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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3683#0060
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Besprechungen neuer Erscheinungen.

Wilhelm Waetzoldt, Dürers Befestigungslehre.
Berlin. Julius Bard.

Das hübsch ausgestattete Büchlein ist ersichtlich frisch und rasch,
aber keineswegs flüchtig geschrieben. Wie der Autor im Vorwort mitteilt,
hat er sich für Dürers Befestigungslehre zunächst als Soldat und erst
später als Kunsthistoriker interessiert.

Er sah, daß Dürers Werk in der Kriegswissenschaft längst seinen
festen und ehrenvollen Platz einnimmt, während es dem großen Publikum
so gut wie unbekannt geblieben und auch von der Kunstgeschicht-
schreibung nur nebenher berücksichtigt worden ist.

Dürers mit 21 Holzschnitten von seiner Hand geschmücktes
Buch »Etliche underricht zu befestigung der Stett, Schloß und Flecken«
erschien 1527, also zwei Jahre vor der ersten Wiener Türkcnbelagerung,
und ist dem Reichsstatthalter Ferdinand, König zu Ungarn und Böhmen,
dem Enkel Maximilians und späteren Kaiser gewidmet. Es behandelt
1. den Bau von Basteien, 2. eine Zirkularbefestigung (Dürer sagt
»Clause«), 3. die Befestigung eines Schlosses oder richtiger: einer
Residenzstadt mit Schloß und endlich 4. die Anpassung einer ummauerten
mittelalterlichen Stadt an die Bedingungen eines Artillerickampfes.

Was Dürer von fremden Befestigungswerken mit eigenen Augen
gesehen hat, ist ungewiß. Vermutlich kannte er Verona, Köln und einige
niederländische Plätze. Er zitiert bloß die 1497 von dem Spanier
Ramirez gegen Frankreich erbaute Sperrfeste Salsas in Catalonien. Von
Autoren, die er benutzt hat, nennt er nur Vitruv, doch war er gewiß mit
den einschlagigen Arbeiten der italienischen Theoretiker Alberti, Filarete,
Lionardo und Francesco di Giorgio Martini vertraut.

Von noch vorhandenen Befestigungsbauten haben mit Dürer
gewiß nichts zu tun die vier Nürnberger Tortürme, vielleicht stehen die
Ingolstädter Festungsbauten unter seinem Einfluß, kaum die von
Straßburg und Jülich. Dagegen mutet die 1564 bis 1582 errichtete kleine
Zirkularbefestigung in Schaffhausen, die sogenannte *Unnot«, »wie eine
Verwirklichung der Ideen Dürers« an. Möglicherweise ist die Augsburger
»Kuggerei« von seinen Gedanken über den Städtebau abhangig.

Am Schlüsse des vierten Abschnittes, der dieWirkung von Dürers
Befestigungslehre, dessen Nachfolger und Einfluß auf die Entwicklung
behandelt, stellt Waetzoldt in nicht weniger als fünf Punkten jene
Gedankenreihen zusammen, in denen Dürer bereits die Richtung ein-
geschlagen hat, in der sich seit dem Beginn des XIX. Jahrhunderts die
spezielle deutsche Befestigungslehre, die »neupreußische Schule«, bewegte.
Waetzoldts abschließendes Urteil über die Bedeutung und Ur-
sprünglichkeit von Dürers Befestigungslehre, dem zweiten von dessen
theoietischen Werken, lautet: »Dürers Buch ist ein überaus bezeichnen-
des Denkmal aus der Übergangszeit zwischen alter und neuer Be-
festigungsweise, zwischen Gotik und Renaissance. Dürer verbleibt für
immer der Ruhm, als erster Deutscher systematisch über eine zeitgemäße
Befestigungstheorie nachgedacht und sein Buch in deutscher Sprache
gedruckt zu haben. Aber: weder die Befestigungslehre noch der ideale
Stadtplan tragen durchaus originalen Charakter. Dürer hat neben bahn-
brechenden Gedanken Anschauungen vorgetragen, die Gemeingut seiner
Zeit waren und teilweise ihren Stammbaum bis auf die Antike zurück-
führen können«. A.W.

Karl Schwarz: Augustin Hirschvogel. Ein
deutscher Meister der Renaissance. Mit einem Selbstbildnis
Hirschvogels in Handpressenkupferdruck und siebenund-
siebzig Abbildungen in Tonätzung. Berlin 191.7. Julius Bard.

Augustin Hirschvogel war zweifellos eine vielseitige Persön-
lichkeit. Er war als Keramiker, Majolika- und Glasmaler, Medailleur,
Münzstempel- und Wappensteinschneider und als Harnischätzer tätig.
Freilich ist es auch dem Verfasser der vorliegenden so ausführlichen
Monographie nicht gelungen, diese Arten der künstlerischen Tätigkeit
Hirschvogels durch noch erhaltene Werke seiner Hand zu belegen. Als
Zeichner und Radierer, als Illustrator, als Landschafter und Ornamentiker,
als Erfinder von Vorlagen für die Goldschmiedekunst, als Verfasser

eines Lehrbuches der Geometrie und als Kartograph aber war zwar
Hirschvogel der Kunstgeschichtschreibung schon längst bekannt, allein
hier glückte es den emsigen, ebenso weitauslangenden wie tiefgrabenden
Bemühungen des Verfassers, das Bild des Künstlers um wichtige, ja um
wesentliche Züge zu bereichern. Manches Unbekannte kam dabei zum
Vorschein, vieles wurde unverdientem Dunkel entrissen und ins richtige
Licht gerückt.

