J. Callot, Predigt eines Heiligen. Getuschte Federzeichnung. Paris, Nationalbibliothek.
Alle Kompositionen der florentinischen Zeit gehen in erster Linie auf die Wiedergabe eines Massen- und Raum-
eindruckes aus. Den Höhepunkt und Abschluß dieser Epoche bildet die virtuoseste Probe von Callots Massen- und
Raumkunst: »Der Jahrmarkt von Impruneta« (M. 624) aus dem Jahre 1620. Die Kompositionsstudie — eine getuschte
Federzeichnung in der Albertina — legt wie die Skizzen zum »ersten Zwischenspiel« und zum »Fächer« vor allem
in großen Zügen den Aufbau der Raum- und Massenkomposition fest. Nur das Schema der Komposition ist anders: es
unterscheidet drei scharf akzentuierte, hintereinander liegende Zonen. Das Einzelne ist nur flüchtig umrissen, der Vorder-
grund nicht mehr so eingehend charakterisiert wie auf den Zeichnungen zum »ersten Zwischenspiel« und zum
»Fächer«, denn er ist dem Beschauer nicht mehr so nahe gedacht. Die Linien, im Vordergrund kräftig und bestimmt,
werden gegen die Tiefe zu immer zarter und vager, die Schatten, deren Intensität von vorne nach hinten abnimmt,
sind summarisch in großen Flächen angegeben.
Was der Werdende im barocken Italien gelernt hat, die virtuoseste Raum- und Massendarstellung, ist auch
seinem späteren Schaffen von Nutzen; nur kommt es Callot, den in seinen florentinischen Kompositionen vor allem
die formalen Probleme der Raum- und Massenbewältigung beschäftigt haben, später auf heimatlichem Boden mehr auf
ein gegenständliches breites Erzählen an. Diese epische Tendenz bedingt eine Verkürzung des Tiefenraumes, einen
Aufbau der Komposition in die Breite und eine Bevorzugung des Breitformats (man vergleiche »die erste Versuchung
des heiligen Antonius« aus dem Jahre Kilo [M. 138] mit der zweiten aus dem Jahre 1635 [M. 139]). Die Entwürfe aus
dieser Zeit machen natürlich die Änderungen im kompositioneilen Aufbau mit, bleiben aber der lakonischen, nur das
kompositioneil Wesentliche berücksichtigenden Art der florentinischen Studien treu. Auf Details läßt sich Callot in
seinen Studien nie ein. Detaillierende Zeichnungen erweisen sich fast immer als Nachzeichnungen oder falsche Zu-
schreibungen. Eine in den Offizien aufbewahrte getuschte Federzeichnung des »Jahrmarkts von Impruneta« dürfte
das einzige ganz sichere Beispiel einer bis ins Detail ausgeführten Zeichnung Callots sein. Sie verhält sich zur Ra-
dierung im Gegensinne und weicht von ihr nur in unwesentlichen Einzelheiten ab.1
Einen untergeordneten Spezialfall bilden einige reine Umrißzeichnungen in Bleistift.2 Man bemerkt an den ein-
gegrabenen Linien, daß diese Zeichnungen tale quäle durchgepaust wurden.
Es ist beachtenswert, daß den Realisten Callot in seinen Vorstudien fast ausschließlich kompositionelle Fragen
beschäftigen, während die unmittelbare Naturstudie gar keine Rolle spielt. Man könnte von einer Regiekunst Callots
1 So macht zum Beispiel die Radierung aus der Obstverkaufszene links von dem durch die Senkung im Mittelgrund fahrenden Viergespann
eine Schercnschleiferszene. Rechts von dem Viergespann findet sich auf der Zeichnung eine Gruppe von zwei Flauen (die eine im Profil, die andere en
face), die auf der Radierung weggelassen ist; die Einzelstudie zu dieser Gruppe hat sich in den Offizien erhalten.
'* E. 744, eine miniaturhafte »Kreuztragung«, an die gleiche Szene aus der >großen Passion« erinnernd; die gegensinnige Radierung geht
unter dem Namen: »Le petit portement de croix de latabatiere d'or de Lorraine« (M. 9). — E. 743, eine Himmelfahrt Maria, gegensinnige Vorlage zu
M. gg,__g. M. lt. 1782, eine Wiederholung der Lanzenstichszene aus der »kleinen Passion« (M.30). Von Israel Silvestre im Gegensinne radiert (M. 94).
