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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0031
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Abb. 3. Der barmherzige Samariter. Zeichnung von Pieter Cornelisz
in der Albertina zu Wien.

Abb. 4. Versuchung Christi. Zeichnung von Pieter Cornelisz im Königl.
Kupferstichkabinett zu Berlin.

sich auf Grund derBeets gleichfalls bekannten Berliner Rundzeichnung desselben Jahres, die Esther vor Ahasver darstellt,
die Identität des Meisters des Leipziger Kabinetts mit Pieter Cornelisz mit Bestimmtheit leugnen. Gewisse oberflächliche
Ähnlichkeiten lassen nur auf jene Verwandtschaft des Stilempfindens schließen, die in engem Grade zu Beginn des
XVI. Jahrhunderts zwischen Antwerpen und Leyden bestand. Die Leipziger Zeichnungen der Johanneslegende
gehören eher einem Künstler aus der Pseudo-Blesius-Gruppe und nicht dem Sohne des Cornelis Engebrechtsz an.
Auch im Frankfurter Städelschen Institut läßt sich die Gegenprobe zu der Bestimmung von Beets machen. Ganz
deutlich erkennen wir neben dem oben erwähnten Blatt von Pieter Cornelisz in einer zweiten ins Rund komponierten
Federzeichnung die andere Hand vom Meister des Leipziger Kabinetts. Dargestellt ist ein Gastmahl, mit einem Streit
und einer Rechtsprechung im Hintergrund (Höhe 2L8 cm, Breite 2L2 cm). Gleichfalls von der Hand dieses Meisters
scheint mir eine Rundzeichnung in Berlin zu sein (Feder, Durchmesser 205 cm), einen Ehebruch und seine Bestrafung
vorstellend (Abb. 5). Das Blatt ist gegen die Leipziger Zeichnungen in Leichtigkeit der Strichführung, Gewandtheit der
Komposition und Weichheit der Modellierung vorgeschritten, aber die Art der Schraffierung, die Typenbildung mit der
Zeichnung von Augen, Nase undMund, die Hände mit ihren gekrümmten und geöffneten Fingern, die Lage derFalten und
Einzelheiten der Kostümierung, wie das Wiederholen jener Mütze mit dem Knopf ober der Stirn, scheinen mir die Bestim-
mung absolut zu rechtfertigen. Es erscheint nicht ganz ausgeschlossen, daß sich im Wiener Hofmuseum zwei Glasgemälde
nach Entwürfen dieses Antwerpner Meisters erhalten haben. Es handelt sich um zwei Rundscheiben, die im Dezember
1865 aus der Sammlung Josef Daniel Böhms für zusammen 75 Gulden erworben wurden. Die eine stellt eine Steinigung
des heiligen Stephanus (Durchmesser 231 cm), die andere Christus als Schmerzensmann sitzend auf einem Stein
(Durchmesser 23'3 cm) dar. Daß die Strichführung dieser Glasgemälde von der in den Zeichnungen des Meisters
üblichen Art abweicht, würde gegen diese Attribution nichts beweisen, da wir nicht unterrichtet sind über die Arbeits-
weise in den Werkstätten der Glasmaler und es sehr wohl möglich wäre, daß Zeichner und Ausführender getrennte

Ehemann?) vor sich gegangen ist. Wahrscheinlich haben wir eine reine Genreszene vor uns, die in Anlehnung an ältere Darstellungen der Geburt
Mariens entstanden ist. Der Zeichner ist bestimmt nicht Pieter Cornelisz, sondern sicher ein Antwerpner Meister. Dagegen scheint uns Beets —
soweit die kleine Zinkographie ein Urteil erlaubt — darin richtig gesehen zu haben, daß diese Wochenstube von derselben Hand ist wie die
Leipziger Johanneslegenden. Faltengebung, Bildung von Augen und Händen und die von den plumpen Gestalten Pieters so abweichende Eleganz der
Figuren sprechen dafür.
 
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