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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.4208#0042
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Durchschnitt runde Cuppa, die reich belegt ist mit Laubwerk
und mit Distelblüten. Ähnlich ist der gebuckelte Deckel
belegt. Sieben Muschelreliefs mit geschnittenen Herkulestaten
und darauf bezüglichen Inschriften in nicht gerade klassischem
Latein trägt die Cuppa, und zwar die Geburt des Herkules,
den Kampf mit dem Höllenhund Cerberus, den Kampf mit
dem nemeischen Löwen, mit der lernäischen Hydra, mit
dem kretensischen Stier, das Tragen der Säulen von Gades
und den Kampf mit Antäus.

Auf der Deckelplatte sitzen vier Reliefs, darstellend
Herkules im Kampf mit dem Zentauren (dabei Dejanira),
Herkules im Kampf mit Cacus, Herkules und Atlas und
endlich Herkules auf dem Scheiterhaufen.

Den zwölf Darstellungen der Herkulestaten auf den
Zeichnungen in Bremen stehen also nur elf Muschelschnitte
gegenüber. An der Stelle, wo der Bremer Zeichnung ent-
sprechend das Relief mit der Befreiung der Dejanira sitzen
sollte, befindet sich heute auf dem Pokal eine silberne Platte
mit dem eingravierten Allianzwappen von Wenzel Eusebius
Lobkowitz und seiner Gattin Augusta Sophie von der Pfalz.
P^riedländer nimmt an,daß das Relief verloren ging oder heraus-
genommen und durch die Platte ersetzt wurde. Diese seine
Vermutung wird aber zur Gewißheit, wenn man die Zeichnung
des Pokals im Raudnitzer Inventar genau betrachtet, denn auf
dieser Zeichnung ist das Dejanira-Relief noch an seinem
Platze. Damit ist aber auch ein sicherer Anhaltspunkt, ein
Terminus für die Datierung des gezeichneten Inventars
gegeben. Fürst Wenzel Eusebius heiratete Augusta Sophie
im Jahre 1653 und starb 1677; letztere starb 1682 zu
Nürnberg. Zwischen 1653 und 1677 wurde also die Platte
mit dem Allianzwappen an dem Muschelpokal angebracht,
und die Entstehung des Inventars ist daher früher an-
zusetzen, allerdings wohl auch in die Regierungszeit des
Fürsten Wenzel Eusebius, also etwa um 1650 bis 1660.

Der edel profilierte Deckelknauf trägt als oberen
Abschluß ein weiteres Muschelrelief, die Geburt Christi
darstellend, das auf der Abbildung in der böhmischen Denk-
mälertopographie gut erkennbar ist. Der Stil dieses Reliefs
ist zweifellos, wie Friedländer auch anmerkt, Dürerisch und geht wohl auch auf eine Vorzeichnung des Meisters
oder eines seiner Schüler zurück. Der Pokal ist eine Nürnberger Arbeit, das beweist das Beschau-
zeichen dieser Stadt, das verkehrte N in der von zirka 1480 bis 1541 in Gebrauch gewesenen Form
(Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen 2, Nr. 3059). Ferner trägt er die große Silberpunze des
k. k. Filialpunzierungsamtes in Prag von 1806/7 (Knies, Die Punzierung in Österreich, Wien, 1896,
Taf. I, 7) und den großen Prager Taxstempel von 1810 bis 1824 (Knies, a. a. O., Taf. IV, 10).
Endlich ist ein Monogramm mit dem Punzen eingeschlagen, das wohl L S G aufzulösen ist.

Für eines der Reliefs, beziehungsweise eine der Vorzeichnungen mit dem Dürer-Monogramm kann ich eine
Darstellung nachweisen, die dem Künstler sicher vorgelegen hat. Im Venezianer Ovid von 1497 befindet sich auf
Folio LXXVII ein Holzschnitt des Polifilo-Meisters 1 (Abb. 2), der die Geburt des Helden in derselben Weise vor
sich gehen läßt wie auf dem Relief und der Zeichnung. Die Wehmutter sitzt von hinten gesehen auf einem
niedrigen Stuhl und hilft der breitbeinig dasitzenden Alkmene, welche von vier Frauen unterstützt wird. Und die
rechts zusammengekauert sitzende Göttermutter Hera, welche die Entbindung verzögert, finden wir auf dem Relief
und der Zeichnung gleichfalls wieder. Nur ist sie auf beiden Darstellungen nackt unter der Treppe sitzend
dargestellt. Im übrigen hat der Zeichner aus dem Venezianer Zimmer ein trauliches Nürnberger Schlafgemach
mit der schon aus dem Blatt in Dürers Marienleben bekannten Stiege gemacht. Die schöne geschlossene- Komposition

1. Aquarellierte Federzeichnung im Inventar des Lobko-
witzschen Silberschatzes auf Schloß Raudnitz.

1 Poppelreuter, Der anonyme Meister des Polifilo, 1904, S. 28 f.
 
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