Für uns Österreicher ist der Nürnberger Hirschvogel darum von
besonderer Bedeutung, weil sich ein großer Teil seines tatenreichen
Lebens auf dem Boden der einstigen Monarchie, ja in Wien abspielte.
1503 in Nürnberg geboren, verläßt er dreiunddreißigjährig seine
Vaterstadt, taucht dann in Laibach auf, betätigt sich als Kartograph,
zieht durch seine Landkarten die Aufmerksamkeit des Hofkammerrates
Christoph Kbevenhüller auf sich, der ihm eine Reihe von Aufträgen
für Kaiser Ferdinand I. vermittelt und ihn veranlaßt, sich in Wien
niederzulassen, wo er nach einem vorübergehenden Aufenthalt in
Nürnberg im Jahre 1543 vom folgenden Jahre an bis zu seinem Tode
im Jahre 1553 ständig verweilt. Unter seinen Arbeiten in Wien sind
einerseits die Radierungen für die »Moscovia«- des Freiherrn Sigmund
von Herberstain (die lateinische Erstausgabe des Werkes, die allein die
Radierungen Hirschvogels enthält, ist 1549 in Wien erschienen) und für
die Bilderbibel des reformierten ungarischen Magnaten Peter Perenyi,
anderseits die beiden 1547 entstandenen Ansichten von Wien, die eine
vom Südwesten, die andere vom Norden her aufgenommen, und der vom
Künstlei" sowohl auf eine Tischplatte gemalte als auch radierte Rundplan
der Stadt Wien vom selben Jahre hervorzuheben. Anläßlich eines mit der
Vermessung und den Ansichten und Plänen der Stadt Wien zusammen-
hängenden Manuskriptes, in dem Hirschvogel sein Meßverfahren aus-
führlich erklärt, weist der Verfasser nach, daß der Künstler als erster die
Triangulierung angewendet habe.

Unter den von der Mitte des XVI. Jahrhunderts an in Wien
tätigen reichsdeutschen Künstlern (außer Hirschvogel noch der gleich-
falls aus Nürnberg stammende Hans Sebald Lautensack und der Leipziger
Donat Hübschmann) ist Hirschvogel der zuerst gekommene und
anscheinend auch derjenige, welcher in Wien die nachhaltigste Wirkung
ausgeübt hat. Noch im XIX. Jahrhundert nennt ihn ein Wiener Lokal-
chronist als jenen Maler, der den Teufel an die Wand gemalt habe.
Als Radierer, als welcher er nur zwischen 1543 und 1552 tätig war,
hat sich Hirschvogel die größten Verdienste um die Landschaft erworben.
Hier setzte er das Werk Altdorfers und Hubers fort. Seine Figuren und
seine Bildnisse sind schwach, besser gelingen ihm Tiere, als Orna-
mentiker ist er eigenartig, ein Wegbahner des Barock. Außer Altdorfer
und Huber hat natürlich Dürer ihn beeinflußt, von italienischen Meistern
Agostino Veneziano, der Meister des Polifilo und Bonasone. Lautensack, als
Landschafter eine Parallelerscheinung zu Hirschvogel, ist wohl eher von
diesem abhängig als umgekehrt, bei Virgil Solls. Amman und Aldegrever
zeigen sich deutlichere Spuren seines Einflusses.

Das schön ausgestattete, in seiner äußeren Anlage vielleicht mehr
als in seinem Inhalt etwas zu breit geratene Buch gliedert den Stoff
folgendermaßen; Augustin Hirschvogels Leben, " seine illustrierten
Schriften, seine graphischen Einzelblätter, seine Zeichnungen, seine
Kunst, sein Stammbaum, Urkunden, in den Beilagen Auszüge aus den
Büchern des Künstlers, Katalog seiner Werke und Verzeichnis der
Literatur über Augustin Hirschvogel und Veit Hhschvogel d. Ä. A. IV.

Ludwig Burchard: Die holländischen Radierer vor
Rembrandt. Mit beschreibenden Verzeichnissen und
biographischen Übersichten. 2., durch 12 Tafeln und ein
alphabetisches Register vermehrte Auflage. Berlin 1917.
Paul Cassirer.

Behandelt ist die Radierung in der Zeit von 1590 bis 1630 und
zwar, wie der Titel betont, die holländische Radierung dieser vier
Jahrzehnte. Doch sind Rubens und Van Dyck, den bedeutendsten flämi-
schen Radierern der betrachteten Zeitspanne, Exkurse gewidmet.
 
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