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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3682#0009
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J. Call..;. Reiterschlacht, Mit Bister lavierte Bleistiftzeichnung. Petersburg, Eremitage (Sammlung Cobenzl), Nr. 577.

sprechen und seine Entwürfe mit Szenarien vergleichen. Sein strenges Festhalten an kompositionellen Regeln ist
italienisch, die mathematische Sicherheit, die »clarte« seiner Komposition ebenso französisch wie sein durch formale
Rücksichten gebändigter Wirklichkeitssinn.

Die Frage, ob Callot gemalt hat, ist oft gestellt und verschieden beantwortet worden. Mit Sicherheit hat man
jedenfalls bisher keines der in Betracht kommenden Gemälde für Callot in Anspruch nehmen können.1 Als Radierer
hat Callot eine stetige Entwicklung zum Weichen, Flimmernden durchgemacht, aber nur zweimal (in der -heiligen
Familie« [M. 05] und in den »Falschspielern« [M. 666]) das wenig geglückte Experiment unternommen, auch auf der
Platte die Linie zugunsten heller und dunkler Kontrastflächen zu eliminieren. In vielen seiner Handzeichnungen da-
gegen tritt uns eine ausgespiochen optisch-malerische Tendenz entgegen. In der Art, wie er in einigen seiner Tusch-
zeichnungen den Raum nicht so sehr durch die Linearperspektive als vielmehr durch optische Kontrasteffekte schafft,
nähert er sich dem malerischen Illusionsstil eines Tintoretto. Eine malerisch-suggestive Wirkung, wie sie die Vorstudie
zur •■ Reiterschlacht« (M. 566) im Brit. Museum (H. 12) oder die Skizze einer Reiterschlacht in dem durch Hell- und
Dunkelkontraste allein ausgedrückten Furioso einer Bewegung erreicht, war keiner Radierung Callots vergönnt. Auf
einen feierlich rhythmischen Zweiklang von Schwarz-Weiß gestimmt, wirkt die mit Bister lavierte Federzeichnung zum
»Einzug der MM. Couvonge et de Chalabre« (E. 1525) dekorativ-monumental wie ein römisches Barockfresko (die
friesartige Komposition läßt an Guido Renis Aurora« oder an A. Caraccis »Bacchuszug« denken), während der ver-
deutlichenden Radierung (M. 4,11) nur der Reiz einer flotten Illustration zukommt. Je mehr Caliots Entwicklung
fortschreitet, desto stärker wird seine malerische Tendenz, und daraus erklärt es sich, daß wir aus seinen späteren
Jahren hauptsächlich lavierte Kohlen- oder Kreidezeichnungen besitzen, bei denen die Linie so gut wie gar nicht zu
Worte kommt, während die lavierten Federzeichnungen der florentinischen Zeit auf die Linie noch nicht verzichten.
(Ein Rückfall liegt uns in der getuschten Federzeichnung zum Porträt des Malers Deruet vor [G. M. IL 1771]. Es ist
merkwürdig, daß diese späte Arbeit aus dem Jahre 1632 auch ein ganz florentinisches Kompositionsschema ver-
wendet.)

Wie Callot in seinen Kompositionsentwürfen nur das kompositionell Wesentliche berücksichtigt, so hält er in
seinen Figurenstudien nur das Charakteristische fest. Jede Detaillierung fehlt. Hände, Füße und Köpfe sind in seiner
Zeichnung vernachlässigt. Dagegen herrscht über die funktionellen Partien des Körpers vollkommene Klarheit.

Ein gewisser, höchst persönlich gefärbter Manierismus ist der Linie Callots immer eigen; er wirkt allerdings in
den frühesten Studien aufdringlicher als in den Zeichnungen der reiferen Jahre. Doch bleiben kapriziöse Kurven und
Kanten durchgängige Merkmale der Handschrift Callots. Niemals artet aber die Linie zum kalligraphischen Schnörkel
aus; in der Karikatur, wo ihre spielerische Ungebundenheit der Grenze rein arabeskenhafter Linearität nahekommt
(siehe zum Beispiel ein Karikaturenblatt in den Uffizien, abgebildet bei H.Nasse: Callot, Taf. 16), drückt sie in einem
höheren Grade noch als das Sachliche allein die groteske Laune des Künstlers aus.

1 Zur Frage, ob Callot geraalt hat, siehe: De Haldat: Examen d'un tableau attribue a Jacques Callot in den Memoires de ia societe des scienecs
et des arts, Nancy 1S47, pag. 167. (Dieser Autor schreibt Callot mehrere Gemälde zu). — Memoires de l'academie de Stanislas, Nancy 1877.
(Meaume über Callot als Maler.) — E. Meaume: Tableaux faussement attribues ä Jacques Callot, Nancy 1878. — Zeitschrift Tür bildende Kunst,
XXI. 1010: H. Voß, Zwei Gemälde Callots im Warschauer Museum. Voß schreibt diese Gemälde wohl mit Recht Lissandro Magnasco zu.
 
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