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Abb. 7. J. W. Baur, Kindermord. Zeichnung.
aber liegen noch vor der Anpassung an della Bella und dürften bald nach dem Erscheinen von Callots Radierungen,
vielleicht noch bevor Baur nach Italien kam (1631), entstanden sein.
Die zweite Gruppe der im Klebeband erhaltenen Zeichnungen trägt ihre beiläufige Datierung in sich; denn in
ihnen sind die Eindrücke der italienischen Reise festgehalten, von dem lauten Volksgetriebe in Neapel angefangen —
wo Baurs Aufenthalt durch seine Radierung des am 16. Dezember 1631 erfolgten Vesuvausbruches und durch einen
Brief della Bellas vom 13. Februar 1633 zeitlich umschrieben ist (Thiemes Künstlerlexikon) — zu den stilleren Gärten
in der Umgebung Roms, die auch in einer anderen Folge — Vedute de' Giardini, 6 Blätter, 1636 — von
ihm radiert sind. Diese Blätter sind die am besten erhaltenen und am geistreichsten gezeichneten (Feder-
zeichnungen, laviert) des ganzen Stockes. In ihnen kommt Baur nicht nur im allgemeinen Stimmungsgehalt der Figuren,
auch in der überraschenden Freiheit ihrer Linienführung der allgemeinen Richtung des genialen Italieners am nächsten.
Und wenn die Paare auch nur als unbetonte Statisten im Garten spazieren gehen oder der zerlumpte Bettler mit seinem
Hund als leere Staffage sich an der Treppe sonnt oder die bunte Volksmenge in Neapel an dem Kai, wo die Scharlatane
feilhalten, herumstolziert, so sind diese Namenlosen doch so lebendig erfaßt und wiedergegeben, daß man in jedem
den starken Ausdruck seines Volkscharakters erkennt. Baur kennt die selige Unbekümmertheit, das Dolcefarniente
des italienischen Lazzarone, er weiß es, wie der Spanier auf Santa Lucia den Degen unter dem Mantel hebt und der
französische Stutzer paradiert. Das Auge des Nordländers, der sich in der Fremde herumtreibt, hat sich geübt, auf die
verschiedenen Merkmale der Völker zu achten. Für den Herzog von Bracciano hat Baur eine Folge Völkertrachten
radiert (1636) und für Federico Colonna, wie die verschiedenen Nationen kämpfen; hier wird er mit seiner besonderen
Gabe auch über die durch das traditionelle Schema gegebenen typischen Kennzeichen hinausgegangen sein. Von Baur
gibt es ein großes Blatt, das unseren Prater vorstellt, in dem der Wiener sich erlustigt. Ein Landschaftsausschnitt
nur; eine eigene Stimmung webt zwischen den großen Bäumen im freien Raum. Ob es Baur auch gelungen ist, das
unserem Prater besondere Wesen zu erfassen? Fast möchten wir es glauben, denn dieses Blatt fällt unter den
übrigen Veduten durch seinen anderen Charakter auf und eine ähnliche »Praterstimmung«, wie wir sie heute in seiner
freien Natur empfinden, spricht zu uns. E. Tietze-Conrat.
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Abb. 7. J. W. Baur, Kindermord. Zeichnung.
aber liegen noch vor der Anpassung an della Bella und dürften bald nach dem Erscheinen von Callots Radierungen,
vielleicht noch bevor Baur nach Italien kam (1631), entstanden sein.
Die zweite Gruppe der im Klebeband erhaltenen Zeichnungen trägt ihre beiläufige Datierung in sich; denn in
ihnen sind die Eindrücke der italienischen Reise festgehalten, von dem lauten Volksgetriebe in Neapel angefangen —
wo Baurs Aufenthalt durch seine Radierung des am 16. Dezember 1631 erfolgten Vesuvausbruches und durch einen
Brief della Bellas vom 13. Februar 1633 zeitlich umschrieben ist (Thiemes Künstlerlexikon) — zu den stilleren Gärten
in der Umgebung Roms, die auch in einer anderen Folge — Vedute de' Giardini, 6 Blätter, 1636 — von
ihm radiert sind. Diese Blätter sind die am besten erhaltenen und am geistreichsten gezeichneten (Feder-
zeichnungen, laviert) des ganzen Stockes. In ihnen kommt Baur nicht nur im allgemeinen Stimmungsgehalt der Figuren,
auch in der überraschenden Freiheit ihrer Linienführung der allgemeinen Richtung des genialen Italieners am nächsten.
Und wenn die Paare auch nur als unbetonte Statisten im Garten spazieren gehen oder der zerlumpte Bettler mit seinem
Hund als leere Staffage sich an der Treppe sonnt oder die bunte Volksmenge in Neapel an dem Kai, wo die Scharlatane
feilhalten, herumstolziert, so sind diese Namenlosen doch so lebendig erfaßt und wiedergegeben, daß man in jedem
den starken Ausdruck seines Volkscharakters erkennt. Baur kennt die selige Unbekümmertheit, das Dolcefarniente
des italienischen Lazzarone, er weiß es, wie der Spanier auf Santa Lucia den Degen unter dem Mantel hebt und der
französische Stutzer paradiert. Das Auge des Nordländers, der sich in der Fremde herumtreibt, hat sich geübt, auf die
verschiedenen Merkmale der Völker zu achten. Für den Herzog von Bracciano hat Baur eine Folge Völkertrachten
radiert (1636) und für Federico Colonna, wie die verschiedenen Nationen kämpfen; hier wird er mit seiner besonderen
Gabe auch über die durch das traditionelle Schema gegebenen typischen Kennzeichen hinausgegangen sein. Von Baur
gibt es ein großes Blatt, das unseren Prater vorstellt, in dem der Wiener sich erlustigt. Ein Landschaftsausschnitt
nur; eine eigene Stimmung webt zwischen den großen Bäumen im freien Raum. Ob es Baur auch gelungen ist, das
unserem Prater besondere Wesen zu erfassen? Fast möchten wir es glauben, denn dieses Blatt fällt unter den
übrigen Veduten durch seinen anderen Charakter auf und eine ähnliche »Praterstimmung«, wie wir sie heute in seiner
freien Natur empfinden, spricht zu uns. E. Tietze-Conrat.
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