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die Beobachtung organischer
Zusammenhänge geht ganz ver-
loren. Die Strichführung wird
kraus, hakig, verwildert. Es ist
in den meisten Fällen schwer
zu entscheiden, ob der Darge-
stellte hinter der Brüstung steht
oder sitzt. Der Ausdruck des
Gesichts ist bei allen derselbe:
steif, ledern, geistlos. Die Zeich-
nung der Hände ist ungeschickt,
ohne Verständnis für das Ge-
rippe. Oberhaupt ist die Wieder-
gabe des Fleisches schwammig,
unbestimmt. Das Stoffliche der
Gewänder ist vollständig un-
kennbar, hier wird überall die-
selbe Strichführung und Strich-
dichte angewandt. Porträte wie
das des Johann Sebastian
Phauser oder das des Johann
von Thaw erhalten ihre ganze
kärgliche Gewichtigkeit durch
die Anhäufung von Attributen
des Berufes des Dargestellten.
Sowohl im Porträt selbst als
im Milieu und im Ausblick auf
die Landschaft stärkt sich der
romantische Charakter immer
mehr. Wie bei den Landschafts-
darstellungen wächst die Über-
wucherung des Details in eine
absolute Verkennung der Gren-
zen der Radierung hinein. Wie-
der scheint das Ziel eine Bild-
wirkung zu sein, wieder wird
die Gestaltung ins Heroische
aufgetrieben. Und wieder ist
das Resultat ein klägliches Ver-
sagen der eigenen Fähigkeiten
und ein Zwitter aus bildmäßiger
Behandlung und graphischer Be-
grenztheit.
In den übrigen Blättern, die Lautensack noch radiert hat, könnte man nur wieder denselben Entwicklungsgang
nachweisen. Seine Wappenbilder aus dem Jahre 1552 sind eine sorgfältige und reinliche Arbeit, doch scheitern hier
die begrenzten Talente an der schwierigen Aufgabe, das stoffliche Material realistisch wiederzugeben. Einem Dürer-
schen Hahnengefieder oder einem Dürerschen Stahlhelm wird man diese Zeichnungen nicht zur Seite legen dürfen.
Der Prospekt der Stadt Nürnberg unterscheidet sich nicht allzu positiv von andern Prospekten des XVI. Jahrhunderts.
Immerhin wird man die reinliche Strichführung, die sorgfältige Zeichnung anerkennen müssen. Die Wiedergabe der
römischen Grabsteine ist ein Gipfelpunkt an schleuderhafter, verständnisloser Mußarbeit und kann unmöglich den
Anspruch auf künstlerische Wertung machen. Die beiden Turnierdarstellungen können auch im besten Falle nur als
Kulturdokumente Beachtung finden. Es handelte sich darum, eine aktuelle Illustration zu den Festtagen zu geben, ein
Festhalten des großartigen Getriebes, des Menschenzulaufes, der illustren Gäste, der regen Beteiligung am Kampfe
selbst — und dieser Zweck wurde ja sicherlich erreicht.
Überblickt man das ganze Werk Hans Sebald Lautensacks, so erkennen wir in ihm ein Talent, das kaum mehr
als mittelmäßig genannt werden kann, das aber auf einem Gebiet, auf dem der Landschaftsradierung, immerhin
Abb. 7. Hans Sebald Lautensack. Selbstbildnis
Radierung.
die Beobachtung organischer
Zusammenhänge geht ganz ver-
loren. Die Strichführung wird
kraus, hakig, verwildert. Es ist
in den meisten Fällen schwer
zu entscheiden, ob der Darge-
stellte hinter der Brüstung steht
oder sitzt. Der Ausdruck des
Gesichts ist bei allen derselbe:
steif, ledern, geistlos. Die Zeich-
nung der Hände ist ungeschickt,
ohne Verständnis für das Ge-
rippe. Oberhaupt ist die Wieder-
gabe des Fleisches schwammig,
unbestimmt. Das Stoffliche der
Gewänder ist vollständig un-
kennbar, hier wird überall die-
selbe Strichführung und Strich-
dichte angewandt. Porträte wie
das des Johann Sebastian
Phauser oder das des Johann
von Thaw erhalten ihre ganze
kärgliche Gewichtigkeit durch
die Anhäufung von Attributen
des Berufes des Dargestellten.
Sowohl im Porträt selbst als
im Milieu und im Ausblick auf
die Landschaft stärkt sich der
romantische Charakter immer
mehr. Wie bei den Landschafts-
darstellungen wächst die Über-
wucherung des Details in eine
absolute Verkennung der Gren-
zen der Radierung hinein. Wie-
der scheint das Ziel eine Bild-
wirkung zu sein, wieder wird
die Gestaltung ins Heroische
aufgetrieben. Und wieder ist
das Resultat ein klägliches Ver-
sagen der eigenen Fähigkeiten
und ein Zwitter aus bildmäßiger
Behandlung und graphischer Be-
grenztheit.
In den übrigen Blättern, die Lautensack noch radiert hat, könnte man nur wieder denselben Entwicklungsgang
nachweisen. Seine Wappenbilder aus dem Jahre 1552 sind eine sorgfältige und reinliche Arbeit, doch scheitern hier
die begrenzten Talente an der schwierigen Aufgabe, das stoffliche Material realistisch wiederzugeben. Einem Dürer-
schen Hahnengefieder oder einem Dürerschen Stahlhelm wird man diese Zeichnungen nicht zur Seite legen dürfen.
Der Prospekt der Stadt Nürnberg unterscheidet sich nicht allzu positiv von andern Prospekten des XVI. Jahrhunderts.
Immerhin wird man die reinliche Strichführung, die sorgfältige Zeichnung anerkennen müssen. Die Wiedergabe der
römischen Grabsteine ist ein Gipfelpunkt an schleuderhafter, verständnisloser Mußarbeit und kann unmöglich den
Anspruch auf künstlerische Wertung machen. Die beiden Turnierdarstellungen können auch im besten Falle nur als
Kulturdokumente Beachtung finden. Es handelte sich darum, eine aktuelle Illustration zu den Festtagen zu geben, ein
Festhalten des großartigen Getriebes, des Menschenzulaufes, der illustren Gäste, der regen Beteiligung am Kampfe
selbst — und dieser Zweck wurde ja sicherlich erreicht.
Überblickt man das ganze Werk Hans Sebald Lautensacks, so erkennen wir in ihm ein Talent, das kaum mehr
als mittelmäßig genannt werden kann, das aber auf einem Gebiet, auf dem der Landschaftsradierung, immerhin
Abb. 7. Hans Sebald Lautensack. Selbstbildnis
Radierung.