C. Falsche Zuschveibungen.
20. Junger Kavalier. Federzeichnung, wahrscheinlich von Stefano della Bella.
21—23. Drei graulavierte Federzeichnungen, die sich zu M.490 und M. 499
(Festwagen zum »Combat ä la barriere«) im Gegensinne verhalten. Inre krause
Linienführung erinnert an Cantagallma. Da sie einerseits nicht von Callot sein
können, anderseits auch keine Nachzeichnungen nach den Radierungen sind, liegt
es nahe, sieDeruet, dem Hofmaler von Nancy, zuzuschreiben, der, wie wir wissen,
die Dekorationen zum »Combat ä la barriere« entworfen hat.
24—35. Zeichnungen von unterschiedlichen Händen.
MÜNCHEN, KÖNIGLICHE GRAPHISCHE SAMMLUNG.
Eine Originalzeichnung.
Kreuzigung. Im Gegensinne zur Kreuzigung aus der großen Passion
(M. 18). Von der Radierung, die Israel Silvestre nach einer Zeichnung Callots
radiert hat, beträchtlich verschieden. Braungetuschte, weißgehöhte Pinselzeichnung,
die nur selten die Vorzeichnung in schwarzer Kreide erkennen laßt. Einem Stempel
auf der Rückseite zufolge aus Mannheimer Besitz.
Hermann Nasse: Monatshefte für Kunstwissenschaft, V, 1912, Abbildung
auf T. 55. Leo Zahn.
J. Callot, Titelblatt zu den »Divers sujets
reunis« (M. 90—98). Mit Bister lavierte Blei-
süftstudie zu M. 90. Petersburg, Eremitage,
Nr. 939.
Besprechungen neuer Erscheinungen.
Edouard Manet. Erinnerungen von A. Proust.
Veröffentlicht von A. Barthelemy. Berlin, Bruno Cassirer.
Diese Erinnerungen an Manet von Antonin Proust, dem lang-
jährigen Freunde des Künstlers, der während seiner kurzen Minister-
schaft so warm für den ehrgeizigen und durch maßlose Verkennung
bitter gekränkten Jugendgenossen eingetreten war, bieten dem Leser eine
leichte Enttäuschung. Während die Manet-Monographie eines andern
Freundes des Künstlers, die des Schriftstellers Theodore Duret, nicht nur
als Quellenmaterial und wegen des ausführlichen Oeuvrekataloges für die
Mit- und Nachwelt von bleibendem Werte ist, sondern auch ein klares
Bild von Manets künstlerischen Bestrebungen entwirft, liegt das
(jewicht der Ausführungen Prousts nicht auf der Gesamtdarstellung,
sondern nur auf den Einzelheiten. Im Wesentlichen haben wir nicht mehr
vor uns als eine Anekdotensammlung, die der wahren Bedeutung dieses
ersten Bahnbrechers des Impressionismus nur höchst unvollkommen
gerecht wird. Durch die Aneinanderreihung von menschlich Wichtigem
und Belanglosem, von künstlerisch Feinsinnigem und Banalem wird das
eigentliche Wesen dieses wahrhaft vornehmen Menschen und höchst
kultivierten Künstlers zuweilen mehr verschleiert als klargelegt. Den
kunsthistorischen Wert des Buches macht vor allem die ausführliche
Schilderung der Studienjahre Manets bei Couture aus, die Duret, der den
Künstler erst 1865 in Madrid kennen gelernt hatte, nur in ihrer allge-
meinen Wirkung beschrieb. Menschlich fesseln in erster Linie die Briefe,
die Manet wahrend der Belagerung von Paris an seine Frau schrieb und
die in so maßvoll zurückhaltendem und gleichzeitig liebevoll besorgtem
Tone gehalten sind. Daß diesen Erinnerungen stellenweise auch jener
persönliche Zauber fehlt, den sonst selbst die Memoiren von unbe-
deutenden Lebensgelahrten großer Männer auf uns ausüben, Hegt wohl
daran, daß Prousts Dokumente von einer anderen Feder überarbeitet
und vervollständigt worden sind. Die vorliegende deutsche Ausgabe
zeichnet sich durch geschmackvolle typographische Ausstattung und
durch die geschickte Wahl der Illustrationen aus. Es berührt wohl-
tuend, auch einer Anzahl selten publizierter Werke des Meisters zu be-
gegnen. L. v. B.
