und der eine en face gesehene
Kopf auf dem Liller Blatt ähnelt in seinem ganzen Typus
sehr den Grabträgern des Pieter Cornelisz. Die Figuren sind
freilich viel schlanker, ihre Bewegungen sind gewandter und
eleganter, so daß ich diese Bestimmung nur mit großer
Zaghaftigkeit aussprechen möchte. Jedenfalls kann ich mich
nicht entschließen, in der Zeichnung in Lille die Hand des
Lucas van Leyden selbst zu erkennen. Diese kleinlichen
Faltenmotive sind ihm vollkommen fremd und wenn wir zum Beispiel den reichen Schatz heranziehen, den vor allem das
Britische Museum an Zeichnungen des Meisters besitzt, so können wir erkennen, daß alle diese ersten Entwürfe teils viel
reicher in der malerischen Durchbildung von Licht und Schatten, teils schneller und flüchtiger in den Einzelmotiven
gehalten sind. Beets vermutet in der Zeichnung eine Vorstudie für den berühmten Kupferstich von 1525 mit Virgil im
Korbe. Gegenständlich hat diese Hypothese manches für sich. Das Motiv der einen Hauptfigur kommt wirklich im

Mittelgrund des Stiches im Gegensinn wiederholt vor, und
auch die Kindergruppe könnte noch als stark veränderte Vor-
studie zu den Kleinen des Stiches gelten. Vergleichen wir aber
die vielen kleinlichen Faltenmotive dieser Rückenfigur auf
der Zeichnung mit der großlinigen Anlage der Gewandung
auf dem Stich, so werden wir von neuem stutzig. Auch von
dem Reichtum der in Licht und Schatten modellierten Form,
den wir auf dem Meisterstich bewundern, ist auf der
Zeichnung noch keine Vorahnung zu erkennen, und wir
wissen aus Blättern im Britischen Museum, im Louvre und der
Albertina, in wie reifer Weise Lucas van Leyden auch mit
Feder und Pinsel dieses Spiel der Lichter wiederzugeben
pflegte. So müssen wir die Frage bis zu ihrer Lösung durch
einen Berufeneren offen lassen.

Im Katalog der Ausstellung nordniederländischer
Malerei vor 1575, die im September 1913 in Utrecht stattfand,
hat Beets die Behauptung aufgestellt, daß auch zwei von
Friedländer unter dem Namen »Meister des Leipziger
Kabinetts« veröffentlichte Zeichnungen (Archiv für Kunst-
geschichte, I. Jahrgang, T. 23) als frühe Werke des Pieter
Cornelisz zu erkennen wären. Die 1517 datierte Geburt
Christi in der Sammlung Rodriguez in Paris, auf die Beets
sich stützt, ist mir leider unbekannt geblieben1. Dagegen läßt

i Erst während diese Notizen bereits in der Druckerei waren, kam
dem Verfasser das Juliheft 1914 von L'ArtFlamand et Hollandais zu Gesicht,
in dem Beets Seite 12 die Zeichnung bei Eug. Rodriguez abbildet. Richtig-
zustellenist vor allem, daß unmöglich eine Geburt Christi dargestellt sein kann,
die bekanntlich nicht in dem breiten Wochenbett einer Patrizierstube unter
Assistenz mehrerer Frauen und eines Arztes (oder ist es der junge

Ä

Abb. 2. Die Toten begraben. Zeichnung von Pieter Cornelisz im Königl.
Kupferstichkabinett zu Berlin.
 
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