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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.3629#0036
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— 33

deutsches Künstler-
Herausgegeben von
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Aufzeichnungen dem alternden Künstler ein Bedürfnis. Er mußte sie
schreiben, um den Weg, den sein Leben genommen, vor sich zu recht-
fertigen, zugleich, um einen liebevollen Scheideblick aut die verklungenen
Zeiten künstlerischer Vollkraft zurückzuwerfen. Aber er maß ihnen auch
Bedeutung und Interesse für die Allgemeinheit bei und dachte, sie zu
publizieren. Allerdings fand er zu seiner Enttäuschung keinen Verleger,
und der Wunsch des Künstlers ging erst nach seinem Tode in Erfüllung.

Ein deutsches Künstlerleben ist es, klar und einfach erzählt, aber
mit einem literarischen Feingefühl, das uns dieses Dokument über seine
historische und tiefe menschliche Bedeutung hinaus wertvoll macht. Ein
Kunstwerk ist es, das der Maler schuf, als er zur Feder griff. Im ruhigen
Fluß der Erzählung wechseln mit einfachen Berichten, sachlichen
Betrachtungen, menschlich ergreifenden Zügen farbige Schilderungen,
deren Unmittelbarkeit und malerische Anschaulichkeit dem Leser lebhafter
als die Worte irgendeines Dichters Bilder vor Augen zaubern, wie sie
der Künstler selbst und seine Zeitgenossen auf der Leinwand festhielten.
Die Gabe, seinen Künstlergeist auch durch das geschriebene Wort mitzu-
teilen, war ihm verliehen und macht dieses Werk doppelt reizvoll. Rein als
literarisches Kunstwerk genommen, schwingt in dem Buche dieselbe
Stimmung wie in der norddeutschen Malerei vor der Jahrhundertwende.

So steht Wasmanns Buch als Künstlerdokument etwa in der Mitte
zwischen der programmatischen Form der Kunstschrift Runges und der
intimen Form der Künstlerbriefe, wie sie uns von Rethel, Menzel, Feuer-
bach und vielen anderen erhalten sind. Einerseits Probleme künst-
lerischer und allgemein geistiger Natur, wie sie das gesamte damalige
Deutschland bewegten; andrerseits liebevoll geschilderte Details aus
einem Menschenleben, das schon durch seine ethische Reinheit und
Lauterkeit Anteilnahme erwecken müßte, auch wenn es nicht das eines
großen Künstlers wäre. Beides vereinigt in der selbsterzählten Geschichte
einer geistigen Persönlichkeit, deren Schicksal in seiner Art für das künst-
lerische Deutschland der Romantik typisch ist, daher über die engen
Grenzen eines Einzeldaseins hinausgeht und allgemeine Bedeutung
gewinnt.

Die große Strömung der Romantik führte Wasmann wie so viele
andere zum katholischen Glauben zurück. Während seines vierjährigen
Romaufenthaltes konvertierte er. Bei den meisten Romantikern entsprang
diese Rückkehr nicht einem inneren religiösen Bedürfnis des Einzelnen,
sondern wurde nur durch die künstlerische und geistige Bewegung der
Allgemeinheit herbeigeführt. Ihr Ursprung ist ästhetischer, nicht ethischer
Natur und in der Reaktion der romantischen Generation auf den
Rationalismus der Aufklärungszeit begründet. Der Hang zum Tran-
szendentalen, die wiedererwachte Vorliebe für Kunst und Dichtung des
Mittelalters brachte diese Erscheinung im religiösen Leben mit sich. In
einem aber ist die Malerei der Romantik mit dem Klassizismus des Auf-
klarungszc-italters eng verknüpft: das Wesentliche des Kunstwerkes
wird nicht in der reinen Sprache von Form und Farbe allein erblickt,
sondern in dem geistig bedeutenden Inhalt, der jenseits der formalen
Probleme liegt. Das literarische Moment wird führend. Diese Abwendung
von den eigentlich künstlerischen Problemen hatte den unfruchtbaren
Akademismus der Nazarener und Romantiker zur Folge. Der Schwer-
punkt verschob sich gegen die Literatur, zum Nachteil des rein
Künstlerischen.