Alle Kompositionen der florentinischen Zeit gehen in erster Linie auf die Wiedergabe eines Massen- und Raum-
eindruckes aus. Den Höhepunkt und Abschluß dieser Epoche bildet die virtuoseste Probe von Callots Massen- und
Raumkunst: »Der Jahrmarkt von Impruneta« (M. 624) aus dem Jahre 1620. Die Kompositionsstudie — eine getuschte
Federzeichnung in der Albertina — legt wie die Skizzen zum »ersten Zwischenspiel« und zum »Fächer« vor allem
in großen Zügen den Aufbau der Raum- und Massenkomposition fest. Nur das Schema der Komposition ist anders: es
unterscheidet drei scharf akzentuierte, hintereinander liegende Zonen. Das Einzelne ist nur flüchtig umrissen, der Vorder-
grund nicht mehr so eingehend charakterisiert wie auf den Zeichnungen zum »ersten Zwischenspiel« und zum
»Fächer«, denn er ist dem Beschauer nicht mehr so nahe gedacht. Die Linien, im Vordergrund kräftig und bestimmt,
werden gegen die Tiefe zu immer zarter und vager, die Schatten, deren Intensität von vorne nach hinten abnimmt,
sind summarisch in großen Flächen angegeben.
Was der Werdende im barocken Italien gelernt hat, die virtuoseste Raum- und Massendarstellung, ist auch
seinem späteren Schaffen von Nutzen; nur kommt es Callot, den in seinen florentinischen Kompositionen vor allem
die formalen Probleme der Raum- und Massenbewältigung beschäftigt haben, später auf heimatlichem Boden mehr auf
ein gegenständliches breites Erzählen an. Diese epische Tendenz bedingt eine Verkürzung des Tiefenraumes, einen
Aufbau der Komposition in die Breite und eine Bevorzugung des Breitformats (man vergleiche »die erste Versuchung
des heiligen Antonius« aus dem Jahre Kilo [M. 138] mit der zweiten aus dem Jahre 1635 [M. 139]). Die Entwürfe aus
dieser Zeit machen natürlich die Änderungen im kompositioneilen Aufbau mit, bleiben aber der lakonischen, nur das
kompositioneil Wesentliche berücksichtigenden Art der florentinischen Studien treu. Auf Details läßt sich Callot in
seinen Studien nie ein. Detaillierende Zeichnungen erweisen sich fast immer als Nachzeichnungen oder falsche Zu-
schreibungen. Eine in den Offizien aufbewahrte getuschte Federzeichnung des »Jahrmarkts von Impruneta« dürfte
das einzige ganz sichere Beispiel einer bis ins Detail ausgeführten Zeichnung Callots sein. Sie verhält sich zur Ra-
dierung im Gegensinne und weicht von ihr nur in unwesentlichen Einzelheiten ab.1
Einen untergeordneten Spezialfall bilden einige reine Umrißzeichnungen in Bleistift.2 Man bemerkt an den ein-
gegrabenen Linien, daß diese Zeichnungen tale quäle durchgepaust wurden.
Es ist beachtenswert, daß den Realisten Callot in seinen Vorstudien fast ausschließlich kompositionelle Fragen
beschäftigen, während die unmittelbare Naturstudie gar keine Rolle spielt. Man könnte von einer Regiekunst Callots
1 So macht zum Beispiel die Radierung aus der Obstverkaufszene links von dem durch die Senkung im Mittelgrund fahrenden Viergespann
eine Schercnschleiferszene. Rechts von dem Viergespann findet sich auf der Zeichnung eine Gruppe von zwei Flauen (die eine im Profil, die andere en
face), die auf der Radierung weggelassen ist; die Einzelstudie zu dieser Gruppe hat sich in den Offizien erhalten.
'* E. 744, eine miniaturhafte »Kreuztragung«, an die gleiche Szene aus der >großen Passion« erinnernd; die gegensinnige Radierung geht
unter dem Namen: »Le petit portement de croix de latabatiere d'or de Lorraine« (M. 9). — E. 743, eine Himmelfahrt Maria, gegensinnige Vorlage zu
M. gg,__g. M. lt. 1782, eine Wiederholung der Lanzenstichszene aus der »kleinen Passion« (M.30). Von Israel Silvestre im Gegensinne radiert (M. 94).