Vincent van Gogh, Briefe an seinen Bruder. Zu-
sammengestellt von Jota van Gogh-Bonger. 2 Bände. Berlin,
Paul Cassirer 1914.
Aus demXIX.Jabrhundertsind uns mehr als aus irgendeinem andern
literarische Dokumente von Künstlern erhalten, in denen sie ihre Ideen
und künstlerischen Absichten aussprachen. Eine nicht minder wichtige
Rolle als die theoretische Abhandlung und die Selbstbiographie, die sich
an die Allgemeinheit wenden, spielt die intime persönliche Mitteilung: der
Brief. Zahlreiche Publikationen der letzten Zeit zeugen von der steigen-
den Einsicht des hohen historischen Wertes, den Künstlerbriefe besitzen.
Vincent van Goghs Briefe gehören zu den bedeutendsten und bilden eine
der wichtigsten Grundlagen für die geschichtliche Erkenntnis des Vm-
schwungs der malerischen Entwicklung vom Impressionismus zur letzten
Phase, deren größte Erscheinungen er und Cezanne sind. Die Fülle der
tiefen Gedanken, die ihn bewegten, faßte er nicht wie sein großer Vor-
läufer Delacroix in Essays und literarischen Werken zusammen, doch er
verlieh ihnen Ausdruck in den Briefen an seine Freunde und vor allem
an seinen Bruder Theo, mit dem sein künstlerisches und menschliches
Schicksal eng verknüpft ist. Er selbst schrieb einst an ihn: »Es wird viel-
leicht interessant sein, die Briefe der Künstler aufzuheben«. Und Theo
bewahrte pietätvoll die Menge der Mitteilungen Vincents, die in einer
großen Gesamtausgabe, besorgt von Frau J. van Gogh-Bonger, erschienen.
Eine gewaltige Flut von künstlerischen Ideen, die um Ausdruck rangen,
durchströmte ihn, so daß seine Produktion in den letzten Jahren einem
Vulkanausbruch glich und er in kürzester Zeit eine ungeheure Entwick-
lung zurücklegte. Ebenso drängte es ihn, in künstlerischen, allgemein
geistigen und ethischen Fragen sich aus der Überfülle seines Herzens
anderen mitzuteilen. Der Wert seiner Briefe hegt nicht nur in ihrer Be-
deutung für die Kunstwissenschaft. Sie sind auch ein großes literarisches
Denkmal, sind selbst Kunstwerke und gehören zu den menschlich
ergreifendsten Dokumenten.
Die Briefe umfassen den Zeitraum 1872 bis 1S9U. Für seine künst-
lerische Entwicklung kommen natürlich nur die des letzten Jahrzehnts in
Betracht, vor allem die der spätesten, in Südfrankreich und Auvers-sur-
Oise verbrachten Jahre, in denen er die große künstlerische Tat vollzog,
die den Umschwung der neuen Malerei zur Folge hatte. Aber auch die
Briefe aus der vorhergehenden Zeit sind von hohem Interesse. Sie unter-
richten uns von seiner künstlerischen Anschauung und Umgebung, aus
der die frühe »holländische« Periode seiner Kunst hervorwuchs. Nicht
allein das. Van Gogh war ein so umfassender Geist, nahm so brennend
Anteil an geistigen Problemen, versenkte sich mit solcher Inbrunst in die
verschiedensten Erscheinungen und opferte sich mit so selbstloser Hin-
gebung seinen hohen ethischen Begriffen auf, daß er dadurch eine der
fesselndsten Erscheinungen des Geisteslebens im vergangenen Jahrhun-
dert wird. Obwohl er später das, was ihn damals bewegte, eine Jugend-
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20. Junger Kavalier. Federzeichnung, wahrscheinlich von Stefano della Bella.
