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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3682#0030
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Abb. 1. J. W, Baur, Titelblatt zu einer Metamorphosenfolge. Zeichnung.

und man kann es verfolgen, wie die Gewohnheit der Miniaturmalerei bisweilen bei Baur überwiegt und ihn in den
Zeichnungen die Rücksicht auf die Umsetzung vergessen läßt. Meist wohl hält die Linke das Schwert und ist die Scheide
rechts gegürtet; doch Perseus schwingt es in der Rechten und Tereus zieht es aus der Scheide, die zu seiner Linken
hängt. Bei anderen für die rechte Hand charakteristischen Gesten schwankt der Künstler; der Bogen oder die Keule
wandert von der Rechten in die Linke, ebenso das eindrucksvolle Zepter oder die Zaubergefäße, die dann recht
ängstlich — in der Radierung oder der Zeichnung — in der Linken zittern; und Pygmalion arbeitet an seiner Galathea
den Griffel in der Rechten — dann in der Radierung ein unfreiwilliger Beweis der bisweilen aufgestellten Theorie
der Linkshändigkeit des Künstlers. Doch das sind nur die gröberen Merkzeichen für Sinn und Gegensinn. Weniger
handgreiflich sind die nach der Richtung verschiedenen Wirkungen der kompositioneilen Anordnung in ihrem Ver-
hältnis zum Bewegungseindruck. Die von links nach rechts ausschwingende motorische Kraft zwingt den Beschauer
intensiver als die in der umgekehrten Richtung; der Dahinstürmende kommt fürs Auge schneller vorwärts, wenn er den
Weg nach rechts nimmt als nach links. Es ist eine Tatsache, auf deren psychologische und physiologische Grund-
ursachen hier nicht näher eingegangen werden soll. Die Künstler arbeiten mit ihr — bewußt und unbewußt —; sie
verwenden die Links-Rechts-Richtung zum sieghaft dahinbrausenden Kampfsturm, zum Fluten der erregten
Volksmenge, zum ungehemmten Wettlauf nach dem Ziel. Von rechts nach links stolpert das weinschwere Gefolge des
Bacchus und entrollt sich langsam das festliche Gepränge des Triumphzuges, dessen reiche eindrucksvolle Einzel-
glieder das Auge festhalten möchte. Von links nach rechts jagen die Gestalten an uns vorüber, von rechts nach links
kommen sie auf uns zu. Was von der Bewegung der Masse, des Einzelnen gilt, noch mehr gilt es von der schnellsten
Bewegung, dem Flug des Steines, Speeres oder Pfeiles, der durch die Luft saust und sein Opfer niederstreckt; denn
die Bahn des Geschosses wird nicht dargestellt, nicht der Stein auf seinem Weg durch den Raum, oder der Speer und
Pfeil, der schon aus der Hand, vom Bogen geschnellt, hinüberzuckt; der Künstler bringt nur das erste oder das letzte
Stadium, den Augenblick vor dem Wurf oder den Effekt des Geschosses; so hilft ihm nicht eine augenscheinliche Dar-
stellung, hier kann er sich nur auf die Bewegungsassoziationen verlassen. Die Gebärde des Schützen, der Ausdruck des
niedergeschmetterten Gegners werden ihre begriffliche Sprache zu unserem Verstand sprechen, daß hier ein Schuß
geschehen ist; die Richtung der Bahn aber von links nach rechts wird uns die Überzeugung aufzwingen, ohne daß
wir dieser assoziativen Hilfe bewußt werden.

Auch Baur kennt die unterschiedene Bedeutung der Bewegungsrichtung. In der Zeichnung jagen von rechts her
die Götter den geliebten Nymphen nach, von rechts her ereilen die Hunde den Aktäon, flieht Thisbe den Löwen; von

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