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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3682#0058
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Abb. 1. Initiale B auf fol. 9 des Cod. M. S. 359 m Kremstnünster.

Buchstabe B des Holzschnittalphabets von 1464
im Britischen Museum.

Kodex der Bibliotbeque nationale zu Paris (ms.
lat. 1173, fol. 52),' in einem Musterbuch des
Ashmolean-Museums zu Oxford (Ms. 1504)2
und in einer Handschrift des Schachzabelbuches von Konrad von Ammenhausen in der königlichen Bibliothek zu
Stuttgart.3

Unter den Bücherschätzen des Stiftes Kremsmünster wird ein Psalterium bewahrt (Cod. M. S. 359), das im
Jahre 1465 für den Abt Ulrich IV. Schoppenzaun geschrieben und ausgeschmückt wurde.4 Der unselbständige und
provinzielle Stil der Miniaturen zeigt nahe Beziehungen zu anderen Buchmalereien der österreichischen Alpenländer,
und so steht der Annahme, daß es sich um ein Produkt lokaler Kunstübung handelt, nichts im Wege.0

In dem Psalterium finden sich neben einigen Randleisten auch zwei Figureninitialen, die Majuskeln B (fol. 9) und
D (fol. 120) (Abb. 1 und 3),6 die schon bei flüchtigem Vergleich einen engen Zusammenhang mit den entsprechenden
Buchstaben des Holzschnittalphabets von 1464 erkennen lassen (Abb. 2 und 4). Während jedoch die vorerwähnten
Kopien dieses Alphabets sich durch genaue Übernahme der ikonographischen Motive, durch eine fast völlige Kongruenz
der Formen deutlich als Nachahmungen zu erkennen geben, weichen die Figureninitialen in Kremsmünster, ungeachtet
übereinstimmender Gesamtkonzeption, in allen wesentlichen Einzelheiten von den Holzschnitten ab.

Beide Darstellungen des Buchstabens B (Abb. 1 und 2), dessen Form in Kremsmünster durch das in die Mitte
eingefügte Bild etwas verbreitert ist, zeigen innerhalb eines ähnlichen Rahmens in der linken Hasta übereinstimmend
einen Trommler und Flötenbläser, der auf den Schultern eines Knienden steht. Während Kopfhaltung und Körper-
wendung des Musikanten auf beiden Kompositionen beibehalten erscheint, weisen die Stellung der Füße, die Haltung
der Arme, die Lage der Trommel, Kostüm und Faltengebung merkliche Verschiedenheiten auf. Die Kapuze reicht auf
der Miniatur tief über die Schultern herab und ist mit Fransen besetzt, die Füße tragen keine Schuhe und der breite,
etwas herabhängende Ärmel des Holzschnittes ist hier einer engeren Form gewichen. Auch Haartracht, Kostüm und
Haltung des Knienden sind wesentlich verändert. Auf der Miniatur ruht er plump auf beiden Knien, auf die er breit die

1 Henry Martin, Les miniaturistes ä l'exposition des Prirmtifs Francais. Bulletin du bibliophile 1905, Figur 33. — Jaro Springer, Das Basler
Holzschnittalphabet von 1464 in einer gleichzeitigen französischen Miniatur. Kunstchronik N. F. XVI, Nr. 31.

2 Ludwig Kaemmerer, Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen 1897, S. 220, Abb. 1.

3 Ibidem, S. 221, Abb. 2.

4 Die diesbezügliche Inschrift am Schlüsse des Textes besagt: >Der erwirdig und geistleich in got Vater und herr herr Ulreich Abbt zue
Krembsmunster. An geistlichen rechten und in den sibm freyn künsten gradiert hat das puech schreiben lassen. Anno dni nri iiiii xpi 1465«.

5 Auch die Miniatur (Fig. 1), auf der vor dem heiligen Agapitus der Stifter von Kremsmünster, Herzog Tassilo, mit dem Kirchenmodell kniet
spricht für die lokale Entstehung.

« Für die Überlassung der Photographien sowie für eine detaillierte Beschreibung der Handschrift bin ich Herrn Alexander Ortel zu
besonderem Danke verpflichtet.

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