21—23. Drei graulavierte Federzeichnungen, die sich zu M.490 und M. 499
(Festwagen zum »Combat ä la barriere«) im Gegensinne verhalten. Inre krause
Linienführung erinnert an Cantagallma. Da sie einerseits nicht von Callot sein
können, anderseits auch keine Nachzeichnungen nach den Radierungen sind, liegt
es nahe, sieDeruet, dem Hofmaler von Nancy, zuzuschreiben, der, wie wir wissen,
die Dekorationen zum »Combat ä la barriere« entworfen hat.
24—35. Zeichnungen von unterschiedlichen Händen.
MÜNCHEN, KÖNIGLICHE GRAPHISCHE SAMMLUNG.
Eine Originalzeichnung.
Kreuzigung. Im Gegensinne zur Kreuzigung aus der großen Passion
(M. 18). Von der Radierung, die Israel Silvestre nach einer Zeichnung Callots
radiert hat, beträchtlich verschieden. Braungetuschte, weißgehöhte Pinselzeichnung,
die nur selten die Vorzeichnung in schwarzer Kreide erkennen laßt. Einem Stempel
auf der Rückseite zufolge aus Mannheimer Besitz.
Hermann Nasse: Monatshefte für Kunstwissenschaft, V, 1912, Abbildung
auf T. 55. Leo Zahn.
J. Callot, Titelblatt zu den »Divers sujets
reunis« (M. 90—98). Mit Bister lavierte Blei-
süftstudie zu M. 90. Petersburg, Eremitage,
Nr. 939.
Besprechungen neuer Erscheinungen.
Edouard Manet. Erinnerungen von A. Proust.
Veröffentlicht von A. Barthelemy. Berlin, Bruno Cassirer.
Diese Erinnerungen an Manet von Antonin Proust, dem lang-
jährigen Freunde des Künstlers, der während seiner kurzen Minister-
schaft so warm für den ehrgeizigen und durch maßlose Verkennung
bitter gekränkten Jugendgenossen eingetreten war, bieten dem Leser eine
leichte Enttäuschung. Während die Manet-Monographie eines andern
Freundes des Künstlers, die des Schriftstellers Theodore Duret, nicht nur
als Quellenmaterial und wegen des ausführlichen Oeuvrekataloges für die
Mit- und Nachwelt von bleibendem Werte ist, sondern auch ein klares
Bild von Manets künstlerischen Bestrebungen entwirft, liegt das
(jewicht der Ausführungen Prousts nicht auf der Gesamtdarstellung,
sondern nur auf den Einzelheiten. Im Wesentlichen haben wir nicht mehr
vor uns als eine Anekdotensammlung, die der wahren Bedeutung dieses
ersten Bahnbrechers des Impressionismus nur höchst unvollkommen
gerecht wird. Durch die Aneinanderreihung von menschlich Wichtigem
und Belanglosem, von künstlerisch Feinsinnigem und Banalem wird das
eigentliche Wesen dieses wahrhaft vornehmen Menschen und höchst
kultivierten Künstlers zuweilen mehr verschleiert als klargelegt. Den
kunsthistorischen Wert des Buches macht vor allem die ausführliche
Schilderung der Studienjahre Manets bei Couture aus, die Duret, der den
Künstler erst 1865 in Madrid kennen gelernt hatte, nur in ihrer allge-
meinen Wirkung beschrieb. Menschlich fesseln in erster Linie die Briefe,
die Manet wahrend der Belagerung von Paris an seine Frau schrieb und
die in so maßvoll zurückhaltendem und gleichzeitig liebevoll besorgtem
Tone gehalten sind. Daß diesen Erinnerungen stellenweise auch jener
persönliche Zauber fehlt, den sonst selbst die Memoiren von unbe-
deutenden Lebensgelahrten großer Männer auf uns ausüben, Hegt wohl
daran, daß Prousts Dokumente von einer anderen Feder überarbeitet
und vervollständigt worden sind. Die vorliegende deutsche Ausgabe
zeichnet sich durch geschmackvolle typographische Ausstattung und
durch die geschickte Wahl der Illustrationen aus. Es berührt wohl-
tuend, auch einer Anzahl selten publizierter Werke des Meisters zu be-
gegnen. L. v. B.
