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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.3629#0039
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uns der Pinsel und der Stift Slevogts bis heute beschenkt haben. Es war
kein guter Dienst, den der Verleger dem Künstler geleistet hat, als er ihn
zur Publizierung dieses Kriegstagebuches überredete. L. v. B.

J. Strzygowski, Die bildende Kunst des
Ostens. (Bibliothek des Ostens. Herausgegeben von
Dr. Wilhelm Kösch. Verlag von Dr. Werner Klinckhardt,
Leipzig.)

Feuilletonistische Schriften wie die vorliegende müssen energisch
bekämpft werden. Sie sind gefährlich, nicht nur darum, weil sie leicht-
sinnige und wissenschaftlich nicht genügend gestützte Hypothesen auf-
stellen, sondern auch, weil sie, für die Menge unschwer zugänglich, in
journalistischen Kreisen allzuleicht Boden gewinnen und von dort aus
falsche Ansichten verbreiten können.

Das Büchlein bietet natürlich nicht das, was sein Titel verspricht.
Dem Leser werden dann nicht in gedrängter Form Aufklärungen über
die Hauptprobleme der Kunst des Ostens gegeben, sondern in polemi-
schem Ton einige Lieblings-, man möchte fast sagen: fixe Ideen des Ver-
fassers vorgetragen, die im höchsten Grade unmotiviert sind.

Strzygowski kämpft nämlich gegen Windmühlen, wenn er be-
hauptet, daß er mit >dem zähen Widerstände der herrschenden geistes-
wissenschaftlichen Gruppe« abzurechnen habe. Man kann es mit gutem
Gewissen in Abrede stellen, daß die heutige Kunstwissenschaft unter dem
Banne gewisser vorgefaßter Meinungen stehe. Strzygowskis Ansichten
wurden nach und nach von besonnenen Kritikern nicht aus parteiischer
Voreingenommenheit zurückgewiesen, sondern lediglich darum, weil sie
unbegründet waren.

Der Vorwurf des aggressiven Verhaltens ist in Wirklichkeit gerade
nur Strzygowski gegenüber berechtigt. Er ist es eben, der seine Anhänger
parteipolitisch organisiert und mitHilfe einer systematischen »Expansion«
überall unterzubringen versucht und somit »Macht und Besitz« anstrebt.

Mit welchem Rechte dieses Mal?

Er geht im ersten Kapitel von einer Voraussetzung aus, indem er
sich »geneigt« erklärt, in den Rankenornamenten und Zatteln, die auf einem
Wandbild aus Bäzäklik (Le Coq, Chotscho, Taf. XX) einen Teppich und
eine Jurte zieren, »bezeichnende Proben der altaischen Unterschicht und
des Einflusses der Steppengebiete zu sehen, wie sie sich in Chinesisch-
Turkestan und auf dem Boden des alten Parther- und Indosakenreiches
erwarten lassen«. (Vgl. auch die Behandlung dieses Themas in seinem
Buch »Altai-Iran und Völkerwanderung«, 1917.)

Und diese luftige Hypothese genügt unserem »so vielumstrittenen
Kunstgelehrten« (vgl. Monatshefte für Kunstwissenschaft, 1917, S. 33),
auf ihr als Fundament die ganze Nomadenkunst Hochasiens wieder
aufzubauen: »Die geometrische Ranke und das Lambrequinsmotiv sind
die grundlegenden Elemente dieser Art von Kunstdenkmälern«.

Da wir aber — um wieder Strzygowskis eigene Worte zu ge-
brauchen — »die Kenntnis der Südkulturen in China, Indien, Meso-
potamien, Ägypten und am Mittelmeer als bekannt voraussetzen«, so
erwarten wir von einem jeden objektiven Beurteiler der Frage die Berück-
sichtigung des Umstandes, daß das von Strzygowski herangezogene
Beispiel aus der spätesten uns bekannten Kunst des Östlichen Uiguren-
landes genommen ist. Es steht aber von dieser provinziellen Kunst fest,
daß sie ein Export der chinesischen T'angkultur ist, die wieder einen
hohen Prozentsatz indischer und sassanidisch-persischer Elemente ent-
hält. Wir müssen aber sowohl die in Rede stehende Ranke als auch das
Lambrequinsmotiv auf chinesische Vorbilder zurückführen, da beide »die
grundlegenden Elemente« der dekorativen Kunst sind, die uns in den
Ornamenten der urchinesischen Bronzen erhalten geblieben ist.

Die geometrische Ranke ist uns außerdem unter verschiedenen Be-
nennungen — besonders als »Wolkenmuster«— auch von geschnittenen
Steinen her bekannt. (Läufer, Jade, Fig. 110,111,112,116.) Sie gehört also
tatsächlich zum ältesten uns bekannten Vorrat der chinesischen Kunst.

