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Die linke Hälfte bildet eine Frauenge-
stalt, die mit der Mittelfigur in Parmi-
gianinos eigenhändigem Fresko in Stel-
lung und Haltung eine ebenso große Ver-
wandtschaft zeigt wie im Typus. Doch
besitzt keine der früher besprochenen
Zeichnungen einen solchen Reiz des
Ausdruckes, Schwung der Bewegung
und Würde der Haltung. Die rechte
Hälfte des Blattes zeigt eine Gruppe
von vier Frauen, die, ohne den Charme
der Einzelfigur zu besitzen, mit einer
geradezu genialen Kühnheit festgehalten
sind. Man beachte nur, wie die Gesichts-
profile aus einer Linie gebildet sind, wie
drei, vier Striche die Falten des Ge-
wandes und den Körper darunter dar-
stellen.
Eine Anzahl von Parmigianinos
Zeichnungen einzelner männlicher Fi-
guren, die sich in verschiedenen Samm-
lungen finden, läßt annehmen, daß Par-
migianino auch für die Clairobscur-
Gestalten der Steccata-Dekoration Stu-
dien machte, besonders, wenn solche
Figuren in Andeutungen von ovalen
Rahmen gezeichnet sind. So finden wir
in Parma (Nr. 5101, Feder, laviert,
18x6'5 cm; Abb. 14) einen bärtigen
Greis, der zum Himmel aufzublicken
scheint und ein großes Buch auf sein
Knie gestützt hält. Die Zeichnung ist
am oberen Rand beschädigt und nur
nach unten oval umschlossen, doch
zeigt sie die ausgezeichnete Qualität von
Parmigianinos wertvollen Entwürfen.
Als Parmigianino den Kontrakt
betreffs der Fresken, die er in der Stec-
cata ausführen sollte, abschloß, legte er
eine Zeichnung bei, wie er die Wölbung
der Hochaltarkapelle auszumalen ge-
dachte, die zur Zeit des Affö1 im Archiv,
jetzt in der Pinakothek von Parma auf-
bewahrt ist. Affö vermutet, daß er damals
auch Skizzen für alles übrige vorgelegt hätte. Die Zeichnung zur Krönung Maria (Parma, Feder, laviert, 19'5X30 cm;
Abb. 15) ist jedenfalls ein interessantes Dokument, dessen Qualität bedauern läßt, daß Parmigianino das Fresko
schließlich nicht zur Ausführung brachte. Christus und Maria in der feierlichen Attitüde der Krönung beherrschen die
Komposition, links und rechts eine Fülle von Engelsgestalten mit Musikinstrumenten, zarte Wolken schweben über
diesen Gruppen, aus denen kleine Engelsköpfe sich loslösen und die Madonna und Christus umgeben. Zu ihren Füßen
spielen Putten, nach oben schließt ein Kranz schwebender Engelsgestalten, gekrönt von der Taube des heiligen
Geistes, das Halbrund ab. Der Entwurf läßt uns erkennen, wie sich Parmigianino mit einem ausgesprochen
correggiesken Thema, der Vision des offenen von den Heerscharen der Engel erfüllten Himmels, abfand. Wo Correggio
aus wild bewegten Menschenleibern und Wolken seine grandiosen Massen ballt, herrscht bei Parmigianino eine
maßvoll bewegte Monumentalität, eine strenge Scheidung der in ruhiger Architektonik aufgebauten Gruppen vor dem
Abb. 16. Parmigianino, Madonna del Collo Lungo.
Gemälde. Florenz, Palazzo Pitti.
1 Affö, a. a. 0. p. 79, siehe auch Vasari-Milanesi a. a. 0.
Die linke Hälfte bildet eine Frauenge-
stalt, die mit der Mittelfigur in Parmi-
gianinos eigenhändigem Fresko in Stel-
lung und Haltung eine ebenso große Ver-
wandtschaft zeigt wie im Typus. Doch
besitzt keine der früher besprochenen
Zeichnungen einen solchen Reiz des
Ausdruckes, Schwung der Bewegung
und Würde der Haltung. Die rechte
Hälfte des Blattes zeigt eine Gruppe
von vier Frauen, die, ohne den Charme
der Einzelfigur zu besitzen, mit einer
geradezu genialen Kühnheit festgehalten
sind. Man beachte nur, wie die Gesichts-
profile aus einer Linie gebildet sind, wie
drei, vier Striche die Falten des Ge-
wandes und den Körper darunter dar-
stellen.
Eine Anzahl von Parmigianinos
Zeichnungen einzelner männlicher Fi-
guren, die sich in verschiedenen Samm-
lungen finden, läßt annehmen, daß Par-
migianino auch für die Clairobscur-
Gestalten der Steccata-Dekoration Stu-
dien machte, besonders, wenn solche
Figuren in Andeutungen von ovalen
Rahmen gezeichnet sind. So finden wir
in Parma (Nr. 5101, Feder, laviert,
18x6'5 cm; Abb. 14) einen bärtigen
Greis, der zum Himmel aufzublicken
scheint und ein großes Buch auf sein
Knie gestützt hält. Die Zeichnung ist
am oberen Rand beschädigt und nur
nach unten oval umschlossen, doch
zeigt sie die ausgezeichnete Qualität von
Parmigianinos wertvollen Entwürfen.
Als Parmigianino den Kontrakt
betreffs der Fresken, die er in der Stec-
cata ausführen sollte, abschloß, legte er
eine Zeichnung bei, wie er die Wölbung
der Hochaltarkapelle auszumalen ge-
dachte, die zur Zeit des Affö1 im Archiv,
jetzt in der Pinakothek von Parma auf-
bewahrt ist. Affö vermutet, daß er damals
auch Skizzen für alles übrige vorgelegt hätte. Die Zeichnung zur Krönung Maria (Parma, Feder, laviert, 19'5X30 cm;
Abb. 15) ist jedenfalls ein interessantes Dokument, dessen Qualität bedauern läßt, daß Parmigianino das Fresko
schließlich nicht zur Ausführung brachte. Christus und Maria in der feierlichen Attitüde der Krönung beherrschen die
Komposition, links und rechts eine Fülle von Engelsgestalten mit Musikinstrumenten, zarte Wolken schweben über
diesen Gruppen, aus denen kleine Engelsköpfe sich loslösen und die Madonna und Christus umgeben. Zu ihren Füßen
spielen Putten, nach oben schließt ein Kranz schwebender Engelsgestalten, gekrönt von der Taube des heiligen
Geistes, das Halbrund ab. Der Entwurf läßt uns erkennen, wie sich Parmigianino mit einem ausgesprochen
correggiesken Thema, der Vision des offenen von den Heerscharen der Engel erfüllten Himmels, abfand. Wo Correggio
aus wild bewegten Menschenleibern und Wolken seine grandiosen Massen ballt, herrscht bei Parmigianino eine
maßvoll bewegte Monumentalität, eine strenge Scheidung der in ruhiger Architektonik aufgebauten Gruppen vor dem
Abb. 16. Parmigianino, Madonna del Collo Lungo.
Gemälde. Florenz, Palazzo Pitti.
1 Affö, a. a. 0. p. 79, siehe auch Vasari-Milanesi a. a. 0.