Vincent van Gogh, Briefe an seinen Bruder. Zu-
sammengestellt von Jota van Gogh-Bonger. 2 Bände. Berlin,
Paul Cassirer 1914.
Aus demXIX.Jabrhundertsind uns mehr als aus irgendeinem andern
literarische Dokumente von Künstlern erhalten, in denen sie ihre Ideen
und künstlerischen Absichten aussprachen. Eine nicht minder wichtige
Rolle als die theoretische Abhandlung und die Selbstbiographie, die sich
an die Allgemeinheit wenden, spielt die intime persönliche Mitteilung: der
Brief. Zahlreiche Publikationen der letzten Zeit zeugen von der steigen-
den Einsicht des hohen historischen Wertes, den Künstlerbriefe besitzen.
Vincent van Goghs Briefe gehören zu den bedeutendsten und bilden eine
der wichtigsten Grundlagen für die geschichtliche Erkenntnis des Vm-
schwungs der malerischen Entwicklung vom Impressionismus zur letzten
Phase, deren größte Erscheinungen er und Cezanne sind. Die Fülle der
tiefen Gedanken, die ihn bewegten, faßte er nicht wie sein großer Vor-
läufer Delacroix in Essays und literarischen Werken zusammen, doch er
verlieh ihnen Ausdruck in den Briefen an seine Freunde und vor allem
an seinen Bruder Theo, mit dem sein künstlerisches und menschliches
Schicksal eng verknüpft ist. Er selbst schrieb einst an ihn: »Es wird viel-
leicht interessant sein, die Briefe der Künstler aufzuheben«. Und Theo
bewahrte pietätvoll die Menge der Mitteilungen Vincents, die in einer
großen Gesamtausgabe, besorgt von Frau J. van Gogh-Bonger, erschienen.
Eine gewaltige Flut von künstlerischen Ideen, die um Ausdruck rangen,
durchströmte ihn, so daß seine Produktion in den letzten Jahren einem
Vulkanausbruch glich und er in kürzester Zeit eine ungeheure Entwick-
lung zurücklegte. Ebenso drängte es ihn, in künstlerischen, allgemein
geistigen und ethischen Fragen sich aus der Überfülle seines Herzens
anderen mitzuteilen. Der Wert seiner Briefe hegt nicht nur in ihrer Be-
deutung für die Kunstwissenschaft. Sie sind auch ein großes literarisches
Denkmal, sind selbst Kunstwerke und gehören zu den menschlich
ergreifendsten Dokumenten.
Die Briefe umfassen den Zeitraum 1872 bis 1S9U. Für seine künst-
lerische Entwicklung kommen natürlich nur die des letzten Jahrzehnts in
Betracht, vor allem die der spätesten, in Südfrankreich und Auvers-sur-
Oise verbrachten Jahre, in denen er die große künstlerische Tat vollzog,
die den Umschwung der neuen Malerei zur Folge hatte. Aber auch die
Briefe aus der vorhergehenden Zeit sind von hohem Interesse. Sie unter-
richten uns von seiner künstlerischen Anschauung und Umgebung, aus
der die frühe »holländische« Periode seiner Kunst hervorwuchs. Nicht
allein das. Van Gogh war ein so umfassender Geist, nahm so brennend
Anteil an geistigen Problemen, versenkte sich mit solcher Inbrunst in die
verschiedensten Erscheinungen und opferte sich mit so selbstloser Hin-
gebung seinen hohen ethischen Begriffen auf, daß er dadurch eine der
fesselndsten Erscheinungen des Geisteslebens im vergangenen Jahrhun-
dert wird. Obwohl er später das, was ihn damals bewegte, eine Jugend-
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