Auch die früheste, auf erhaltenen Denkmälern nachweisbare
dekorative Kunst der hochasiatischen Nomaden, deren führendes Element
sowohl in vorchristlicher Zeit als auch im Laufe der früheren Völker-
wanderung in den Hunnen bestand (vgl. Hirth, Über Wolgahunnen und

Hiungnu, Sitzungsberichte k. bayr, Akad., 1900, S. 270), ging wohl mit den
chinesischen Zierformen und zwar hauptsächlich mit den geometrischen
Ornamenten der Hanzeit zusammen. (Vgl- meine Ausführungen in der
Ostastiatischen Zeitschrift, IV, S. 174—188, wo demnächst auch ein Han-
Spiegel veröffentlicht werden soll, dessen geometrische Ornamente
Ringe auf Stäbchen — mit dem Zierrat der hunnischen Opfergefäße aufs
engste zusammengehen.) Einen guten Beweis für die Richtigkeit dieser
meiner Behauptung liefert das im Kin-shi-so (Abt. Kin, Fol. 39) abgebildete
Stück einer Bronzetrommel des Hunnenfürsten Ho-Hen P'o-p'o, deren
Publikation ich gleichfalls vorbereite.

Auch die sogenannten skythischen Tierornamente, die Strzy-
gowski als besondere Gruppe behandelt, lassen chinesische Einflüsse
erkennen.

Ich habe schon einmal dieser meiner Meinung in einigen Zeilen
Ausdruck gegeben — Archaeologiai Ertesitö (Archäologische Mit-
teilungen), Neue Folge, Bd. XXXV, Nr. 1—2 — und mir damit gerade
von Strzygowskis Budapester Exponenten einen wichtigtuerischen An-
griff (Archaeologiai Ertesitö, Neue Folge, Bd. XXXV, Nr. 3—5) zuge-
zogen. Ich denke jetzt besonders an die kreisförmig eingebogenen Tier-
figuren aus Metall (Minns, Scythians and Greeks, Fig. 194), deren enge
Verwandtschaft mit den symbolischen chinesischen Tierformen auf
Scheibchen aus Jade, die von ihren Eigentümern am Gürtel getragen
wurden, evident ist. (Vgl. Laufer, Jade, Fig. 125, 127.) Ihre vollkommen
ornamentalen Umbildungen finden sich auf altchinesischeo Bronze-
gefäßen. (Vgl. z. B. das berühmte Opfergefäß von der Silberinsel bei
Chingkiang; Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte, II, S. 104.) Der
am nächsten verwandte Tiertypus (gleichfalls Tiger, wie bei Minns,
Fig. 194) kommt auf dem bekannten Pfeiler des Grabmals der Wu in
Shantung zweimal vor. (Chavannes, La sculpture sur pierre en Chine
aux temps des deux dynasties Han, PI. I.)

Strzygowski geht auf die Frage dieses typologischen und stilisti-
schen Zusammenhanges nicht ein, sondern leitet seine Folgerungen aus
dem Schrägschnitt einiger zu dieser Gruppe gehörender Platten ab. Ich
kann auch diese technische Eigentümlichkeit nicht als solide Basis für die
Aufstellung einer wissenschaftlichen Theorie betrachten, denn Figuren,
die dem von Strzygowski mitgeteilten Beispiel verwandt sind, zeigen nur
ausnahmsweise den Schrägschnitt. Sie sind gewöhnlich wohl sehr breit,
aber in runden Formen modelliert.

Vollkommen falsch ist die Behauptung, daß die kleinen Kreise,
die auf der Tierfigur von Kelermes (Strzygowski, Abb. 3) Augen, Ohren.
Nasenlöcher und Tatzen, und die kleinen Stäbchen, die die Beine der
ornamental verwendeten Tiere andeuten, mit den Ranken auf dem turke-
stanischen Teppich und den Stücken des Goldschatzes von Nagyszent-
miklös identisch seien. Die kleinen Kreise an Stäbchen verdanken
nämlich ihre Entstehung dem Streben nach Vereinfachung, die Ranken
aber der Verschnörkelung der Formen. Sie kommen überdies in Ver-
bindung mit so verschiedenen Grundmotiven vor, daß ihr Vergleich
jedem systematischen Denken widerstreben müßte.

Der Ursprung und die Entwicklung des mehrstreifigen Bandorna-
ments einerseits und der Polygonalornamentik der islamischen Kunst
anderseits bleiben auch nach Strzygowskis Ausführungen offene Fragen.
Auch sein Buch »Altai-Iran und Völkerwanderung« ändert nichts an der
Lage. Es enthält prinzipiell nicht mehr als das hier in Rede stehende
»Op. 155«. Der Hauptunterschied zwischen beiden Arbeiten ist, daß der
Verfasser im »Altai-Iran« nur einen Teil der in diesem Büchlein berück-
sichtigten Probleme behandelt und dank seiner Weitschweifigkeit im
einzelnen noch mehr Fehler begeht.

Man darf natürlich nicht vergessen, daß das mehrstreifige Band-
ornament einerseits in der autochthonen archaischen Kunst der Chinesen,
anderseits in der sumerischen Kunst eine bedeutende Rolle gespielt
hat. Das nordische Bandornament muß dabei letzten Endes doch als
Nachahmung, beziehungsweise stilisierte Darstellung betrachtet werden,
wogegen das polygonale Muster reine geometrische Flächenfüllung ist.

Diese Feststellungen allein dürften genügen, Strzygowskis will-
kürliche und jeder wissenschaftlichen Disziplin entbehrende Rassen-
theorie bei der Klassifizierung seines Materials umzuwerfen. (Seine Di-
stinktion zwischen Türken und Saken, beziehungsweise Ariern ist durch-
 
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