Bei den eigentlichen Nazarenern, der Bruderschaft von S. Isidoro,
vollzog sich diese Entwicklung noch geschlossen und einheitlich. Rein
malerische Werte waren ihnen nicht fremd, namentlich im Porträt
gelangten sie zu prächtiger Entfaltung. In den weiteren, von ihnen beein-
flußten Kreisen jedoch führte die nazarenische Gesinnung oft zu einem
unvermittelten Umschwung, zu einem Bruch mit der bisherigen Kunst-
auffassung. Das war namentlich dort der Fall, wo bislang künstlerische
Anschauungen herrschten, die einen völligen Gegensatz zu dem, was
die Nazarener wollten, bedeuteten. Die Hamburger Malerei ist eines der
bezeichnendsten Beispiele. Ihre eigentliche Bedeutung lag im Naturalismus,
der hier, stark beeinflußt von der Kunst der benachbarten Danen, Blüten
zeitigte, dLe zum Schönsten der norddeutschen Malerei der ersten Hälfte
des Jahrhunderts gehören. Die Porträte und Studien von Oldach, Speckter,
Milde und Janssen zeugen von höchster malerischer Kultur. Auch Runge
gab darin sein Bestes. Der romantische Einfluß hatte aber eine seltsame

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Friedrich Wasmann, Zeichnung.

Wirkung auf sie zur Folge. Sie wurden aut fremde Bahnen abgelenkt.
Die einen, wie Janssen und Oldach, fielen in Widerspruch mit sich selbst,
und ein früher Tod erlöste sie von einem künstlerisch unbefriedigten
Dasein. Andere, wie Milde, legten den Pinsel aus der Hand und
beschäftigten sich tortan nur mehr literarisch und wissenschaftlich. Nur
kurz währte die beste Zeit der Hamburger Malerei.

Auch Wasmann machte eine solche ungünstige Wandlung mit.
Die große Zahl von bedeutenden Kunstwerken, die er schuf, reicht nur
bis in die zweite Hälfte der Vierzigerjahre. Was darüber hinaus entstand
— Wasmann lebte bis 1886 —, kann keinen Anspruch auf künstlerische
Wertung erheben. Nun bringt man gerne den Untergang seiner Kunst
mit seiner Heimatflucht und Konversion in Zusammenhang und macht
ihm den Vorwurf der Schwächlichkeit und des Mangels an Widcrstands-
und Willenskraft, die die ungünstige Wandlung hätten verhindern
können. Gerade seiner Selbstbiographie, in der er ein Bekenntnis seiner
tiefen Religiosität ablegt und seine frühere Lebensanschauung abschwört,
bediente man sich, um den Nachweis zu erbringen, daß hier seelische
Haltlosigkeit an dem Untergange eines großen künstlerischen Talents
Schuld trug. Dadurch, daß der späte Wasmann rein ethische und religiöse,
aber keine künstlerischen Forderungen an sich stellte und nazarenische
Kirchenbilder malte, erklärt man den Ruin seiner Kunst. Diese Anschau-
ung wird aber kaum der Wahrheit gerecht. Wasmanns Suchen nach
einem seelischen Halt von früher Jugend auf, das in der endlichen
Rückkehr zum Katholizismus befriedigt ward, war viel zu sehr ein
persönliches Moment, als daß es allzu großen Einfluß auf seine Ent-
wicklung hatte nehmen können. Es war* ein menschliches Bedürfnis,
das sich jederzeit bei ihm geltend machte, auch in den Tagen reinsten
Künstlertums. An ihn traten Romantik und Nazarenertum nicht als
übermächtige äußere Einflüsse heran wie an Janssen, Oldach und viele
andere. Ihm wurden diese großen Momente des allgemeinen Geistes-
lebens nicht prinzipielles Erfordernis seiner künstlerischen Existenz,
sonst wäre er ihnen viel früher erlegen. Über seine Hamburger Zeit-
genossen sagt er: »Der norddeutsche Ernst begnügte sich nicht mit der
glänzenden Außenseite und ging wieder zu weit, die reiche Technik der
 
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