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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3682#0062
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Schüchternheit vergessen, mit der mir dieser Hüne an
Gestalt wenige Tage nach unserem Bekanntwerden in
Springers Kolleg die zierliche Diamantausgabe von
Michelangelos Rime e lettere gewissermaßen als Freund-
schaftspfand überreichte. Denn ein seltsamer Gegensatz
zwischen seiner derben, fast grobschlächtigen Erscheinung
und einem zarten, überfeinen Empfinden war es, der
immer wieder an ihm auffiel und anzog. Besuchoff nannten
wir ihn nach Tolstois Helden in »Krieg und Frieden«; mag
sein, daß hier slawische Atavismen im Spiel waren. Bei
aller Feinheit der Beobachtung fehlte ihm die Instinkt-
sicherheit, deren bewußter Mangel ihn auch lange mit
einer Scheu vor schriftstellerischer Tätigkeit erfüllte. Wie
Gautier von Goya sagt: le besoin de produire etait
independant de celui de publier. Erst im letzten Jahrzehnt
seines Lebens überwand er diese literarische Platzfurcht
und bekannte sich zur »gaya scienza« des Skeptikers.

Die umfassende Neugestaltung, die Friedrich Lipp-
mann der rückständigsten Abteilung der Berliner Museen
zugedacht hatte, forderte reichlich selbstlose Mitarbeit
zum Teil rein handwerksmäßiger Art. Bei der Neuauf-
stellung und Verzeichnung der Bestände des Kabinetts
hat Loga ein gutes Stück solcher Arbeit, für die er sogar
Maschinenschrift erlernte, mitgetan und seine Erfahrungen
in einem später von der Generalverwaltung der Museen
herausgegebenenHandbuch über Ordnung und Katalogisie-
rung eines Kupferstichkabinetts (Berlin 1910) veröffent-
licht, das neben Laschitzers älterer Arbeit über den gleichen
Gegenstand vielen vor eine ähnliche Aufgabe gestellten
Fachgenossen von großem praktischen Nutzen sein wird.

Daß die rein verwaltungstechnische Arbeit, der sich
die Herausgabe des Jahrbuches der preußischen Kunst-
sammlungen (1894 bis 1900) und die mühselige Erstellung
eines Index zu den ersten zwanzig Bänden dieser Zeit-
schrift gesellte, seine Interessen nicht ausfüllen konnten,
war begreiflich. Seine Urlaubszeit benutzte er stets zu
ausgedehnten Studienreisen, deren Eindrücke und Erleb-
nisse ihn schadlos hielten für die an der Schreibmaschine
vor Katalogzetteln und Redaktionsbriefen verbrachten
Stunden. Nachdem er, der Italien — auch Griechenland —
ziemlich genau kannte, zum erstenmal während eines
Sommerurlaubes 1897 Spanien besucht hatte, zog es ihn
unwiderstehlich immer wieder nach diesem kunstwissen-
schaftlich — trotz Justi — noch wenig ausgebeuteten
Land der Stierkämpfe und Troubadours, der Heimat
Velazquez' und Goyas. Jedesmal kam er begeistert und
voll neuer Anregungen heim und wurde nicht müde,
um Anteilnahme an seinen Studien zu werben, ohne doch
je in öde Schulmeisterei oder Besserwisserei zu verfallen.
Es war ihm Bedürfnis, mit seinen Freunden zu teilen, und
in die überschwengliche Schilderung gehabter Genüsse
wußte er lustige Schnurren und Anekdoten zu verweben,
wobei manche »cosas d' Espana« im üblen Sinn mit
unterliefen.

In Spanien war es denn auch, wo er — der uner-
schütterliche Raffael-Schwarmer des ancien regime — sich

schließlich vor Francesco Goya wissenschaftlich ver-
ankerte, um in seiner 1903 bei Grote in Berlin erschienenen
Monographie das Bild des großen Vorläufers des Impres-
sionismus von allen Retouchen und journalistischem
Flitterkram zu reinigen. Fast schien es, als wolle er selbst
sich gegen den Vorwurf der Klatschsucht, der ihm nicht
selten gemacht wurde, verwahren, indem er rücksichtslos
Alles beiseite schob, was namentlich die Franzosen und
auch Richard Muther an Figarohistörchen und Ekstasen
erfunden hatten, um ihren Helden den dekadenten Zeit-
genossen und Pikanterieschnüfflern wahlverwandt und
mundgerecht zu machen. Fast möchte man den Goya
Logas mit seiner nackten Maja im Gegensatz zu der
kokett-lüstern bekleideten vergleichen, wobei freilich nicht
zu übersehen, daß auch die Maja nue noch immer eine
dämonische Maja bleibt, während Loga seinen Goya allzu
absichtsvoll als einen Biedermaler hinstellt, dem es nur
um gute Bilder und Radierungen zu tun gewesen. Auch
darf nicht verschwiegen werden, daß ein rein historisches
Protokoll über die Entstehung der Werke eines Künstlers
dessen Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte male-
rischer und geistiger Probleme nicht voll gerecht werden
kann. Aber welch eine unendliche Arbeit allein in dem an
800 Nummern umfassenden Oeuvrekatalog des Meisters
steckt, vermag nur der zu würdigen, der diesen Katalog
Logas mit den unzulänglichen und unzuverlässigen Ver-
suchen seiner Vorgänger vergleicht.

Der Monographie folgten dann 1907 die prächtige
Ausgabe der seltenen Radierungen Goyas bei Grote, die
kurze Gesamtwürdigung des Graphikers Goya im IV. Bande
der Meister der Graphik (1911), die Tauromachie (1912
bei Beckmann-Berlin) und schließlich die kritische Würdi-
gung der Zeichnungen des Meisters, von denen er einige
für das Berliner Kabinett retten konnte, in den »Graphischen
Künsten« (Jahrgang 1908).

Damit glaubte er Ordnung in den bisher nur allzu-
sehr von schöngeistigen Gelegenheitsschriftstellern ver-
wirrten Stoff gebracht zu haben. Klarstellen war sein Ziel,
nicht die Verewigung von Herzensergießungen. Dieser
Verzicht auf persönliche Wertung, auf selbstgefälliges
literarisches Herausstellen der eigenen Erlebnisse vor den
Kunstwerken war ein Zug in Logas Wesen, den ich nicht
gut anders als vornehme Schamhaftigkeit nennen kann.
Jede Art wortreicher Gefühlsblähung vor den Schöpfungen
großer Meister fand er schlechthin unanständig. Ihm war es
Bedürfnis und Genuß zugleich, für sich zu lernen, sich
mit einer Dichtung oder einem Kunstwerk ganz zu
durchtränken, nicht aber vor andern sich solcher Erleb-
nisse zu rühmen. Was er davon mitteilen wollte, gab
er gelegentlich in beiläufiger Bemerkung, die nur schärfer
aufhorchenden Ohren auffiel. Ein ungewöhnliches Ge-
dächtnis zeichnete ihn aus: Dante, Goethe und — Wilhelm
Busch haben wohl selten in einem Hirn friedlicher und
bequemer gehaust als in dem seinen. Seine vielen Studien-
reisen, bei denen er Natur- und Kunstgenuß, Leibliches
und Geistiges zu verflechten verstand, aber auch keine

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